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# taz.de -- Anstieg tödlicher Schüsse durch Polizei: Nicht eure Zielscheibe
> Die Polizei hat 2024 so viele Menschen erschossen wie seit 1999 nicht
> mehr. Viele dieser Menschen waren psychisch krank. Beamt*innen werden
> zur Gefahr.
Bild: Auch wenn die Figuren im Übungsraum bewaffnet sind, ist das bei den Get�…
Es sind viele Namen, sehr viele Namen: [1][Mohamed Idrissi], Omar K., Soner
A., Robert B., Markus M., [2][Lamin Touray]. Allein in der ersten Woche vom
August 2022 sind vier Menschen getötet worden: [3][Amin F.] in Frankfurt am
Main, Jozef B. in Köln, Sascha H. in Oer-Erkenschwick, [4][Mouhamed Dramé]
in Dortmund.
Die Liste der Betroffenen, die in Deutschland von der Polizei getötet,
erschossen, ja ermordet werden, ist lang, wird mit jedem Monat länger. Es
ist ein lebensbedrohliches Problem, das viele in dieser Gesellschaft als
solches gar nicht erst wahrnehmen.
Eine Auswertung von Meldungen der Nachrichtenagentur dpa brachte nun
hervor, dass 2024 so viele Menschen durch Polizeischüsse ihr Leben verloren
haben wie seit 1999 nicht mehr – das laufende Jahr ist noch nicht mal
vorbei. Bundesweit sind es laut dieser Auswertung 17 Tote bis Oktober 2024
gewesen. [5][Laut Experten] sind drei Viertel der Opfer tödlicher
Polizeigewalt psychisch erkrankt, viele von ihnen sind von Rassismus, von
Armut, von Obdachlosigkeit oder Drogenabhängigkeit betroffen.
## Kritiker*innen nennen es „Polizeiterror“
Die Gesellschaft hetzt das Gewaltmonopol auf diese besonders verletzbaren
Gruppen, anstatt zum Beispiel einen sozialpsychiatrischen Dienst
bereitzustellen, der nachweislich Gefahrensituationen entschärfen, somit
Leben retten und uns alle sicherer machen könnte.
Die Polizei und ihre Gewerkschaften rechtfertigen routiniert diese längst
normalisierte Polizeigewalt. Von [6][unbedingtem Durchsetzungsvermögen] der
Polizei ist dann die Rede, von Eigenschutz der Beamt*innen, von normalem
Polizeialltag. Insbesondere die Polizeigewerkschaften haben sich als
Advokaten von tödlicher Gewalt ihrer uniformierten Mitglieder hervorgetan.
Kritiker*innen nennen es „Polizeiterror“, Polizeigewerkschafter werden
in bürgerlichen und Boulevardmedien, im Fernsehen zum Interview gebeten:
Sie nennen die tödlichen Einsätze regelmäßig unvermeidbar, angemessen,
konsequent. Dann lächeln sie in die Kamera. Die einen Kolleg*innen
töten, die anderen rechtfertigen. Arbeitsteilung.
## Politik gibt „volle Rückendeckung“
In den meisten Medien wird über solche Fälle häufig lapidar berichtet,
[7][Polizeimeldungen (samt realitätsferner Darstellungen, man könnte sie
auch Lügen nennen) werden ungeprüft übernommen]. Dann ist zum Beispiel die
Rede von einer Frau, die neulich in einem Supermarkt in München randalierte
und dann [8][erschossen wurde]. Alles normal. Dass das Opfer in einer
psychischen Ausnahmesituation und der Polizei [9][als psychisch erkrankt
bekannt] war, wird selten, eher nebenbei im Nachgang erwähnt.
Es entsteht der Eindruck: Das soll so sein, es ist okay, wenn solche
Menschen erschossen werden. Die von der Gesellschaft beauftragten Mörder in
Uniform bekommen dann von der Politik, [10][wie es im Koalitionsvertrag
heißt], „volle Rückendeckung“ und „uneingeschränkte Solidarität“. T…
legitimierte Routine, so weit ist diese Gesellschaft verrottet.
Doch niemand, rein niemand hat es verdient, von der Polizei erschossen,
danach in [11][rechtsextremen Polizeichats] verhöhnt zu werden. An dieser
Stelle sei erwähnt, dass Menschen auch durch Einsätze von
Elektroschockgeräten, durch [12][Ersticken und Erwürgen] oder vermeintlich
„auf mysteriöse Weise“ in Polizeigewahrsam ums Leben kommen, getötet, ja
ermordet werden. [13][Oury Jalloh] ist da nur der bekannteste Fall, der
zeigt: Ein Mensch kann gefesselt in diesem Land auf einer Polizeiwache
angezündet werden, den verantwortlichen Polizist*innen drohen danach
fast keine Konsequenzen.
## Bedingungslos #TeamPolizei
Das tödliche Polizeiproblem, das belegt die aktuelle Auswertung erneut mit
ihren vielen Fällen, die psychisch erkrankte Betroffene aufweisen, ist eine
gut funktionierende politisch gewollte und von weiten Teilen des
Parteienspektrums unterstütze Praxis, die Menschen unsicher macht. Dabei
ist die Polizei gesetzlich daran gebunden, stets [14][das mildeste Mittel
anzuwenden] und verhältnismäßig zu agieren.
Doch von den in einigen Bundesländern mitregierenden Linken, über
[15][SPD], [16][FDP], [17][Grüne] bis hin zur [18][Union] und ins
rechtsextreme Lager: Sie alle sind bedingungslos #TeamPolizei. Dabei sind
sehr viele Opfer zu beklagen. So viele, dass manche Polizeibehörden selbst
[19][laut Recherchen] nicht genau wissen, wie viele Menschen sie töten. Die
Sicherheitsbehörden führen schlicht keine offizielle Statistik zu diesem
Thema.
Ich habe diesen Text an einigen Stellen bewusst hart formuliert. Denn als
Reporter beschäftige ich mich nun seit mehr als einem Jahrzehnt mit der
polizeilichen Gefahrenlage in Deutschland. Vor Kurzem habe ich eine Liste
zusammengestellt, mit Fällen tödlicher Polizeigewalt seit 1945. Die meisten
Fälle sind in den Pressearchiven und Polizeiakten mit „N.N.“ vermerkt. Ja,
es sind viele Tote, aber die meisten Opfer tragen für diese Gesellschaft
noch nicht mal einen Namen.
Anmerkung der Redaktion: Für diesen Text wurde die taz vom [20][Deutschen
Presserat gerügt].
29 Oct 2024
## LINKS
[1] /Ermittlungen-im-Fall-Mohammed-Idrissi/!5770406
[2] /Nach-toedlichen-Schuessen-auf-Lamin-Touray/!6036804
[3] /Frankfurter-Bahnhofsviertel/!6027609
[4] /Todesschuesse-in-Dortmund/!6009171
[5] https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/polizei-ausbildung-101.html
[6] https://fragdenstaat.de/artikel/exklusiv/2023/05/polizei-krisen/
[7] /Umgang-mit-der-Polizei-in-Medien/!6036641
[8] https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2024-08/muenchen-polizei-fra…
[9] https://www.thomasfeltes.de/images/Feltes_Alex_Psychisch_Gesto%CC%88rte_020…
[10] https://netzpolitik.org/2023/koalitionsvertrag-einmal-alles-fuer-hessens-h…
[11] /Rechtsextreme-Polizeichats-in-Hessen/!6020271
[12] /Nach-toedlichem-Polizeieinsatz/!5934162
[13] /Oury-Jalloh/!t5024194
[14] https://www.bmj.de/DE/rechtsstaat_kompakt/rechtsstaat_grundlagen/verhaeltn…
[15] https://www.tagesspiegel.de/berlin/das-empfinde-ich-nicht-als-rassismus-in…
[16] https://fdp-landtag-bw.de/pressemitteilungen/ruelke-rueckendeckung-und-unt…
[17] https://www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/publika…
[18] https://www.zeit.de/news/2023-11/11/wegner-polizei-hat-meine-hundertprozen…
[19] https://www.zeit.de/gesellschaft/2023-02/polizeigewalt-tote-einsatz-debatte
[20] /Deutscher-Presserat-ruegt-taz/!6078212
## AUTOREN
Mohamed Amjahid
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