# taz.de -- Nach tödlichen Polizeischüssen: Wieder einmal Notwehr | |
> Ermittlungen gegen zwei Göttinger Polizisten wurden eingestellt: Die | |
> Schüsse auf einen Drogenkranken dienten laut Staatsanwaltschaft dem | |
> Selbstschutz. | |
Bild: Ermittlungen nach tödlichen Polizeischüssen eingestellt: Hier der Tator… | |
Göttingen taz | Die tödlichen Schüsse wurden in Notwehr abgegeben: Mit | |
dieser Begründung hat die Staatsanwaltschaft Göttingen jetzt das | |
Ermittlungsverfahren gegen zwei Polizisten eingestellt, die am 18. Dezember | |
2024 im Göttinger Stadtteil Geismar [1][einen mutmaßlich drogenkranken Mann | |
erschossen] hatten. Gegen die Beamten war wegen des Verdachts auf | |
fahrlässige Tötung ermittelt worden. Die Einstellung der Verfahren erfolge | |
„mangels hinreichenden Tatverdachts“, so Oberstaatsanwalt Andreas Buick. | |
Aufgrund der gesicherten Bodycam-Videos sowie von Zeugenaussagen sei davon | |
auszugehen, dass der später Getötete die Beamten wiederholt mit einem | |
Messer angegriffen hatte. Trotz ihres „defensiven Verhaltens“ und | |
mehrfacher Aufforderung, das Messer wegzulegen, und auch nach der Androhung | |
des Schusswaffengebrauchs habe der Mann offenbar aufgrund einer psychischen | |
Erkrankung nicht von den Polizisten abgelassen. „In der dadurch | |
verursachten Notwehrsituation hat einer der Beamten insgesamt vier Schüsse | |
abgegeben“, so Buick. Bei einem soll es sich um einen Warnschuss gehandelt | |
haben, die drei anderen trafen den Körper des Mannes. | |
Der 35-Jährige soll den Ermittlungen zufolge vor den tödlichen Schüssen in | |
der Nähe eines Supermarktes eine Frau grundlos angegriffen haben. Die | |
beiden hätten einander nicht gekannt. Laut Staatsanwaltschaft hatte der | |
Mann aufgrund seiner Drogenabhängigkeit einen Betreuer. Nachdem die Frau | |
mithilfe von zwei Passanten in ihre nahe gelegene Wohnung geflüchtet war, | |
habe sie bemerkt, dass sich der Mann weiter vor dem Gebäude aufhielt, und | |
die Polizei alarmiert. | |
## Polizist gab Schüsse aus einer Dienstwaffe ab | |
Als die beiden Beamten vor Ort eintrafen, soll das spätere Opfer diese | |
sofort angegriffen und einem der Beamten „im Bereich des Oberkörpers“ eine | |
Stichverletzung zugefügt haben. Daraufhin gab einer der Polizisten aus | |
seiner Dienstwaffe die Schüsse ab. Zwei Kugeln trafen die Oberschenkel, | |
eine seitlich den Hals des Mannes. „Diese Verletzung hat zum Tode geführt“, | |
hatte der Göttinger Staatsanwalt Mohamed Bou Sleiman nach der Obduktion des | |
Leichnams erklärt. | |
Lokale Medien zitierten damals eine Anwohnerin, die das Geschehen vom Bus | |
aus verfolgt haben will. Sie habe den angeschossenen Mann gesehen, der auf | |
dem Bordstein lag. Dass offenbar niemand von den Umstehenden, darunter | |
Polizisten, Erste Hilfe leistete, habe sie verwundert. Ihren Angaben nach | |
sei das erst durch eintreffende Sanitäter passiert. | |
Wenige Tage vor der Einstellung des Verfahrens gegen die beiden Beamten | |
hatte das Landgericht Göttingen einen 35-jährigen Polizisten vom Vorwurf | |
der Körperverletzung im Amt freigesprochen. Der Angeklagte hatte im Juli | |
2021 gemeinsam mit drei Kollegen versucht, einen Betrunkenen in der | |
Göttinger Innenstadt zu fixieren. Bodycam-Aufnahmen und Videos von | |
Passanten zeigen, wie der Polizist den bereits auf dem Boden liegenden Mann | |
mehrfach mit der Faust gegen den Kopf schlägt. | |
## Gericht sieht beim Beamten keinerlei Fehlverhalten | |
Das Gericht kam im Berufungsverfahren zu dem Schluss, dass dem Beamten | |
keinerlei Fehlverhalten vorzuwerfen sei. Sämtliche Maßnahmen seien von den | |
polizeilichen Eingriffsbefugnissen gedeckt gewesen. Mit seinem Freispruch | |
folgte das Gericht dem Antrag der Verteidigung. Die Staatsanwaltschaft | |
hatte dagegen beantragt, gegen den Beamten eine Verwarnung mit | |
Strafvorbehalt auszusprechen. Die Nebenklage forderte eine Freiheitsstrafe | |
von einem Jahr auf Bewährung. | |
Das örtliche Amtsgericht hatte zuvor geurteilt, zwei der Schläge seien | |
rechtswidrig gewesen, weil keine Notwehrsituation mehr bestanden habe. Es | |
sei aber nicht auszuschließen, dass der Polizist die Grenzen der Notwehr | |
„aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken“ überschritten habe. Deshalb wurde | |
der Polizist schon in erster Instanz freigesprochen. Staatsanwaltschaft und | |
Nebenklage gingen daraufhin in Berufung. | |
Bei seinem Urteil stützte sich das Landgericht unter anderem auf die | |
Ausführungen eines Polizeiausbilders aus Hessen. Demzufolge hatten der | |
angeklagte Polizist und seine Kollegen gemäß den Leitlinien für den Umgang | |
mit aggressiv handelnden Menschen gehandelt. | |
22 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Reimar Paul | |
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