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# taz.de -- Neues Asylpaket: Ampel verschärft Migrationspolitik
> Die Bundesregierung einigt sich auf eine Vielzahl von Maßnahmen.
> Bestimmten Geflüchteten werden die Sozialleistungen komplett gestrichen.
Bild: Für einige Geflüchtete soll es in Deutschland ungemütlicher werden
Berlin taz | Die Bundesregierung verschärft einmal mehr die [1][Migrations-
und Sicherheitspolitik.] Das kündigten Bundesinnenministerin Nancy Faeser
(SPD) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) am Donnerstag in
Berlin an. Faesers Kernbotschaft: „Wer in Deutschland keinen Anspruch auf
Schutz hat, muss wieder gehen.“ Die Ampel reagiert damit auf den
islamistischen Anschlag von Solingen in der vergangenen Woche.
Es handelt sich bei den Plänen offenbar um eine Art Gesprächsgrundlage für
ein zuletzt angekündigte Gipfeltreffen mit Ländern und der CDU. Das
zentrale Anliegen ist, Geflüchteten die Leistungen zu streichen, für deren
[2][Asylantrag] andere EU-Staaten zuständig sind.
Schon bisher können die Sozialleistungen in diesen sogenannten
Dublin-Fällen abgesenkt werden. Voraussetzung ist dafür, dass sie nicht
ausreisen, obwohl das zuständige Land sie zurücknehmen will, was nur selten
passiert. Nun sollen ihre Leistungen komplett gestrichen werden können.
Daneben sollen auch die Schwellen für sonstige Abschiebungen gesenkt
werden. Zum Beispiel in Fällen, in denen Ausländer Straftaten mit Messern
begehen. Das soll auch für Jugendliche gelten. Und wenn Geflüchtete im
Heimatland Urlaub machen, sollen sie ihren Schutzstatus verlieren.
Geplant ist außerdem, der Polizei mehr Kompetenzen zu geben, etwa im
Bereich KI. Den Kampf gegen Islamismus soll verstärkt werden. Beim
umstrittenen Thema Waffenrecht einigte sich die Regierung auf eine Vielzahl
kleiner Änderungen, etwa Messerverbote für öffentliche Veranstaltungen wie
Volksfeste.
Insbesondere die Union hatte zuletzt mächtig Druck auf die Bundesregierung
ausgeübt, die deutsche Asylpolitik zu verschärfen. [3][Der Täter von
Solingen] war als syrischer Flüchtling zuerst in Bulgarien angekommen. Nach
dem Dublin-System ist derjenige Staat für Asylanträge zuständig, in dem der
Antragsteller zuerst EU-Boden betritt. Dennoch kam der spätere mutmaßliche
Täter 2022 nach Deutschland.
## Täter erhielt subsidiären Schutz
Die Behörden stellten ein Übernahmegesuch an Bulgarien, das dort angenommen
wurde. Doch eine Abschiebung scheiterte daran, dass die deutsche Polizei
ihn am Tag des Flugs nicht antraf. Weitere Versuche gab es nicht, nach
Ablauf der Überstellungsfrist von sechs Monaten fiel sein Asylantrag in die
deutsche Verantwortlichkeit. Schlussendlich wurde ihm subsidiärer Schutz
zugesprochen.
Solche Fälle will die Bundesregierung mit ihren Plänen nun offenbar
verhindern. Das Kalkül: Wenn die Bedingungen hier nur schlecht genug sind,
gehen Geflüchtete von allein zurück. Es ist jedoch fraglich, wie viel
damit im Fall potenzieller Terroristen gewonnen ist: Im Zweifel werden
zwar keine Deutschen Opfer, dafür aber andere EU-Bürger*innen.
Die Einigung ist insbesondere ein Erfolg für die FDP. Finanzminister
Christian Lindner hatte am Mittwochabend in der ARD gefordert,
Dublin-Flüchtlinge sollten „null Euro“ erhalten. Und der innenpolitische
Sprecher der FDP, Manuel Höferlin, hatte am Donnerstag nachgelegt. Er sagte
der taz: „Wer vollziehbar ausreisepflichtig ist, soll künftig in
Deutschland keine Leistungen mehr erhalten – mit Ausnahme der Kosten für
den Transport in den zuständigen Staat.“
Aus der Grünen- und der SPD-Fraktion wollte sich bis Redaktionsschluss am
Donnerstag niemand äußern. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge
verwies im NDR darauf, dass es bereits Leistungskürzungen für Geflüchtete
gibt, die sich einer Ausreise widersetzen. Sie sprach sich aber auch für
schnellere Abschiebungen aus.
## Rechtliche Lage unklar
Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Pläne der Ampel. Pro Asyl
etwa teilte der taz mit: „Die aktuellen Vorschläge zur Streichung der
Leistung für manche Asylsuchende sind aus unserer Sicht absehbar
verfassungswidrig.“
Tatsächlich ist die rechtliche Lage komplex. Das Bundesverfassungsgericht
hat bisher noch nicht darüber entschieden, ob Geflüchteten Leistungen
gestrichen werden dürfen, die das Existenzminimum sichern, wenn sie
Anspruch auf Leistungen in einem anderen EU-Staat haben.
Allerdings hat das Gericht 2022 erklärt, dass der Gesetzgeber durchaus
verlangen kann, „an der Überwindung ihrer Hilfebedürftigkeit selbst aktiv
mitzuwirken oder die Bedürftigkeit gar nicht erst eintreten zu lassen“.
Dazu passt auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu
Hartz-IV-Sanktionen von 2019. Danach können Leistungen ausnahmsweise
vollständig versagt werden, wenn die „Aufnahme einer angebotenen zumutbaren
Arbeit“ abgelehnt wird.
29 Aug 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Frederik Eikmanns
Christian Rath
Konrad Litschko
## TAGS
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