| # taz.de -- Klimaanpassung: Sommer auf Beton | |
| > Ist Ihr Kiez bereit für die Klimakrise? Anhand von fünf Stationen zeigen | |
| > wir, wie der Umgang mit Dürre, Hitze und Starkregen gelingen kann. | |
| Bild: Innenstädte heizen sich im Sommer teils enorm auf | |
| Hitzeinseln, damit sind nicht etwa Mallorca oder Sizilien im Hochsommer | |
| gemeint, sondern Städte, die sich im Sommer besonders stark aufheizen | |
| können. Viele Gebäude, zubetonierte Böden und wenig Grün sorgen dafür, dass | |
| sich dort ein anderes Mikroklima bildet als im Umland. Auf den dunklen | |
| Straßen und zwischen hohen Häusern staut sich die Hitze. Im Sommer kann es | |
| in Städten daher bis zu 10 Grad wärmer sein als außerhalb, im Mittel ist es | |
| in deutschen Städten 2 bis 4 Grad heißer. | |
| Durch die globale Erderhitzung wird dieser Effekt in den kommenden Jahren | |
| immer stärker werden. Auch Extremwetterereignisse wie Starkregen werden | |
| zunehmen. Diese Veränderungen stellen eine Gefahr für die Sicherheit, | |
| Lebensgrundlage und Gesundheit vieler Menschen dar. | |
| Allerdings können Städte an das sich verändernde Klima angepasst werden. | |
| Die Ideen sind zahlreich. Ein nachhaltiges Regenwassermanagement mit | |
| unterirdischen Auffangbecken kann in Dürreperioden aushelfen. Wenn mehr | |
| Boden vom Beton befreit wird, gelangt wieder mehr Regen ins Grundwasser. | |
| Gebäude sollten in hellen Farben gestrichen werden, um sich weniger schnell | |
| zu erhitzen. Und wenn mehr Bäume gepflanzt werden, sorgen diese für | |
| Abkühlung. Aber wie gut sind unsere Städte wirklich vorbereitet und wo kann | |
| konkret angepackt werden? | |
| Anhand von fünf exemplarischen Stationen können Sie messen, ob – und wenn | |
| ja, wie gut – Ihr Wohnort an Hitze, Regen und Trockenheit angepasst ist. | |
| Natürlich ersetzt dieser Selbsttest nicht den Job einer | |
| Nachhaltigkeitsmanagerin, aber so können Sie sich einen Eindruck über die | |
| Lage in Ihrer Stadt verschaffen. Während des Spaziergangs sammeln Sie | |
| Arbeitshandschuhe. Je mehr es am Ziel sind, desto stärker muss Ihre Stadt | |
| anpacken, um sich auf das heißere Klima vorzubereiten. | |
| Also: Ab nach draußen und los! | |
| ## Station 1: Stadtbäume | |
| Gehen Sie auf einen großen Platz in Ihrer Stadt. Wie viele Bäume zählen | |
| Sie? | |
| 0 – 2 Bäume: 3 Handschuhe | |
| 3 – 10 Bäume: 2 Handschuhe | |
| 10 – 20 Bäume: 1 Handschuh | |
| Mehr als 20 Bäume: -1 Handschuh | |
| Bäume können in Zeiten der Klimakrise die immer heißer werdenden Städte | |
| entscheidend abkühlen. Über ihre Blätter verdunstet Wasser, was eine | |
| ähnliche Wirkung hat wie Schweiß auf unserer Haut: Er reguliert die | |
| Temperatur. Für einen nennenswerten Effekt reicht allerdings ein einziger | |
| Baum auf einem weitläufigen Platz nicht aus. Je mehr Bäume gepflanzt sind, | |
| desto kühler wird die Umgebung. Neben der Verdunstung liegt das natürlich | |
| auch daran, dass die Bäume Schatten spenden. Vor allem Bäume mit einer | |
| dichten Krone bieten Schutz vor der Sonne, sie haben aber auch einen | |
| deutlich [1][höheren Wasserbedarf]. Stadtbäume sorgen zudem für einen | |
| deutlich höheren Kühleffekt als Grünflächen ohne Bäume, wie eine [2][Studie | |
| der ETH Zürich] zeigt. Der entscheidende Grund dafür ist, dass Bäume durch | |
| ihre langen Wurzeln mehr Wasser aufnehmen können, was anschließend | |
| verdunsten kann. | |
| ## Station 2: Versiegelung | |
| Schauen Sie nach unten. Welchen Bodenbelag sehen Sie größtenteils? Kreuzen | |
| Sie an. | |
| Asphalt (Abflussbeiwert 0,9): 3 Handschuhe | |
| Pflastersteine mit dichten Fugen (0,75): 2 Handschuhe | |
| Lockerer Kies (0,3): 1 Handschuh | |
| Rasengittersteine (0,15): -1 Handschuh | |
| Der Boden in Städten besteht oft zu einem großen Teil aus Asphalt, etwa auf | |
| Straßen und Parkplätzen. Für Autos ist das optimal, auch | |
| Radfahrer:innen profitieren von einem guten Bodenbelag. Weniger optimal | |
| sind [3][große asphaltierte Flächen] bei steigenden Temperaturen und der | |
| Zunahme von Starkregenereignissen, wie der sogenannte Abflussbeiwert | |
| verrät. Diese Messgröße beschreibt, wie groß der Anteil des Niederschlags | |
| ist, der direkt in den Abfluss läuft und somit nicht versickern kann. | |
| Versickerung ist wichtig, damit Grundwasserspeicher sich auffüllen können – | |
| aus denen dann wiederum Stadtbäume ihr Wasser ziehen. | |
| ## Station 3: Regenwasser | |
| Schauen Sie in der Tabelle, wie viele Starkregenereignisse für Ihren | |
| Landkreis in den vergangenen zehn Jahren gezählt wurden. | |
| 76 Starkregenereignisse oder mehr: 3 Handschuhe | |
| 75 – 34: 2 Handschuhe | |
| 33 – 12: 1 Handschuh | |
| Weniger als 12: -1 Handschuh | |
| Durch die Klimakrise steigen nicht nur die Temperaturen, es kommt auch | |
| vermehrt zu lokalen und [4][extremen Niederschlagsereignissen], wie etwa | |
| bei der verheerenden [5][Flut im Ahrtal] im Sommer 2021. Die bestehende | |
| Kanalisation ist damit schnell überfordert und das Wasser läuft in die | |
| Häuser. Das kann zu hohem Sach- und im schlimmsten Fall Personenschaden | |
| führen. Außerdem wird das Wasser so dem Kreislauf entzogen: Es kann nicht | |
| versickern, fehlt im Grundwasser und kann auch nicht wieder verdunsten, | |
| der Kühleffekt geht verloren. | |
| Immer mehr Anklang findet daher das [6][Konzept der Schwammstadt]. Wie ein | |
| Küchenschwamm soll die Stadt Wasser aufnehmen können und nach und nach | |
| wieder abgeben. Statt überfluteter Keller füllen sich in der Schwammstadt | |
| unterirdische Wasserspeicher, sogenannte Rigolen, die zur Bewässerung von | |
| Grünflächen und Bäumen dienen sollen. Ein solcher Speicher entsteht derzeit | |
| auf dem Gendarmenmarkt in Berlin und soll 480 Kubikmeter Wasser fassen. | |
| ## Station 4: Architektur | |
| Schauen Sie sich noch einmal um. Wie hoch und nah stehen die Häuser in | |
| Ihrer Umgebung? Wählen Sie eine der folgenden drei Optionen. | |
| Luftige Straßen und niedrige Häuser: -1 Handschuh | |
| Mittelhohe Häuser und enge Straßen: 1 Handschuh | |
| Hohe Häuser und sehr enge Straßen: 2 Handschuhe | |
| Nicht nur betonierte Straßen speichern die Hitze, auch eng stehende, hohe | |
| Häuser können dafür sorgen, dass in Städten [7][Hitzeinseln entstehen]. | |
| Wenn der Wind nicht mehr durch die Straßen wehen kann, weil die Häuserwände | |
| zu hoch sind und Gebäude natürliche Windschneisen verbauen, staut sich die | |
| Luft. Am stärksten zeigt sich dieser Effekt in Städten mit | |
| Straßenschluchten aus Wolkenkratzern. Zwischen den hohen Gebäuden bleibt | |
| die Hitze gefangen und es kühlt auch nachts kaum ab. Dadurch können die | |
| Menschen dort mehr Tropennächten ausgesetzt sein. In solchen Nächten sinkt | |
| die Temperatur nicht unter 20 Grad – eine Belastung für den menschlichen | |
| Körper. Manche Städte reagieren bereits darauf und passen ihre Architektur | |
| an das Klima an: In Zürich dürfen bei neuen Bauprojekten zum Beispiel keine | |
| Mauern in den Weg von kalten Luftströmen gesetzt werden. | |
| ## Station 5: Gewässer | |
| An einem heißen Sommertag am kühlen, plätschernden Wasser zu sitzen – | |
| unersetzlich! Gibt es einen Fluss in Ihrer Stadt? | |
| Ja, hier fließt ein großer Fluss: -1 Handschuh | |
| Jein, hier gibt es einen Bach: 1 Handschuh | |
| Nein: 2 Handschuhe | |
| Gewässer haben einen entscheidenden Einfluss auf die Temperatur in Städten. | |
| Seen heizen sich tagsüber zwar langsamer auf als Straßen, aber sie kühlen | |
| nachts auch nicht so schnell ab. Daher können Stadtseen eher ein Nachteil | |
| in heißen Nächten sein. Anders verhält es sich mit fließenden Gewässern. | |
| Flüsse dienen häufig als [8][Kaltluftschleusen]. Durch das Flussbett wird | |
| kalte Luft in Richtung Stadt transportiert, ein gutes Beispiel ist die Isar | |
| in München, die Luft aus dem Alpenvorland mitbringt. Aber auch Bäche können | |
| die Temperatur durch Verdunstung um bis zu 1,5 Grad senken. In vielen | |
| Städten wurden Bäche unter die Erde gelegt und kanalisiert. Diese wieder an | |
| die Oberfläche zu holen und zu renaturieren, birgt vielerorts ein kühlendes | |
| Potenzial. | |
| ## Auswertung | |
| Wenn Sie die Handschuhe der einzelnen Stationen addieren und die | |
| durchgestrichenen abziehen, erhalten Sie eine Summe. Diese gibt Ihnen | |
| Aufschluss darüber, wie gut Ihre Stadt auf die Auswirkungen der Klimakrise | |
| vorbereitet ist – und wie viel Anpassungspotenzial es noch gibt. | |
| Weniger als 5 Handschuhe: Gut vorbereitet | |
| 5 – 8 Handschuhe: Da geht noch was | |
| 9 – 13 Höchste Eisenbahn! | |
| Und jetzt? Viele Anpassungsmöglichkeiten müssen Politiker:innen | |
| umsetzen. Gute Ansprechpersonen dafür sind die Abgeordneten des | |
| Stadtparlaments oder des Kreistags. Vielleicht gibt es in Ihrer Stadt auch | |
| bereits Bürger:inneninitiativen, denen Sie sich mit Ihren Anliegen | |
| anschließen können. Sprechen Sie mit Ihren Freund:innen über die | |
| Probleme, die Sie in Ihrer Stadt identifiziert haben, machen Sie andere | |
| darauf aufmerksam. | |
| Der Trostpreis: Wir verlosen einen taz-Klima-Hoodie für die am | |
| schlechtesten angepasste Stadt. Bei Gleichstand entscheidet das Los. | |
| Senden Sie uns dafür bis zum 5. Mai 2024 ein aussagekräftiges Foto Ihres | |
| Spaziergangs mit dem Endergebnis an [9][[email protected]]. | |
| Alle Angaben wie immer ohne Gewähr. | |
| 28 Apr 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Stadtbaeume-retten/!5684822 | |
| [2] https://www.nature.com/articles/s41467-021-26768-w | |
| [3] /Grossstaedte-in-der-Klimakrise/!5914432 | |
| [4] /Extremwetter-in-den-arabischen-Emiraten/!6005350 | |
| [5] /Ein-Jahr-nach-dem-Ahrtal-Hochwasser/!5863831 | |
| [6] /Wassermanagement-in-der-Stadt/!5905389 | |
| [7] /Holzarchitektur-gegen-die-Klimakrise/!5768977 | |
| [8] /Was-tun-gegen-die-Hitze/!5949075 | |
| [9] /[email protected] | |
| ## AUTOREN | |
| Sophie Fichtner | |
| Yannik Achternbosch | |
| ## TAGS | |
| wochentaz | |
| Zukunft | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Architektur | |
| Stadtplanung | |
| Starkregen | |
| Resilienz | |
| Schwerpunkt Frankreich | |
| Zukunft | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Stadtplanung | |
| Arbeitsschutz | |
| wochentaz | |
| Resilienz | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Hitzeschutz-Vorbild Frankreich: Liberté, Egalité, Hitzevorsorgé | |
| In Deutschland ist Hitzeschutz freiwillig und niemand hat dafür Geld. | |
| Frankreich macht es besser und zeigt: Hitzevorsorge heißt, aufeinander zu | |
| achten. | |
| Klimaanpassung im urbanen Raum: Die Stadt braucht neue Blätter | |
| Ohne Bäume gibt es keine klimaresiliente Stadt. Doch welche Arten trotzen | |
| Hitze und Trockenheit? Der kleine Klimabaum-Check. | |
| Frankreich im Ausnahmezustand: Auf einmal so viel Regen wie sonst in zwei Monat… | |
| Weite Teile Frankreichs kämpfen mit heftigem Unwetter. Die Regierung hat | |
| betroffene Regionen zum Katastrophengebiet erklärt. In Paris starb ein | |
| Mann. | |
| Hitzeschutz und Klimawandel: Siesta für alle | |
| Im Sommer werden Städte oft zu Hitzeinseln, gerade für Alte, Kranke und | |
| Kinder wird das bedrohlich. Sechs Wege, wie wir uns dagegen wappnen können. | |
| Bundesweiter Hitzeaktionstag: Ab Mittag brennt es | |
| Arbeitende im Freien leiden besonders unter den Folgen der Klimakrise. | |
| Wie stellen sich Unternehmen in Berlin auf die zunehmende Hitze ein? | |
| Nachhaltige Stadtentwicklung: Wo Wien jetzt eine Küste hat | |
| In der Seestadt Aspern werden Konzepte für die klimafreundliche Stadt der | |
| Zukunft ausprobiert. Geht das gut? | |
| Stadtplanung für die Zukunft: Hygge und Hightech | |
| Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen gilt als eine der zukunftsfähigsten Städte | |
| weltweit. Eine Tour über Skipisten, Schulhöfe und Gullideckel. | |
| Holzarchitektur gegen die Klimakrise: Worauf wir bauen können | |
| Der Klimaforscher Schellnhuber will eine Architekturbewegung, die auf | |
| Holzbau setzt. Aktuell aber lohnt sich Holzverkauf in Deutschland kaum. |