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# taz.de -- Autos, Zwangsarbeit, Uiguren: Volkswagen unter Druck
> Das Xinjiang-Geschäft von VW sorgt längst nicht nur für einen
> Imageschaden. Doch ein Rückzug aus „Westchina“ wäre politisch heikel.
Bild: Volkswagenfabrik in Urumqi, Xinjiang 2018
Peking taz | Wie illegale Schmugglerware wurden die Autos an den US-Häfen
festgesetzt: Über 13.000 Fahrzeuge der VW-Marken Audi, Porsche und Bentley
dürfen vorübergehend nicht ausgeliefert werden. Denn, wie die Financial
Times berichtete, haben die Behörden bei Routineinspektionen ein
elektronisches Bauteil aus „Westchina“ bemerkt, das gegen das Gesetz gegen
Zwangsarbeit verstoße.
Mit „Westchina“ ist die Uigurenregion Xinjiang gemeint. Dort hat die
chinesische Regierung in den vergangenen Jahren hunderttausende Angehörige
der muslimischen Minderheit in Internierungslager gesperrt. Und in jener
Region betreibt Volkswagen auch mit seinem chinesischen
Joint-Venture-Partner SAIC eine Fabrik – eine fragwürdige Standortwahl,
die mutmaßlich auf Druck der chinesischen Regierung zustande kam.
Den Wolfsburgern hat das Werk jedenfalls bislang nur Ärger eingebracht.
Erst vor wenigen Monaten ließ VW die Fabrik in einem [1][Audit] auf
mögliche Zwangsarbeit [2][untersuchen]. Doch dabei wurde eine – ebenfalls
von VW und SAIC betriebene – Teststrecke im Ort Turpan ausgeklammert. Genau
dort allerdings solle es beim Bau Menschenrechtsverstöße gegeben haben,
steckte ein Volkswagen-Mitarbeiter der deutschen Zeitung Handelsblatt.
Die Journalisten weihten daraufhin den renommierten Xinjiang-Experten
Adrian Zenz ein, der schon bald weitere Hinweise fand. Demnach wurden
Zehntausende Uiguren nach ihrer Haft in den Umerziehungslagern in Fabriken
transferiert, um dort wieder zurück in die Arbeitswelt eingegliedert zu
werden – mutmaßlich unter Zwang.
Für Volkswagen ist es ein Déja-vu. Wie der Konzern am Mittwoch mitteilte,
prüfe man derzeit „verschiedene Szenarien“ zur „künftigen Ausrichtung d…
Geschäftsaktivitäten“ in Xinjiang. Dabei steht zumindest inoffiziell auch
ein Rückzug zur Option: „Wir wollen da raus“, zitierte die Süddeutsche
Zeitung einen Konzernmitarbeiter.
## China widerspricht
Das chinesische Außenministerium hat auf Anfrage der französischen
Nachrichtenagentur AFP die Vorwürfe als „Lügen“ bezeichnet, von denen sich
deutsche Unternehmen nicht „täuschen“ lassen sollten. Auch die Arbeitslager
hat die Parteiführung zunächst als Lügen bezeichnet – bis die Beweislast
der Satellitenfotos und Journalistenberichte zu erdrückend war. Seither
spricht Peking von „Ausbildungszentren“. Das offizielle Narrativ des
chinesischen Staats ist vor allem eine Machtdemonstration: Wer Kritik
äußert, dem wird der Zugang zum Markt mit 1,4 Milliarden Chinesen entzogen.
Doch dass diese Strategie nicht mehr zieht, zeigt nicht zuletzt das
Beispiel Volkswagen. Die Wolfsburger haben ihre Position in den vergangenen
Jahren stark gewandelt: Noch 2019 erklärte Herbert Diess, damaliger
Vorstandsvorsitzender, bei der Automesse in Schanghai einem
BBC-Korrespondenten, nichts von Umerziehungslagern in Xinjiang zu wissen.
Die mutmaßliche, jedoch offensichtliche Lüge vor laufender Kamera hat dem
Konzern ein immenses PR-Fiasko beschert, von dem es sich nur im Zuge
schmerzhafter Anstrengungen wieder befreien konnte. Teil dieser neuen
Kommunikation war eine eigene Untersuchung des Werks in Xinjiang, welche
man trotz massiven Drucks der chinesischen Seite durchsetzte.
„VW hat sich lange genug der Verantwortung für seine Mitschuld an den
Menschenrechtsverletzungen der Uiguren entzogen“, sagt Dolksun Isa,
Präsident des in München ansässigen Weltkongress der Uiguren. Die jüngsten
Enthüllungen sollten nun als Wendepunkt für Volkswagen dienen, sich
endgültig aus der Region zurückzuziehen, fordert der 56-jährige Aktivist.
## Wirtschaftliche Vergeltung befürchtet
Hinter den Kulissen ist offensichtlich, dass sich Volkswagen aus der Region
zurückziehen möchte. Doch man hatte darauf gehofft, den bestehenden Vertrag
der Fabrik auslaufen zu lassen. Ein offener Vertragsbruch könnte zu
wirtschaftlichen Vergeltungsmaßnahmen führen. Schon bei geringfügigeren
Etats hat es Boykotte gehagelt: Der schwedische Textilkonzern H&M
verschwand etwa über Monate aus sämtlichen chinesischen Shoppingapps und
sogar Onlinekarten, nur weil es wegen Zwangsarbeitsbedenken keine Baumwolle
mehr aus Xinjiang bezieht.
Doch für Volkswagen ist der Zeitpunkt günstig: Nachdem Chinas Beziehungen
gegenüber den USA nahezu irreparabel beschädigt sind, kann es sich die
Parteiführung nicht leisten, nun auch die Europäer zu vergraulen. Hinzu
kommt, dass Volkswagen im Reich der Mitte aufgrund der
Joint-Venture-Struktur de facto ein halbchinesisches Unternehmen ist. Ein
Boykottaufruf wäre also auch ein Schuss ins sprichwörtlich eigene Knie.
15 Feb 2024
## LINKS
[1] /Bericht-zu-VW-Werken-in-China/!5974225
[2] /Zwangsarbeitsvorwuerfe-gegen-Volkswagen/!5976436
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
China
Menschenrechte
Volkswagen
Autoindustrie
Uiguren
Wirtschaftskrise
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