| # taz.de -- Zwangsarbeitsvorwürfe gegen Volkswagen: Zweifel an VW-Bericht zu U… | |
| > Eine Untersuchung sollte klären, ob VW in China von Zwangsarbeit der | |
| > Uiguren profitiert. Doch nun steht die Untersuchung in der Kritik. | |
| Bild: In München protestieren bereits 2020 Uiguren gegen ihre Unterdrückung i… | |
| Peking taz | Was als öffentlichkeitswirksamer Befreiungsschlag gedacht war, | |
| entpuppt sich nun als Fiasko: Nach der jahrelangen Kontroverse um ein | |
| VW-Autowerk im nordwestchinesischen Xinjiang kam in der vergangenen Woche | |
| [1][eine „unabhängige“ Untersuchung] zum Schluss, „keine Hinweise auf od… | |
| Belege für Zwangsarbeit bei den Mitarbeitenden“ gefunden zu haben. Der | |
| Vorwurf, dass Volkswagen indirekt von den Menschenrechtsverbrechen der | |
| chinesischen Regierung an den Uiguren profitieren könnte, schien also vom | |
| Tisch – zumindest vorübergehend. | |
| Nun jedoch holt die Causa die Wolfsburger erneut ein. Denn die Mitarbeiter | |
| der deutschen Beratungsfirma, die die Prüfung durchgeführt hat, haben sich | |
| von den eigenen Untersuchungsergebnissen distanziert. So heißt es in einer | |
| Stellungnahme auf der Onlineplattform LinkedIn, dass niemand außer zwei | |
| Vorstandsmitgliedern der Firma „an diesem Projekt teilgenommen, es | |
| unterstützt oder begleitet“ habe. | |
| Mehrere der 20 Angestellten von „Löning Human Rights & Responsible | |
| Business“ haben zudem in individuellen Stellungnahme klargestellt: „Ich | |
| habe weder die Annahme dieses Projekts unterstützt, noch war ich in | |
| irgendeiner Weise daran beteiligt.“ Deutlicher kann man Unzufriedenheit | |
| kaum kommunizieren. | |
| Besonders pikant: Die Beratungsfirma in VW-Diensten wird vom ehemaligen | |
| Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), | |
| geleitet. Dieser sagte bislang zur Rebellion seiner Mitarbeiter: „Wie Sie | |
| sehen, sind wir ein lebendiges und engagiertes Team mit einem breiten | |
| Spektrum an Ansichten.“ Zu dem Ergebnis der Studie, dass man keine | |
| Anzeichen für Zwangsarbeit bei VW gefunden habe, stehe er weiterhin. | |
| ## 2013 Werk als politischer Gefallen eröffnet | |
| Doch das Dilemma ist offensichtlich. Gegenüber der Financial Times hat | |
| Löning selbst behauptet, dass es für die Uiguren in Xinjiang praktisch | |
| unmöglich sei, von Menschenrechtsvergehen zu berichten: „Selbst wenn sie | |
| etwas wüssten, könnten sie das nicht in einem Interview sagen.“ Zu groß sei | |
| die Gefahr, ins Visier der Sicherheitspolizei zu geraten. Ebenfalls | |
| hochproblematisch ist, dass die Unternehmensprüfung tatsächlich von zwei | |
| chinesischen Anwälten aus Shenzhen im Süden des Landes durchgeführt wurde, | |
| die auch die Kommunikation übernommen haben. Die deutschen Vertreter haben | |
| diese lediglich vor Ort begleitet. | |
| Die Kontroverse reicht bereits Jahre zurück. 2013 hatte VW gemeinsam mit | |
| einem lokalen Joint Venture ihr ökonomisch wohl unprofitabelstes Werk | |
| mitten in der umstrittenen Region eröffnet. Hinter vorgehaltener Hand geben | |
| Volkswagen-Vertreter mittlerweile offen zu, dass es sich bei der | |
| Standortwahl um einen politischen Gefallen gegenüber der chinesischen | |
| Regierung handelte. | |
| Diese wollte nämlich den rückständigen Nordwesten des Landes mit | |
| ausländischen Konzernen entwickeln. Welche Gegenleistung sich die | |
| Wolfsburger genau erhofften, ist unklar. Zu jenem Zeitpunkt gab es noch | |
| keine flächendeckende Repressionen gegen die Uiguren, auch die politischen | |
| Umerziehungslager sollten erst Jahre später errichtet werden. Allerdings | |
| galt Xinjiang auch damals schon als Unruheregion, in der die muslimische | |
| Minderheit unter potenziellem Terrorverdacht stand. | |
| Die Volkswagen-Leitung bestand darauf, dass man mindestens 25 Prozent | |
| uigurische Mitarbeiter anstellen wolle, um die Lokalbevölkerung zu fördern | |
| und auszubilden. Die chinesische Seite stellte sich zunächst quer: Sie | |
| hatte keinerlei Vertrauen zu den Uiguren und wollte ausschließlich | |
| Han-Chinesen – die größte Ethnie im Land – einstellen. | |
| Nun, über zehn Jahre später, wird das VW zum Verhängnis. Denn es lässt sich | |
| nahezu unmöglich ausschließen, ob die Uiguren nicht vor der Arbeit im | |
| VW-Werk an sogenannten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen des chinesischen Staats | |
| teilgenommen hatten. Möglicherweise sind sie dabei aus Umerziehungslagern | |
| zwangsweise in den Betrieb versetzt worden. | |
| ## Wolfsburg im Dilemma | |
| Es ist ein Dilemma, in dem der Wolfsburger Konzern steckt: Tatsächlich | |
| bezahlt er seine Mitarbeiter überdurchschnittlich gut, kümmert sich um | |
| deren Ausbildung und bringt sich auch in gemeinnützige Projekte ein. | |
| Gleichzeitig jedoch steht VW auch aufgrund seiner dunklen NS-Vergangenheit | |
| unter besonderer Verantwortung. Viele fragen, was ein deutsches Unternehmen | |
| in einer Region zu suchen hat, in der während der vergangenen Jahre | |
| hunderttausende Muslime ohne rechtsstaatliche Verfahren in Lagern | |
| interniert wurden. | |
| Als die ersten Fragen an VW herangetragen wurden, schaltete der Konzern | |
| erst mal auf stur. Das Interview, das der damalige [2][VW-Chef Herbert | |
| Diess 2019 bei der Automesse Shanghai] einem Korrespondenten der BBC gab, | |
| dürfte als eines der größten PR-Desaster in die Unternehmensgeschichte | |
| eingehen. Nach dem Umgang der chinesischen Regierung gegenüber den Uiguren | |
| gefragt, antwortete der Manager, dass er darüber nicht urteilen könne. Ob | |
| er denn nicht von den Medienberichten über die Umerziehungslager wisse? | |
| „Mir ist das nicht bekannt“, entgegnete Diess. | |
| Seither versucht VW, transparenter mit der Kontroverse umzugehen. Im | |
| Hintergrund sprechen Mitarbeiter ganz offen von ihren moralischen Bedenken. | |
| Gleichzeitig sagen sie auch, dass man das Werk nicht vor dem bis 2029 | |
| laufenden Vertrag schließen könne. | |
| Tatsächlich jedoch dürfte vor allem die Angst vor der chinesischen | |
| Regierung überwiegen: Ein Rückzug von VW aus Xinjiang würde für Peking | |
| schließlich einen tiefen Gesichtsverlust darstellen. Und dieser hätte | |
| möglicherweise ökonomische Vergeltungsmaßnahmen zur Folge. | |
| 15 Dec 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Bericht-zu-VW-Werken-in-China/!5974225 | |
| [2] /VW-Betriebsratschefin-zu-Menschenrechten/!5859241 | |
| ## AUTOREN | |
| Fabian Kretschmer | |
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