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# taz.de -- Ex-Grüner zum Austritt wegen Asylpolitik: „Ich kann das nicht mi…
> Der Aktivist Tareq Alaows ist mit anderen Geflüchteten bei den Grünen
> ausgetreten. Sie wollen die Reform des EU-Asylsystems GEAS nicht
> mittragen.
Bild: Tareq Alaows bei einer Bundespressekonferenz zur Seenotrettung im Septemb…
taz: Herr Alaows, Sie haben mit einer Gruppe anderer Geflüchteter, die
Funktionen in der Grünen Partei hatten, am Freitag ihren Austritt erklärt.
Warum?
Tareq Alaows: Der Grund sind die Entwicklungen der letzten Tage: Die Grünen
haben die Reform des EU-Asylsystems GEAS und das
Rückführungsverbesserungsgesetz der Ampel nicht nur mitgetragen, sondern
auch verteidigt und versucht das als menschenrechtliche Entscheidung
darzustellen. Dabei wissen alle, dass [1][dies nur zur Aushöhlung des
Rechts Schutzsuchender] und zu mehr Verletzungen von Grundrechten führen
wird.
Wären Sie drin geblieben, wenn die Partei zugestimmt, dies aber kritisch
reflektiert hätte?
Dass sie es mitgetragen haben, war für mich schon ein ausreichender Grund
auszutreten. Ich finde es aber nochmal etwas anderes, das so zu
verteidigen, wenn es so offensichtlich zu systematischen
Menschenrechtsverletzungen führt.
Was hat sie seinerzeit bewogen, den Grünen beizutreten?
Ich bin der Partei 2020 wegen ihrer Asylpolitik beigetreten. Ich habe mich
da zuhause gefühlt. Und durch die letzten Entscheidungen habe ich mich von
diesem Zuhause weggestoßen gefühlt. Die Grünen standen klar für
Menschenrechte, waren auf einer Linie mit zivilgesellschaftlichen
Bewegungen, haben mit diesen zusammengearbeitet und entsprechende
Forderungen an die damalige Bundesregierung gerichtet. Sie haben sich unter
anderem klar für Seenotrettung im Mittelmeer eingesetzt. Das sind alles
Positionen, die in der DNA der Grünen stecken. Ich sehe das auch ganz klar
bei vielen Parteimitgliedern. Aber leider lehnt die Führungsspitze der
Partei diese DNA ab.
Wen meinen Sie konkret?
Annalena Baerbock, Omid Nouripour, Robert Habeck und den ganzen
Bundesvorstand.
Unter anderem [2][Omid Nouripour hat die Zustimmung zum GEAS] mit der
Behauptung verteidigt, so lasse sich ein verbindlicher Verteilmechanismus
in der EU durchsetzen, der aber während der Verhandlungen nie vorgesehen
war. Außerdem hatte die Grünen-Spitze zugesichert, Ausnahmen für
Minderjährige durchsetzen zu wollen. Am Ende stimmte Deutschland aber zu,
obwohl es diese Ausnahmen nicht gibt. Wie empfanden Sie diese Art der
Kommunikation?
Sie war überhaupt nicht ehrlich. Sie haben versucht, ihre Zustimmung zu
verteidigen und waren dabei nicht faktenbasiert. Diese Art gehört zu den
Dingen, die mich abgestoßen haben.
Auch vonseiten der Grünen hat es geheißen, wenn es nun keine Einigung beim
GEAS gebe, würde die extreme Rechte bei der EU-Wahl im Juni 2024 noch
stärker und könnte das Asylrecht in Europa dann womöglich noch stärker
beschneiden oder ganz abschaffen.
Ich glaube nicht, dass der Beschluss der GEAS-Reform dieses Risiko
verringert. Wenn die Rechten die Mehrheit kriegen könnten und das Asylrecht
abschaffen wollen, ist es umso wichtiger, für ein faires Asylrecht
einzutreten und nicht in diese Diskursverschiebung einzusteigen. Die
Rechten werden nicht weniger extrem, wenn man selbst solche Verschärfungen
beschließt. Sie fühlen sich, im Gegenteil, nur bestätigt, wenn
demokratische Parteien das mittragen. Wir müssen deshalb am Recht
festhalten, statt es selber abzuschaffen.
[3][Die Basis und auch die EU-Fraktion waren gegen die Reformen]. Hat das
für Sie keine Rolle gespielt?
Ja, die EU-Fraktion war gegen die GEAS-Reform. Wir haben aber gesehen, dass
sich bei den Entscheidungen letztlich die Bundesregierung durchgesetzt hat.
Und am Ende zählen die Ergebnisse. Dazu kommt aber auch die Rolle der
Grünen in der Debatte insgesamt: Die sind voll in die rechtspopulistische
Diskursverschiebung eingestiegen, sie reden nur von Abschiebungen und
Verschärfungen, statt auch argumentativ dagegen zu halten und für ihre
Grundsätze einzustehen, was gerade in der jetzigen Zeit sehr notwendig
gewesen wäre.
Wenn alle Menschen, die so denken wie Sie, aus der Partei austreten, kann
niemand mehr in diesem Sinne Einfluss auf deren Regierungspolitik nehmen.
Mein Austritt soll ein politisches Signal sein: Ich kann das nicht
mittragen. Aber es sind ja weiterhin viele andere in der Partei, die für
eine menschenrechtszentrierte Politik kämpfen. Denen wünsche ich viel
Kraft. Ich hoffe, dass die Partei ihren Kompass wiederfindet.
Treten Sie nun in die Linke ein?
Für die jetzige Zeit kann ich sagen, dass ich die Stelle ändere, an der ich
mich für Menschenrechte einsetze. Ich kehre zur zivilgesellschaftlichen
Arbeit zurück.
22 Dec 2023
## LINKS
[1] /EU-Asylsystem-GEAS/!5978837
[2] /Streit-um-EU-Asylgesetz/!5940550
[3] /Verschaerfung-des-EU-Asylrechts/!5939224
## AUTOREN
Christian Jakob
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