# taz.de -- EU einig über Asylrecht: Länger Knast, weniger Verteilung | |
> Die EU will ihr Asylsystem umfassend erneuern. Nach langen Verhandlungen | |
> ist nun klar: sie bedeuten Einschränkungen. | |
Bild: Seenotrettungsorganisationen kritisieren: die EU missachte „des Leids a… | |
BERLIN taz | Die EU hat sich auf eine umfassende Reform ihres Asylsystems | |
geeinigt. Am frühen Mittwochmorgen endete die am Montag gestartete letzte | |
Runde der Verhandlungen zwischen Parlament, Kommission und Rat. Damit kann | |
im neuen Jahr, vor Ende der laufenden Legislaturperiode, die insgesamt zehn | |
Gesetze umfassende Erneuerung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems | |
(GEAS) beschlossen werden. | |
Die Reform sieht weitreichende [1][Einschränkungen des Asylrechts] vor. | |
Kern sind unter anderem Schnellverfahren an den EU-Außengrenzen für Teile | |
der dort ankommenden Schutzsuchenden. Diese dürften in neu zu errichtenden | |
geschlossenen Lagern mit zehntausenden Plätzen durchgeführt werden. Wer | |
abgelehnt wird, soll direkt aus diesen Lagern abgeschoben werden können. | |
Ankommende sollen für die Dauer des Aufenthalts in den Lagern als „nicht | |
eingereist“ gelten. | |
Wer aus einem sogenannten sicheren Drittstaat eingereist ist, soll ohne | |
Asylverfahren in diesen zurückgeschoben werden können. | |
Die deutsche Ampel-Regierung hatte auf Drängen der Grünen ursprünglich | |
versucht, Minderjährige von den Schnellverfahren und der damit verbundenen | |
Internierung auszunehmen. Deutschland stimmte am Ende aber den Beschlüssen | |
zu, obwohl Minderjährige nun nicht ausgenommen sind. | |
## Kein verbindlicher Verteilmechanismus | |
Die sogenannte Krisenverordnung regelt, wie EU-Staaten bei einem besonders | |
starken Anstieg der Migration verfahren dürfen. Ankommende dürfen unter | |
anderem länger an den Grenzen interniert werden. [2][Deutschland hatte auch | |
das aufgrund humanitärer Bedenken lange abgelehnt], trägt es nun aber mit. | |
An dem Grundsatz, dass der EU-Staat für einen Asylbewerber zuständig ist, | |
in dem dieser angekommen ist (Dublin-Regeln), ändert die Reform nichts. | |
Einen verbindlichen Verteilmechanismus, wie ihn die Länder Südeuropas lange | |
gefordert hatten, wird es nicht geben. Innereuropäische Umverteilung bleibt | |
freiwillig. Stattdessen können die Mitgliedstaaten über einen sogenannten | |
„Solidaritätsmechanismus“ Grenzschutz-Infrastruktur in Drittstaaten oder | |
innerhalb der EU bezahlen. | |
Geschwister sollen der Neuregelung zufolge nicht als Familie gelten. | |
Asylsuchende, die einen Bruder oder eine Schwester in einem anderen | |
Mitgliedstaat haben, als dem, in dem sie ankommen, kann so die | |
Zusammenführung verweigert werden. | |
Die Neuregelung bedeute „Stacheldraht und Leben in isolierten Haftzentren, | |
Machtlosigkeit gegenüber behördlichen Entscheidungen und Rückführungen in | |
Länder wie die Türkei, in denen sie keine Existenzgrundlage haben, und das | |
ohne, dass ihre Fluchtgründe je angehört wurden, in der EU“, sagte Sophia | |
Eckert von terre des hommes. Die Reform sei „ein Ausverkauf der | |
Menschlichkeit und ein Ausverkauf der Menschenrechte, vor allem von | |
Kindern.“ | |
Die Linke EU-Abgeordnete Cornelia Ernst sprach von einem „historischer | |
Kniefall vor den Rechtspopulisten in Europa“. Das Parlament habe sich in | |
den Verhandlungen gegenüber der spanischen Ratspräsidentschaft nicht | |
durchsetzen können und sei „Fußabtreter der Mitgliedstaaten geworden.“ | |
Die Einigung, die sich maßgeblich an den Vorstellungen der Innenminister | |
orientiere, [3][legalisiere die jahrelangen Rechtsbrüche im EU-Asylrecht] | |
durch die Mitgliedstaaten, so Ernst. Die Aufnahme der sogenannten | |
„Instrumentalisierung“ von Migration in die Krisenverordnung sei ein | |
„Blankoscheck für die Aussetzung praktisch aller Rechte Schutzsuchender und | |
ein Freibrief für Pushbacks“, sagte Ernst. | |
In einer gemeinsamen Stellungnahme von 18 europäischen Seenotrettung-NGOs | |
ist die Rede von „der eklatantesten Missachtung der Menschenrechte und des | |
Leids an den europäischen Grenzen“. Die Reform gieße „den tödlichen Stat… | |
quo an den europäischen Außengrenzen in Zement.“ | |
20 Dec 2023 | |
## LINKS | |
[1] /EU-Asyl-Krisenverordnung/!5961205 | |
[2] /Verschaerfte-Abschieberegeln/!5966568 | |
[3] /Die-Grenze-von-Litauen-nach-Belarus/!5948967 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Flucht | |
Europäische Union | |
Innenminister | |
Asyl | |
Asylrecht | |
GNS | |
Grüne | |
Georgien | |
Schwerpunkt Flucht | |
Italien | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Ex-Grüner zum Austritt wegen Asylpolitik: „Ich kann das nicht mittragen“ | |
Der Aktivist Tareq Alaows ist mit anderen Geflüchteten bei den Grünen | |
ausgetreten. Sie wollen die Reform des EU-Asylsystems GEAS nicht mittragen. | |
Asylabkommen mit Georgien: Roter Teppich für Faeser | |
Die „Rückführungsoffensive“ der Koalition startet. Die Innenministerin hat | |
ein Migrationsabkommen mit Georgien geschlossen. Weitere sollen folgen. | |
Flucht in die USA: Abschottung made in USA | |
Nicht nur die Republikaner sind pro harte US-Migrationspolitik, auch | |
Präsident Joe Biden will vehement mehr Grenzwall zu Mexiko. | |
Flüchtlingsdeal mit Albanien: Italien setzt auf Abschreckung | |
Die Flüchtlingszahlen in Italien steigen. Die Regierung will nun eine | |
restriktivere Unterbringung und vorgelagerte Asylzentren in Albanien. |