# taz.de -- EU Asyl-Krisenverordnung: Weg frei für schärferes Asylrecht | |
> Die EU-Staaten verständigen sich auf eine Asyl-Krisenverordnung. Die | |
> Regierung zeigt sich erfreut. Kritiker befürchten eine Entrechtung | |
> Geflüchteter. | |
Bild: Zeigt sich erfreut: Innenministerin Nancy Faeser winkend im Wahlkampfmodus | |
BERLIN taz | Die EU-Staaten haben sich auf eine gemeinsame Haltung zur | |
geplanten „Krisenverordnung“ geeinigt. Man habe sich auf eine gemeinsame | |
Position zu den Vorschlägen der EU-Kommission für einen Krisenmechanismus | |
verständigt, teilte die spanische EU-Ratspräsidentschaft am Mittwoch auf | |
der Plattform X, ehemals Twitter, mit. Damit ist der Weg frei für | |
Verhandlungen mit dem Europaparlament, um das [1][europäische Asylrecht] | |
grundsätzlich neu zu regeln. | |
Die Pläne für ein neues Gemeinsames Europäisches Asylsystem sehen unter | |
anderem vor, Menschen aus Ländern, die als „relativ sicher“ eingestuft | |
werden, künftig härter zu behandeln als bisher. Sie sollen künftig nach | |
einem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in | |
Aufnahmeeinrichtungen kommen. Dort soll im Normalfall innerhalb von zwölf | |
Wochen geprüft werden, ob der Antragsteller Chancen auf Asyl hat. Wenn | |
nicht, soll er umgehend zurückgeschickt werden. | |
Die umstrittene „Krisenverordnung“ soll regeln, wie die EU in | |
Ausnahmefällen verfährt. Bei einem besonders starken Anstieg der | |
Fluchtmigration soll etwa der Zeitraum verlängert werden, in dem Menschen | |
unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden können. Zudem könnte | |
der Kreis der Menschen vergrößert werden, der für die geplanten strengen | |
Grenzverfahren infrage kommt. | |
Weil die Bundesregierung humanitäre Bedenken vorbrachte, konnte über den | |
Krisenmechanismus [2][wochenlang keine Einigung] erzielt werden. Nachdem | |
andere EU-Staaten kleinere Zugeständnisse machten und den Druck erhöhten, | |
gab Berlin in der vergangenen Woche nach. Zuletzt sperrte sich wiederum | |
Italien, das nun aber einem Kompromiss zustimmte. | |
## Schnell, schnell, bevor Europa 2024 wählt | |
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zeigte sich über die Einigung | |
erfreut. „Die Regelungen, die die Krisenverordnung vorsieht, können nur | |
durch einen Beschluss mit qualifizierter Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten im | |
Rat und nicht etwa durch einzelne Mitgliedstaaten aktiviert werden. Damit | |
sind die Hürden hoch“, betonte sie. | |
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erklärte: „Die | |
letzten Tage und Stunden haben gezeigt, wie wichtig es ist, bis zur letzten | |
Minute für deutsche und europäische Interessen zu kämpfen. Dass jetzt mit | |
dem Europäischen Parlament die Verhandlungen über das Europäische | |
Asylsystem zügig weitergehen können, ist wichtig.“ | |
Kritisch äußerte sich der deutsche Grünen-Abgeordnete Julian Pahlke. Die | |
Krisenverordnung bedeute „eine weitere Entrechtung Geflüchteter“ und | |
schaffe „[3][mehr Chaos]“, sagte er der taz. Der Kanzler habe durch seine | |
Zustimmung, die als „Machtwort“ deklariert wurde, die deutsche | |
Verhandlungsposition geschwächt. Dennoch habe Baerbock noch „wichtige | |
Änderungen“ erreicht. | |
Nachdem sich die Regierungen der EU-Staaten geeinigt haben, soll nun | |
schnellstmöglich eine Verständigung mit dem Europaparlament erzielt werden. | |
Die Zeit drängt angesichts der Europawahl im Juni 2024. Projekte, die bis | |
dahin nicht ausgehandelt sind, könnten anschließend wieder infrage gestellt | |
werden. | |
4 Oct 2023 | |
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## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
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