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# taz.de -- Steinmeiers Äußerungen zu Migration: Der falsche Präsident
> Der Bundespräsident sollte einigend wirken. Steinmeier aber lobt den
> „Asylkompromiss“ der 90er und gibt denen Recht, die Migranten als Problem
> sehen.
Bild: Goss rhetorisch Öl ins Feuer der aufgeheizten Migrationsdebatte: Präsid…
Die Macht des Bundespräsidenten ist das Wort. Was Frank-Walter Steinmeier
zum Tag der Deutschen Einheit sagte, grenzt an Machtmissbrauch. Steinmeier,
der sich sonst hinter wohlmeinender Bräsigkeit verschanzt, goss rhetorisch
Öl ins Feuer der aufgeheizten Migrationsdebatte. Er tat das Gegenteil von
dem, was notwendig wäre.
Wenn es überhaupt eine*n Bundespräsident*in braucht, dann in Zeiten
wie diesen, in denen eine rassistische und offen faschistisch auftretende
Partei an Zuspruch gewinnt und Populismus normales Stilmittel,
Antisemitismus kein Rücktrittsgrund mehr ist. Gerade jetzt wäre eine
überparteilich respektierte Person gefragt, die an gemeinsame Werte
appelliert, an Solidarität, Toleranz und Menschlichkeit. Werte, die oft
umso sichtbarer werden, je ernster die Lage ist – ob während der
Coronakrise, der Flut im Ahrtal oder zu Beginn des russischen Kriegs gegen
die Ukraine, als Hunderttausende gen Westen flohen. Steinmeier sagte nichts
dergleichen.
Stattdessen sprach er im Interview mit den „Tagesthemen“ davon, dass man
[1][Migration begrenzen] müsse, die Menschen erwarteten Antworten. Er gab
damit all jenen recht, die für die Mängel im Land – ob hohe Preise, marode
Infrastruktur, fehlende Arbeitskräfte oder stockende Digitalisierung –
ausgerechnet die Schwächsten und Rechtlosesten verantwortlich machen, also
die, die dazukamen. Als Lösung erinnerte er an die 1990er Jahre.
Damals schränkten Union und SPD das Grundrecht auf Asyl für Menschen ein,
die aus sogenannten sicheren Herkunfts- und aus Drittstaaten kamen, also
den Nachbarländern Deutschlands. Auch damals lautete die Erzählung: Nicht
der rassistische Mob, der Häuser und deren Bewohner:innen in Rostock
oder Mölln abfackelt, ist das Problem, sondern die, denen diese Anschläge
galten, und deren angeblicher „Asylmissbrauch“.
Drei Tage nachdem der Bundestag den sogenannten Asylkompromiss beschlossen
hatte, verbrannten in [2][Solingen] fünf Menschen türkischer Herkunft. Sie
waren keine Asylbewerber. „Und ob Sie es glauben oder nicht – ich war an
jenem Asylkompromiss beteiligt“, so Steinmeier.
Doch, das glaubt man gern. [3][Steinmeier] steht als Langzeitpolitiker und
Parteisoldat für vieles, was in Deutschland schieflief und verschleppt
wurde. So setzte er als Außenminister alles daran, Deutschland abhängig von
russischer Energie zu machen. Es fehlt ihm deshalb heute an Glaubwürdigkeit
und moralischer Autorität, wenn er auf Probleme hinweist, die er selbst
mit verantwortet. Das zeigte sich bereits in den Monaten nach Beginn des
russischen Angriffskriegs. Und das zeigt sich auch heute wieder, wenn es
darauf ankommt, die Gesellschaft zusammenzuführen. Er ist der falsche
Präsident.
6 Oct 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Anna Lehmann
## TAGS
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