# taz.de -- Geschichte der elektronischen Musik: Broken English am Rhein | |
> Kristina Schippling zeigt mit dem Film „The Sound of Cologne“ Kölner | |
> Musikleben von Stockhausen über Can und Kraftwerk zu Niobe und Mouse on | |
> Mars. | |
Bild: Irmin Schmidt: Mitbegründer von Can | |
Techno kommt aus Berlin, so selbstherrlich behauptet manch | |
Musikgeschichtsschreibung und ahnungslos gibt sich der Berliner | |
Lokalpatriotismus, [1][doch die Geschichte der elektronischen Musik ist | |
bekanntermaßen viel komplexer]. | |
Im Rheinland liegen die westdeutschen Anfänge dieser Musikrichtung, ohne | |
die Düsseldorfer Band Kraftwerk wäre kaum etwas, das in den folgenden | |
Jahrzehnten auf diesem Gebiet passierte, denkbar. Aber wie Kristina | |
Schippling in ihrem Dokumentarfilm „The Sound of Cologne“ überzeugend | |
darlegt, liegen die Wurzeln dieser Musik nicht zuletzt in der Domstadt am | |
Rhein. | |
Seinen Anfang nahm die Entwicklung mit dem Komponisten Herbert Eimert | |
(1897–1972), ein Name, mit dem nur Experten etwas anfangen können. Ohne | |
Eimert wäre die Geschichte der elektronischen Musik allerdings anders | |
verlaufen. Der Komponist war es nämlich, der nach Ende des Zweiten | |
Weltkriegs beim Kölner Sender WDR arbeitete und dort 1951 das weltweit | |
erste Studio für Aufnahmen von elektronischer Musik einrichtete. | |
## Herbert Eimert und seine Vision | |
Ein wenig seltsam mutet es an, alte Schwarzweißbilder zu sehen, in denen | |
der damalige Mittfünfziger Eimert – natürlich im Anzug und mit Krawatte – | |
an Knöpfen dreht und in geschliffenen Worten die Möglichkeiten des von ihm | |
initiierten Studios erläutert. Bis sich aus diesen Anfängen die exzessive | |
Partykultur der Gegenwart entwickelte, sollte viel Zeit vergehen, aber mit | |
Eimert und seiner Vision begann es. | |
Neben dem WDR war die Kölner Hochschule für Musik ein anderer essenzieller | |
Ort, Eimert unterrichtete dort später, ebenso wie der [2][Komponist | |
Karlheinz Stockhausen]. Von beiden gehen direkte Verbindungen zu den | |
Musikszenen in Köln und Düsseldorf ab. | |
Mit dem traditionellen Stadtrivalen nördlich von Köln beschäftigt sich | |
Kristina Schippling nicht, ihr Fokus liegt auf der Domstadt, in der Ende | |
der 1960er Jahre die Stockhausen-Schüler [3][Holger Czukay und Irmin | |
Schmidt die Band Can gründeten], zu der später das japanische Unikat Damo | |
Suzuki stieß. Ihn als Sänger zu bezeichnen würde zu weit führen, aber sein | |
schräger Gesang trug erheblich zum unverwechselbaren Sound von Can bei, der | |
die Band weltberühmt machen sollte und den Ruf von Köln als Musikstadt | |
festigte. | |
## Can, Köln und Krautrock | |
Während die inzwischen größtenteils verstorbenen Mitglieder von Can, ebenso | |
wie Eimert und Stockhausen, nur in Archivaufnahmen zu sehen und hören sind, | |
führte Schippling mit zeitgenössischen Musikern, Plattenlabelbetreibern und | |
DJs ausführliche Interviews, fast ausschließlich in gebrochenem Englisch. | |
Was vielleicht einem Schielen auf den internationalen Markt geschuldet ist, | |
aber seltsam anmutet, schließlich geht es hier um eine urdeutsche | |
Kunstrichtung, die international nicht umsonst als Krautrock bezeichnet | |
wird. | |
So oder so liefern die Interviews mit Künstlern wie [4][Mouse on Mars], | |
Marcus Schmickler und Niobe spannende Einblicke in die Anfänge einer | |
Musikrichtung, aber auch deren ständige Weiterentwicklung in der Gegenwart. | |
In kleinen Clubs, freien Räumen, alternativen Orten der Subkultur schreiben | |
junge Musiker in Köln die Geschichte der elektronischen Musik weiter. | |
Ob diese tatsächlich gleich den Sound einer ganzen Stadt ausmacht, gerade | |
einer Stadt wie Köln, die mit Mundartgruppen wie den Bläck Fööss oder der | |
unverwüstlichen Deutschrockband BAP auch bundesweit ihre musikalische, | |
kulturelle Vielfalt bewiesen hat, wollen dabei die wenigsten | |
Interviewpartner bestätigen. | |
Viel wichtiger als ein nostalgischer, unweigerlich verklärender Blick auf | |
die glorreiche Vergangenheit ist ihnen die Gegenwart, die zunehmende | |
Internationalität Kölns, die sich auch im Musikschaffen niederschlägt. Wenn | |
da zum Ende Bilder vom Karneval zu sehen sind, die mit Klängen | |
elektronischer Musik unterlegt sind, zeigt das gut die vielfältigen, auch | |
widersprüchlichen Einflüsse, aus denen sich der Sound of Cologne speist. | |
30 Nov 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Neues-Album-von-Moodymann/!5688015 | |
[2] /Biographischer-Comic-ueber-Stockhausen/!5887030 | |
[3] /Dokfilm-ueber-Can-und-ihren-Keyboarder/!5911491 | |
[4] /KI-Konzeptalbum-von-Mouse-On-Mars/!5753913 | |
## AUTOREN | |
Michael Meyns | |
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