# taz.de -- Neues Album von Moritz von Oswald: Chorparts wie Regenbögen | |
> Hoch verdichtet und sakral klingt „Silencio“ von Moritz von Oswald. | |
> Emotionen spricht es bei allem konzeptuellen Ansatz ebenfalls an. | |
Bild: Moritz von Oswald in seinem Studio | |
Mit seiner neuen Platte kommt Moritz von Oswald wieder dort an, wo er | |
eigentlich herkommt: klassische Musik. Ursprünglich hat er schließlich | |
einmal Orchesterschlagwerk in Hamburg studiert. Aber statt eine Karriere im | |
Konzertfrack zu verfolgen, zog es ihn als Drummer der sensationellen | |
Postpunkband Palais Schaumburg erst einmal in ganz andere Gefilde. Um dann | |
Ende der Achtziger in Berlin noch einmal ganz von vorne zu beginnen. | |
Die Kunde von diesem irren neuen Sound namens Techno aus der Stadt Detroit | |
machte in seinen Kreisen die Runde. So etwas wollte er auch produzieren, | |
und fortan schuf er allein und mit seinem zeitweiligen Partner Mark | |
Ernestus einen Klassiker des Berlin-Technos nach dem anderen. | |
Ende der Nullerjahre dann die erneute Häutung und der Beginn des Moritz von | |
Oswald Trios, mit dem er in wechselnden Besetzungen eine organisch | |
vorgetragene Musik im Bandkontext verfolgte und Elektronik, Jazz und den | |
von ihm so geliebten Dub zusammenbrachte. | |
Seine neue Platte mit dem Titel „Silencio“ erscheint nun unter eigenem | |
Namen und nicht von einem Trio und zeigt erneut, wie wichtig ihm auch das | |
Konzeptuelle bei seiner Arbeit ist. Es begann in diesem Fall mit der Idee, | |
mit einem Chor zusammenzuarbeiten, wofür er das 16-köpfige Vocalconsort | |
Berlin gewinnen konnte. Erst spielte er Soundskizzen ein, die er sich auf | |
diversen Synthesizern erdaddelte. Diese ließ er dann von dem in Berlin | |
lebenden finnischen Komponisten Jarkko Riihimäki für ein Arrangement mit | |
einem Chor transkribieren und notieren. | |
## Chorwerke von Ligeti | |
In der Kreuzberger Ölbergkirche gab es einen ersten Aufnahmeprozess. Zurück | |
in seinem Studio verwebte er in einem nächsten Arbeitsschritt die Chormusik | |
mit der Elektronik und bediente dabei wahrscheinlich wieder wie [1][sein | |
großes Vorbild King Tubby] das Mischpult nach allen Regeln der Kunst. | |
Heraus kommt dabei eine hoch verdichtete, sakrale Musik, die wohl ganz | |
bewusst an Chorwerke des ungarischen Komponisten Györgi Ligeti erinnert. | |
Die repetitiven Elemente aus seiner Zeit als Technoproduzent, die schon in | |
seinen Werken mit dem Trio immer unwichtiger wurden, sind nun ganz | |
verschwunden. „Silencio“ taucht stattdessen tief ein in ambientöse | |
Klangwolken, aus denen die Chorparts schimmern wie Regenbögen. | |
Der Dub, das Spiel mit Hall und Effekten, ist immer noch ein Element bei | |
der Bearbeitung der Sounds, aber eher ein rudimentäres. Dass er aber | |
zumindest als Prinzip immer noch wichtig für von Oswald ist, belegt der | |
Umstand, dass auf dem Doppelalbum die meisten Nummern doppelt zu hören | |
sind, einmal als Original und einmal als sogenannte Version, unter der man | |
eine Art Remix zu verstehen hat. | |
Dass die Frage nach Original und Version in der Dub- und Remixkultur, wie | |
von Oswald sie versteht, nur noch eine relative ist und von ihm auch so | |
angesehen wird, belegt die Nummer „Volta“, die auf dem Album zuerst als | |
Version und später als vermeintliches Original präsentiert wird. | |
Das mag sich alles ein wenig verkopft anhören, nach dem, [2][was der | |
britische Musikjournalist Simon Reynolds „Conceptronica“ getauft hat] und | |
worunter er elektronische Musik versteht, der vor lauter immanenter kluger | |
Ideen das letzte Fünkchen Funkyness ausgetrieben wurde. Nein, funky ist auf | |
„Silencio“ wirklich kein Stück, die Platte belegt aber, dass selbst | |
Reynolds nicht immer recht haben muss. „Silencio“ ist hörbar ein | |
Experiment, aber eines, das auch auf rein emotionaler Ebene absolut | |
funktioniert. | |
8 Dec 2023 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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