| # taz.de -- Digitalisierung an Schulen: Probleme mit dem Update | |
| > Die Ampel hat versprochen, den auslaufenden Digitalpakt für Schulen zu | |
| > verlängern. Doch vor 2025 wird es wohl nicht weitergehen – wenn | |
| > überhaupt. | |
| Bild: A und O einer nachhaltigen Digitalisierung ist eine verlässliche Wartung… | |
| Berlin taz | Für Astrid Eibelshäuser ist der Digitalpakt bislang ein Segen. | |
| Mit den Geldern aus dem Bund-Länder-Programm hat die Gießener Stadträtin | |
| bis heute sämtliche Klassenräume mit WLAN und die meisten zudem mit | |
| digitalen Tafeln ausgestattet. Auch wird sie bis Ende des Jahres den | |
| Anschluss aller Schulen an das Glasfasernetz verkünden können. Rund 12 | |
| Millionen Euro standen der SPD-Politikerin insgesamt aus dem | |
| [1][Digitalpakt] zur Verfügung. Zum Vergleich: Für die Ausstattung der | |
| Schulen stehen der Stadt Gießen im Jahr sonst nicht mal 1 Million Euro im | |
| Jahr zur Verfügung. Nicht viel, bei 26 Schulen und rund 17.000 | |
| Schüler:innen. | |
| Mittlerweile aber seien die Gelder aus dem Digitalpakt weitgehend verplant, | |
| erzählt Eibelshäuser am Telefon. Wie es weitergeht, wenn das Programm im | |
| nächsten Sommer endet, weiß sie nicht. „Bis Mitte 2024 haben wir noch eine | |
| halbe Million übrig. Dann sind alle Gelder aus dem Digitalpakt | |
| aufgebraucht.“ | |
| 6,5 Milliarden Euro hat der Bund seit 2019 für die Digitalisierung an | |
| Schulen bereitgestellt. Mit den Mitteln aus den Ländern standen sogar mehr | |
| als 7 Milliarden Euro zur Verfügung. Bislang waren sich Bund, Länder und | |
| Kommunen immer einig, dass der Digitalpakt fortgeführt wird. | |
| In ihrem Koalitionsvertrag verspricht die Ampelregierung einen „Digitalpakt | |
| 2.0“. Bis 2030 soll er laufen, unter anderem sollen die Schulträger damit | |
| die „nachhaltige Neuanschaffung von Hardware, den Austausch veralteter | |
| Technik sowie die Gerätewartung und Administration“ bezahlen. SPD, Grüne | |
| und FDP wollen den Digitalpakt aber auch inhaltlich updaten: Die Mittel | |
| sollen zielgenauer eingesetzt und einfacher abgerufen werden. | |
| ## Fehlendes Vertrauen | |
| Das Versprechen hat Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) | |
| kürzlich erneuert. Sie werde sich „mit Nachdruck dafür einsetzen, dass der | |
| Bund seinen Beitrag zum Digitalpakt 2.0 leisten wird“, sagte sie der | |
| Nachrichtenagentur AFP. Doch geschnürt ist das Paket damit noch nicht. Und | |
| momentan deutet wenig darauf hin, dass sich Bund und Länder schnell auf | |
| einen Nachfolger einigen. | |
| Fünfmal hat sich die Verhandlungsgruppe seit Dezember getroffen. Viele der | |
| offenen Fragen konnte sie bisher nicht klären. Etwa nach der rechtlichen | |
| Ausgestaltung. Bisher darf der Bund nur Geld für Investitionen | |
| bereitstellen. Wenn künftig auch IT-Support oder Fortbildungen über den | |
| Digitalpakt möglich sein sollen, muss der Bundestag das Grundgesetz ändern | |
| – oder eine andere Lösung finden. Bisher gibt es noch keine. | |
| Selbst die Frage, wann der Digitalpakt 2.0 starten soll, konnte bislang | |
| nicht geklärt werden. Laut Bundesbildungsministerium (BMBF) soll es erst im | |
| Jahr 2025 weitergehen. Die Länder halten das für zu spät. Sie [2][pochen | |
| auf eine nahtlose Fortsetzung] zum Programmende, also im Juni 2024. | |
| Vor einigen Wochen berief die [3][Kultusministerkonferenz] (KMK) sogar eine | |
| außerordentliche Pressekonferenz ein, um auf die Dringlichkeit des Themas | |
| für die digitale Infrastruktur an Schulen hinzuweisen. Ungewöhnlich war | |
| auch der Ton, in dem KMK-Präsidentin Katharina Günther-Wünsch (CDU) und die | |
| beiden Länderkoordinatoren, Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) und | |
| Hessens Bildungsminister Alexander Lorz (CDU), dort ihre Kritik an der | |
| Ampel vortrugen. | |
| Von „schleppenden Verhandlungen“, „fehlendem Vertrauen“ und „mangelnd… | |
| Verlässlichkeit“ war die Rede. Ties Rabe sagte: „Wir empfangen immer | |
| klarere Signale, dass der Bund allen Ernstes überlegt, diesen Digitalpakt | |
| nicht fortzusetzen.“ Weder im [4][Haushaltsplanentwurf für 2024] noch in | |
| der mittelfristigen Finanzplanung seien die eigentlich zugesagten Mittel | |
| vorgesehen, so Rabe. „Wir können offensichtlich nicht mehr sicher sein, | |
| dass der Bund alle seine Versprechen einlöst.“ | |
| Nach Ansicht der Länder fehlen im zweiten Halbjahr 2024 nun 600 Millionen | |
| Euro, mit denen die rund 5.500 Schulträger im Land fest gerechnet hatten. | |
| Mittel aus dem jetzigen Digitalpakt seien dann jedenfalls nicht mehr | |
| vorhanden, sagte Alexander Lorz: „Bei der Mehrheit der Bundesländer ist das | |
| Geld vollständig verplant und gebunden.“ | |
| Gleiches hört man beim Deutschen Städte- und Gemeindebund, der die | |
| Interessen der Kommunen vertritt. Ende 2022 seien bereits 3,9 Milliarden | |
| Euro aus dem Digitalpakt gebunden gewesen, also knapp 80 Prozent der | |
| ursprünglichen 5 Milliarden Euro vom Bund, teilte Sprecher Alexander | |
| Handschuh auf Anfrage der taz mit. „Daher teilen wir die Einschätzung der | |
| KMK, dass ein Großteil der 5 Milliarden bereits gebunden ist.“ Auch der | |
| Städte- und Gemeindebund fordert eine „nahtlose Fortführung“ des | |
| Digitalpaktes. | |
| Im Bundesbildungsministerium wird die Dringlichkeit nicht gesehen. „Beim | |
| Digitalpakt Schule ist aktuell kein akutes Förderloch zu befürchten“, | |
| entgegnete Stark-Watzinger auf die Warnungen der KMK. Bis Jahresende seien | |
| „bei Weitem noch nicht alle zur Verfügung stehenden Mittel verplant, | |
| geschweige denn abgeflossen“. Somit stünden „auch 2024 und bis ins Jahr | |
| 2025 hinein noch Mittel bereit“. | |
| ## IT-Support ausgebaut | |
| Selbst wenn Länder und Kommunen Stark-Watzinger hier vom Gegenteil | |
| überzeugen können: Letztlich müssen sie auch FDP-Finanzminister Christian | |
| Lindner überzeugen, für den Haushalt 2024 noch mal mehr Geld | |
| bereitzustellen. Die KMK appelliert bei der nahtlosen Anschlussfinanzierung | |
| deshalb explizit an beide FDP-Minister:innen. | |
| Der Landrat vom Kreis Kleve in Nordrhein-Westfalen, Christoph Gerwers, | |
| beobachtet die Entwicklung mit Sorge. „Die laufenden Kosten der digitalen | |
| Infrastruktur belasten die kommunalen Haushalte sehr“, sagte der | |
| CDU-Politiker der taz. Vor allem die Ausgaben für IT-Support und | |
| Geräteerneuerung. | |
| Gerwers war selbst zwölf Jahre lang Bürgermeister der Stadt Rees. Die | |
| Mittel aus dem Digitalpakt seien dort bereits vollständig abgerufen worden. | |
| Damit habe die Stadt die Schulen mit WLAN versorgt, Smartboards und Laptops | |
| angeschafft. All dies brauche eine ständige Wartung, berichtet Landrat | |
| Gerwers. „Diesen Schritt können wir nicht mehr zurückgehen.“ Sollten sich | |
| Bund und Länder nicht auf eine zügige Fortsetzung des Digitalpakts einigen, | |
| wäre das ein „schlimmes Signal“ für die Schulen. | |
| Ähnliche Sorgen hat auch die Gießener Stadträtin Eibelshäuser. Mithilfe der | |
| Digitalpaktgelder hat die Stadt auch den zentralen IT-Support für Schulen | |
| kräftig ausgebaut, von 3 auf heute 16 Mitarbeiter:innen. „Wir haben nahezu | |
| allen diesen Mitarbeitern unbefristete Verträge gegeben“, sagt | |
| Eibelshäuser. Sollten die neuen Digitalpaktmittel erst 2025 fließen, müsse | |
| die Stadt so lange die Gehälter übernehmen. Für die Anschaffung neuer | |
| Geräte und anderer Investitionen sei dann aber kein Geld da. Spätestens im | |
| November brauche sie aber Klarheit, sagt Eibelshäuser. Dann verabschiedet | |
| das Stadtparlament den Haushalt für 2024. | |
| Die hessische SPD-Stadträtin und der CDU-Landrat Gerwers aus NRW teilen | |
| noch eine andere Sorge: Sollte der Bund mit Verweis auf die jüngsten | |
| kommunalen Mehreinnahmen ganz aus dem Programm aussteigen, hätte das | |
| verheerende Folgen für die [5][Chancengerechtigkeit]. „Dann hängt es von | |
| den finanziellen Möglichkeiten der Kommune ab, wie gut die Schulen digital | |
| ausgestattet sind“, so Eibelshäuser. Gerwers fordert: „Wenn der Bund | |
| weniger gibt oder ganz aussteigt, müssen die Länder den Kommunen bei der | |
| Aufgabe helfen.“ | |
| ## Beteiligung der Länder? | |
| Tatsächlich ist die finanzielle Beteiligung der Länder bislang ungeklärt. | |
| Beim ersten Digitalpakt haben sich die Länder mit gerade mal 10 Prozent | |
| beteiligt. Nun aber fordert die Ampel eine deutlich höhere Beteiligung. Sie | |
| erwarte von den Ländern, „dass sie die gleiche Kraftanstrengung“ auf sich | |
| nähmen wie der Bund, machte Stark-Watzinger deutlich. Heißt: Beim | |
| Digitalpakt 2.0 sollen die Länder nicht nur die Hand aufhalten. | |
| Stark-Watzinger verwies auf einen Kabinettsbeschluss zum Haushalt 2024, der | |
| dem Bund verbietet, bei künftigen Bund-Länder-Programmen mehr als 50 | |
| Prozent der Kosten zu tragen. Zu einer so hohen Beteiligung sind die Länder | |
| nach Angaben der KMK aber nicht bereit. | |
| Wie es jetzt weitergeht, ist unklar. Auf eine Kleine Anfrage der | |
| Unionsfraktion im Bundestag antwortete BMBF-Staatssekretär Jens Brandenburg | |
| vor wenigen Tagen ausweichend. Der Zeitplan sei „Gegenstand laufender | |
| Abstimmungen innerhalb der Bundesregierung sowie mit den Ländern“. Die | |
| Opposition erkennt darin eine Strategie. Der bildungspolitische Sprecher | |
| der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thomas Jarzombek, wirft Stark-Watzinger | |
| „Taktieren und Wegducken“ vor. Die linke Bildungspolitikerin Nicole Gohlke | |
| spricht von „Verschleppungstaktik“. | |
| Mittlerweile ist nicht mehr ausgeschlossen, dass der Digitalpakt 2.0 | |
| platzt. Einen großen Anteil daran hätte die FDP. Also ausgerechnet die | |
| Partei, die im Wahlkampf noch „weltbeste Bildung“ versprochen hat. | |
| 9 Aug 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Digitalisierung-an-Schulen/!5906198 | |
| [2] /Fachkraeftemangel-an-Schulen/!5940265 | |
| [3] /Kultusministerkonferenz-in-Berlin/!5931060 | |
| [4] /Kritik-am-Bundeshaushalt/!5943138 | |
| [5] /Ampelplaene-fuer-Bildungsgerechtigkeit/!5895419 | |
| ## AUTOREN | |
| Ralf Pauli | |
| ## TAGS | |
| Ampel-Koalition | |
| Digitalpakt | |
| Bildungssystem | |
| FDP | |
| SPD | |
| Bündnis 90/Die Grünen | |
| Bildungspolitik | |
| Digitalpakt | |
| Kolumne Alles getürkt | |
| Bildung | |
| Schwerpunkt Armut | |
| Digitalisierung | |
| Wochenkommentar | |
| Rechtsextremismus | |
| wochentaz | |
| Bildungschancen | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Digitalpakt ausgelaufen: Fortsetzung gefährdet | |
| Der milliardenschwere Pakt zur Digitalisierung der Schulen ist im Mai | |
| ausgelaufen. Bund und Länder haben sich noch auf keinen Nachfolger | |
| geeinigt. | |
| Telefon von der Telekom: Der Schwiegermutterfilter | |
| Ich musste ein neues Telefon kaufen, weil meine Schwiegermutter uns nicht | |
| mehr erreichen konnte. Also ging ich in den Telekomladen. Das war ein | |
| Fehler. | |
| Bundesweiter Bildungsprotest: Die Bildungskrise des Kanzlers | |
| Am Samstag demonstrieren in 29 Städten Menschen für ein besseres | |
| Bildungssystem. Sie fordern 100 Milliarden – und einen aktiveren Kanzler. | |
| Staatliche Förderung für Studierende: Armutsfalle Studienkredit | |
| Die Förderbank KfW verlangt fast 8 Prozent Zinsen für Studienkredite. Für | |
| Zehntausende Studierende ist das ein Problem. Die Regierung handelt nicht. | |
| Games im Schulunterricht: Super Mario als Mathelehrer | |
| Manche Lehrkräfte nutzen Computer- und Videospiele im Unterricht. Das kann | |
| Schüler:innen das Lernen erleichtern, zeigt ein Berliner Modellprojekt. | |
| Schulstart in Berlin: Entlastung hier, mehr Aufgaben da | |
| An Berlins Schulen fehlen wieder Lehrer*innen. Die Bildungssenatorin will | |
| den Beruf attraktiver machen, doch ihre Maßnahmen bringen neue Belastungen. | |
| Rechtsextremismus an Schulen: Noch mehr Hitlergrüße im Unterricht | |
| In Brandenburg werden immer mehr rechtsextreme Vorfälle an Schulen | |
| dokumentiert. Das Ministerium appelliert an Lehrkräfte, Probleme zu melden. | |
| Kritik am Bundeshaushalt: Die Rotstift-Koalition | |
| Die Bundesregierung will sparen, der Haushalt schrumpft. Welche Projekte | |
| gefährdet sind und was Gerhard Schröder damit zu tun hat. | |
| Fachkräftemangel an Schulen: Hausaufgaben für die Sommerferien | |
| Verzweifelte Lehrkräfte, überforderte Kinder: Für das Bildungsministerium | |
| gibt es in der schulfreien Zeit viel zu tun. Ein Blick auf die To-do-Liste. |