| # taz.de -- Schulstart in Berlin: Entlastung hier, mehr Aufgaben da | |
| > An Berlins Schulen fehlen wieder Lehrer*innen. Die Bildungssenatorin will | |
| > den Beruf attraktiver machen, doch ihre Maßnahmen bringen neue | |
| > Belastungen. | |
| Bild: Senatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU), links, mit einer Schulleiterin | |
| Eine Zahl mochte die Bildungssenatorin zum Start des neuen Schuljahres noch | |
| nicht nennen, aber es ist klar, dass wieder Lehrer*innen fehlen. Und | |
| [1][es mangelt vermutlich auch noch mal mehr als im vergangenen Schuljahr]. | |
| Damals blieben rund 1.000 Vollzeitstellen unbesetzt. Vor den Sommerferien | |
| hatte sich für dieses Jahr eine Lücke von rund 1.460 Vollzeitstellen | |
| abgezeichnet. Die Zahl der Schüler*innen ist im Vergleich zum Vorjahr um | |
| rund 6.500 gestiegen, mehr als 1.100 geflüchtete Kinder sind noch ohne | |
| Schulplatz. | |
| Um den Lehrer*innenmangel zu beheben, gibt es für Bildungssenatorin | |
| Katharina Günther-Wünsch (CDU) „nicht die eine große Stellschraube“. | |
| Stattdessen kündigte sie an, „viele kleine Rädchen“ in Bewegung setzen zu | |
| wollen. Sie will den Beruf wieder attraktiver machen und dafür die | |
| Arbeitsbedingungen besser gestalten. So können Schulen etwa [2][freie | |
| Stellen mit Verwaltungsmitarbeiter*innen oder Absolvent*innen | |
| elf anderer pädagogischer Berufe] besetzen. Diese Mitarbeiter*innen | |
| sollen mit ihrer Arbeit Lehrer*innen entlasten, so dass diese sich auf | |
| das Unterrichten konzentrieren können. | |
| Das bedeutet aber gleichzeitig, dass das Kollegium gemeinsam entscheiden | |
| muss, ob die Aufgaben sinnvoller von einer Sozialarbeiterin oder einem | |
| Logopäden übernommen werden. Außerdem brauchen die Schulen dann jemanden, | |
| der*die sich um Personalmanagement und Personalentwicklung kümmert. | |
| Jemand muss es machen | |
| An Grundschulen sollen Fachbereichsleiter*innen zukünftig den Gründen | |
| dafür nachgehen, warum den Schüler*innen [3][Grundkenntnisse in Deutsch | |
| und Mathe fehlen]. Aber auch hier: Es muss jemand machen. Ergebnisse müssen | |
| wiederum besprochen, und Gegenmaßnahmen in die Unterrichtsstunden gebracht | |
| werden. Dazu braucht es Zeit für Austausch, Treffen, Sitzungen, | |
| Konferenzen. Qualität lässt sich eben nur mit Ruhe und Zeit entwickeln. | |
| In Schulen herrscht aber meist: Druck. Und ob mehr Klassenarbeiten, die | |
| Günther-Wünsch nun vorschreibt, zur Entlastung beitragen? Auch diese wollen | |
| ja korrigiert werden – und, wenn es wirklich um Qualitätsentwicklung geht, | |
| sollten wieder Austausch darüber und Konsequenzen daraus folgen. | |
| Wenn Günther-Wünsch nun also an den einen Stellen entlastet, zieht sie an | |
| anderen fester an. Schulen sollen nun mehr Personalmanagement und | |
| Qualitätsentwicklung leisten. Das heißt nicht, dass die Maßnahmen schlecht | |
| sind oder falsch. Doch ob nun große Stellschraube oder kleine Rädchen: | |
| Nichts läuft ohne Schmieröl. Im Bildungssystem könnte analog dazu mehr Geld | |
| durchaus dafür sorgen, dass überhaupt erst einmal wieder die Ruhe eintritt, | |
| in der mit grundlegenden Reparaturen begonnen werden und an großen Lösungen | |
| gebastelt werden kann. | |
| Was das System derzeit am Laufen hält, ist das große Engagement der | |
| Lehrer*innen. Doch das bedeutet auch, dass es auf Verschleiß ausgelegt ist. | |
| Denn die Betroffenen knapsen sich die Zeit für Mehrarbeit woanders ab und | |
| sind [4][zunehmend nicht bereit, die Belastungen hinzunehmen]. Gut | |
| ausgestattete Schulen haben meist wenig Probleme, Mitarbeiter*innen zu | |
| finden. | |
| Denn auch das macht Arbeit an Schulen attraktiv: Wenn die Beteiligten dort | |
| ihre Aufgaben in der vorgegebenen Zeit bewältigen können, ihr Arbeitsumfeld | |
| gestalten und die Tätigkeiten sinnvoll aufteilen können. Wenn der Job also | |
| mehr ist als Verwaltung des Mangels. | |
| 26 Aug 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Uta Schleiermacher | |
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