| # taz.de -- Russischer Einfluss in Sudan: Machtkampf der Generäle | |
| > Seit einer Woche führen die beiden mächtigsten Militärchefs in Sudan | |
| > Krieg. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Antworten auf die wichtigsten | |
| > Fragen. | |
| Bild: Rauchschwaden über den Dächern von Sudans Hauptstadt Khartum am 19. Apr… | |
| 1. Seit einer Woche wird in Sudan gekämpft. Was ist da los? | |
| Es bekämpfen sich zwei Flügel der Streitkräfte mitten in den Städten, ohne | |
| Rücksicht auf die Zivilbevölkerung. Die paramilitärische Truppe RSF (Rapid | |
| Support Forces) trat am 15. April in den Aufstand gegen die Armee. Sie | |
| besetzte handstreichartig Militäreinrichtungen im ganzen Land und [1][griff | |
| in der Hauptstadt Khartum das Regierungsviertel mit dem Präsidentenpalast | |
| und dem Armeehauptquartier sowie den internationalen Flughafen an.] | |
| Die Armee reagierte mit Luftangriffen und Raketenbeschuss. RSF-Milizionäre | |
| und Armeesoldaten lieferten sich in Khartum und anderen Städten | |
| Straßenschlachten. Viele Militärbasen wurden schnell wieder von der Armee | |
| zurückerobert, aber die RSF-Kämpfer flüchteten in zivile Wohnviertel und | |
| griffen weiter an, sodass der Krieg sich in die Gebiete der | |
| Zivilbevölkerung verlagerte. Sudans Luftwaffe bombadiert die RSF auch in | |
| zivilen Häusern, beide Seiten setzen bedenkenlos in den Städten schwere | |
| Artillerie und Raketen ein, es wurden sogar Hubschrauber abgeschossen. | |
| Die Zahl der Toten und Schwerverletzten geht in die Tausende: 413 Tote und | |
| 3.551 Verletzte zählte die Weltgesundheitsorganisation WHO bis Freitag, | |
| aber die Angaben gelten als lückenhaft. Kriegsopfer können meist nicht | |
| geborgen oder ärztlich versorgt werden. In umkämpften Städten können sich | |
| die Menschen nur noch unter Lebensgefahr bewegen, Strom- und Wassersysteme | |
| sind zusammengebrochen, Lebensmittelversorgung ist nicht mehr möglich. Die | |
| Notlage wird jeden Tag größer. | |
| 2. Sudan ist ein sehr armes Land. Wieso gibt es da so starke Armeen und | |
| Milizen und woher haben sie ihre Waffen? | |
| Seit Sudans Unabhängigkeit 1956 regiert fast permanent das Militär. Die | |
| Streitkräfte wurden im Laufe der Jahrzehnte immer größer, zunächst von der | |
| Sowjetunion und Ägypten ausgerüstet und aufgebaut, auch von Jugoslawien und | |
| zuletzt vor allem von der Volksrepublik China. Sudan verfügt also über | |
| Hunderte Panzer und erhebliche Mengen an Kampfjets und Kampfhubschraubern, | |
| es hat auch eine eigene Rüstungsindustrie. Primäre Aufgabe der Streitkräfte | |
| war immer die Aufstandsbekämpfung. | |
| Jahrzehntelang kämpfte Sudans Militärdiktatur gegen Befreiungsbewegungen in | |
| Südsudan, das trotzdem 2011 seine Unabhängigkeit erlangte, und auch gegen | |
| Rebellen in Darfur. In diesem Rahmen stellte Sudan immer wieder Milizen | |
| auf, die die Drecksarbeit der Aufstandsbekämpfung machten. Zeitweise hatte | |
| Sudan Millionen junge Männer unter Waffen. Aus Milizen, die in Darfur | |
| staatlichen Terror verübten, ging die RSF hervor. Die wurde dann später mit | |
| EU-Geldern zu einer Grenzpolizei für Sudan umgewidmet und gleichzeitig | |
| weiter zur Rebellenbekämpfung eingesetzt. | |
| 3. Müsste die Militärherrschaft nicht längst vorbei sein? 2019 gab es einen | |
| Volksaufstand, Militärdiktator Omar Hassan al-Bashir wurde gestürzt. | |
| Die hohen Generäle in [2][Bashirs Umfeld setzten im April 2019 den Diktator | |
| ab, als Hunderttausende wütender Protestierender in Khartum das | |
| Regierungsviertel belagerten.] Sie versprachen, Sudan zur Demokratie zu | |
| führen, und der Armeechef, General Abdelfattah al-Burhan, wurde | |
| übergangsweise Staatschef an der Spitze einer zivil-militärischen | |
| Übergangsregierung, mit RSF-Kommandant Hamdan Daglo Hametti als | |
| Stellvertreter. Danach jedoch gingen die beiden mehrfach gemeinsam mit | |
| Gewalt gegen die Demokratiebewegung vor. Die RSF verübte im Juni 2019 | |
| Massaker an Demonstranten, die Armee setzte im Oktober 2021 die | |
| zivil-militärische Übergangsregierung ab. Sie haben eine neue | |
| Übergangsstruktur zugesagt, aber noch nicht umgesetzt. | |
| Einen Erfolg der Demokratisierung wollen die Generäle verhindern. Sudans | |
| Militär dominiert die Wirtschaft. Der Armee und der RSF gehören Hunderte | |
| Unternehmen, darunter Banken, Bauunternehmen und Handelsfirmen. Die | |
| Demokratiebewegung will das Wirtschaftsreich der Generäle zerschlagen, aber | |
| das lassen diese nicht zu. Burhan und Hametti sind faktisch die beiden | |
| mächtigsten Politiker Sudans und haben jeweils mit Armee und RSF ihre | |
| eigene Hausmacht. | |
| 4. Warum bekämpfen sich die beiden Generäle dann jetzt? | |
| Weil die Armee verlangt, dass die RSF sich ihr unterordnet. Die | |
| Demokratiebewegung und die internationalen Partner Sudans sind sich einig, | |
| dass eine Militärreform, die dem Nebeneinander mehrerer Streitkräfte ein | |
| Ende setzt, die Voraussetzung für Sudans Demokratisierung ist. Burhan sieht | |
| das als seine Chance: Wenn er die Milizen abschafft, kann er als Armeechef | |
| seine Macht in ein ziviles System hinüberretten. Die RSF soll sich also | |
| quasi auflösen – am besten noch vor den Wahlen, also in den nächsten zwei | |
| Jahren. Die RSF will das erst hinterher, in einem Zeitraum von bis zu zehn | |
| Jahren, und ihr Chef Hametti will dann für sich und seine Getreuen | |
| garantierte Posten im Generalstab. Seit Wochen warnten Beobachter, dieser | |
| Konflikt könnte mit der Waffe ausgetragen werden. Nun ist es so weit. | |
| 5. Wie sind die beiden Kontrahenten Burhan und Hametti einzuschätzen? | |
| Armee- und Staatschef Burhan, geboren in einem Dorf nördlich von Khartum, | |
| gehört zur traditionellen arabischen Offizierselite, die in Sudan seit der | |
| Unabhängigkeit das Sagen hat – ein elitärer Kreis mit engen Verbindungen | |
| zur Militärelite Ägyptens, die Sudan als ihren Hinterhof betrachtet. | |
| RSF-Führer Hametti kommt aus einer Händlerfamilie in Darfur, er gehört also | |
| zu den von Khartum verachteten Peripherien Sudans, die man notfalls mit | |
| Gewalt kleinhält. Es passt dazu, dass Burhan nun als Garant von Recht und | |
| Ordnung auftritt – „ein Volk, eine Armee“ forderte er in einer | |
| Fernsehansprache in der Nacht zum Freitag – während Hametti, die Pose des | |
| Revolutionärs einnimmt, der das Volk zu verteidigen vorgibt, der die | |
| Generäle herausfordert, für die er immer die schmutzige Arbeit gemacht hat | |
| und die ihn jetzt nicht respektieren. | |
| 6. Hat Hametti Unterstützung aus dem Ausland? | |
| Die RSF mit geschätzt 70.000 Mann ist in den vergangenen Jahren zu einer | |
| Art Staat im Staate geworden. Den Anfang machte noch zu Bashirs Amtszeit | |
| die EU-Finanzierung von Sudans Grenzschutz, umgesetzt von der RSF. Später | |
| schickte die RSF bis zu 40.000 Kämpfer nach Jemen, um auf der Seite der von | |
| Saudi-Arabien finanzierten Militärkoalition gegen die pro-iranischen | |
| Huthi-Rebellen zu kämpfen. Dieser Einsatz wurde von den Vereinigten | |
| Arabischen Emiraten finanziert, angeblich mit 3 Milliarden US-Dollar. | |
| Dubai, eines der Emirate, ist Umschlagplatz für Gold, das aus oder über | |
| Sudan exportiert wird, unter anderem von der russischen Firma „Meroe Gold“, | |
| die zum Firmengeflecht der Söldnertruppe Wagner gehört. Der Goldhandel wird | |
| teilweise über eine Bank im Besitz von Hametti-Familienangehörigen und | |
| prominenten Geschäftsleuten der Emirate abgewickelt. Wagner-Firmen | |
| betreiben Goldbergbau in der Zentralafrikanischen Republik, wo | |
| Wagner-Kämpfer die Regierung gegen Rebellen schützen. RSF-Kämpfer sind auch | |
| in Libyen beim ebenfalls von Wagner unterstützten ostlibyschen Warlord | |
| Khalifa Haftar aktiv gewesen. | |
| Es gibt also ein breites internationales Unterstützernetzwerk für Hametti, | |
| teils außerhalb der Legalität. Wagner soll zuletzt den Rücktransport von | |
| RSF-Kämpfern aus dem Ausland nach Sudan und ihre Neuausrüstung ermöglicht | |
| haben. | |
| 7. Ist Russland also in den Krieg verwickelt? | |
| Sudan mit seinem traditionell sowjetisch geprägten Militär ist für | |
| Russland ein wichtiger Bestandteil seiner Strategie, in Afrika den Einfluss | |
| des Westens zu schmälern. Seit Jahren wird über eine russische Marinebasis | |
| in Port Sudan am Roten Meer verhandelt, analog zu den russischen Basen in | |
| Syrien. Die läge an einer der wichtigsten Handelsrouten der Welt und | |
| gegenüber von Saudi-Arabien. Sowohl Hametti als auch Burhan haben sich | |
| dafür ausgesprochen. Hametti befand sich zufällig am Tag des russischen | |
| Überfalls auf die Ukraine, dem 24. Februar 2022, zu Gesprächen darüber in | |
| Moskau. Die Realisierung setzt allerdings die Ratifizierung durch eine | |
| reguläre Regierung in Sudan voraus. | |
| 8. Wie könnte eine Konfliktlösung aussehen? | |
| Der erste Schritt wäre, eine Waffenruhe herbeizuführen und dann ein | |
| Gesprächsformat einzurichten, das Burhan und Hametti zusammenbringt. | |
| [3][Hieran arbeiten die USA und Ägypten mit Unterstützung weiterer Länder, | |
| die diese Chance auch nutzen wollen, um ihre gefährdeten Landsleute aus | |
| Khartum ausfliegen zu können] – das geht erst, wenn die Kämpfe dort | |
| abflauen. Die Hoffnung ist, dass das muslimische Zuckerfest an diesem | |
| Wochenende eine Beruhigung der Lage mit sich bringt, die eine | |
| Evakuierungsaktion und neue Gespräche ermöglicht. Doch auch am Freitag, dem | |
| letzten Tag des Fastenmonats Ramadan, wurde in Khartum weiter gekämpft. | |
| 21 Apr 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
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