# taz.de -- Krieg in Sudan: Alles hängt an Khartum | |
> Täglich verdüstert sich die Lage für die Menschen in Sudans umkämpfter | |
> Hauptstadt. Nach einer Waffenruhe scheiterte auch eine | |
> Evakuierungsaktion. | |
Bild: Soldaten der regulären Armee jubeln über die Rückeroberung einer Milit… | |
„Die Hoffnungen auf eine schnelle Deeskalation in Sudan schwinden rapide“, | |
schreibt aus Sudans Hauptstadt Khartum William Carter, Landesdirektor des | |
Hilfswerks NRC (Norwegischer Flüchtlingsrat). „Es erscheint zunehmend | |
wahrscheinlich, dass dies sich zu einem katastrophalen, langen Krieg | |
entwickelt, der unzählige zivile Menschenleben fordert und die Region | |
destabilisiert.“ Der Brite mit fünf Jahren Afghanistan-Erfahrung fasst mit | |
seinem Szenario auf der Onlineplattform Twitter den Pessimismus der | |
humanitären Helfer und Diplomaten am fünften Tag des [1][neuen Krieges in | |
Sudan] zusammen. | |
Bis Mittwoch zählten UN-Vertreter über 300 zivile Tote und 2.600 Verletzte | |
und eine unbekannte Anzahl militärischer Opfer. Die Zahlen gelten als weit | |
untertrieben. [2][Tausende Menschen flohen am Mittwoch aus Khartum], | |
nachdem die Stadt ihre heftigste Kriegsnacht seit Ausbruch der Kämpfe | |
erlebt hatte. | |
Die paramilitärische Miliz RSF (Rapid Support Forces), geführt von General | |
Hamdan Daglo Hametti, ist aus den staatlichen Terrormilizen in der | |
einstigen Bürgerkriegsregion Darfur hervorgegangen. Am Samstag, dem 15. | |
April, hatte die RSF handstreichartig versucht, in Khartum die Macht zu | |
übernehmen. So wollte die Paramiliz eine sich abzeichnende Vereinbarung | |
über ihre Eingliederung in die Armee verhindern, noch bevor Sudans aktuelle | |
Militärregierung die Macht an einen gewählten Nachfolger abgeben würde. | |
RSF-Einheiten besetzten den Flughafen und das Gelände des | |
Präsidentenpalastes sowie Militäreinrichtungen in zahlreichen anderen | |
Städten. | |
Die reguläre Armee unter General Abdelfattah al-Burhan, Sudans Staatschef, | |
schlug massiv zurück, bombardierte RSF-Stellungen mit Kampfjets und | |
erklärte die Miliz für aufgelöst und zur Terrororganisation. | |
RSF-Milizionäre bezogen Stellung in zivilen Wohngebieten und es entwickelte | |
sich ein Städtekampf ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung. Die RSF | |
behält offenbar die Kontrolle über die Städte in Darfur, während die | |
Regierungstruppen die anderen Landesteile halten und Khartum Kampfgebiet | |
ist. Der Sieg dort entscheidet über die Macht in ganz Sudan. | |
Am Dienstag schienen UN-Bemühungen um eine [3][„humanitäre Feuerpause“ in | |
Khartum] zu funktionieren: Die RSF willigte ein, die Armee blieb | |
ausweichend. Doch als die Feuerpause um 18 Uhr in Kraft trat, wurde einfach | |
weiter geschossen, nachts noch heftiger als zuvor. Vermutlich dachte jede | |
Seite, sie könne die Gunst der Stunde nutzen. | |
Derweil liefen neben den diplomatischen auch militärische Bemühungen für | |
eine möglichst geräuschlose Evakuierung von Ausländern aus der umkämpften | |
Hauptstadt. Diplomaten und Helfer sind bevorzugte Zielscheiben von | |
Angriffen, weil es bei ihnen Geld, Lebensmittel und vollgetankte Autos zu | |
holen gibt. | |
## Deutschland erwägt Einsatz von Fallschirmjägern | |
Am Mittwoch im Morgengrauen starteten drei Transportflieger der Bundeswehr | |
im deutschen Wunstorf in Richtung Sudan. Sie sollten in Khartum die nach | |
Regierungsangaben rund 150 Deutschen in Sudan einsammeln und ausfliegen. | |
Aber als klar wurde, dass man in Khartum nicht landen kann, flogen die drei | |
Maschinen nach dem Auftanken in Griechenland gleich wieder nach Hause. | |
Nun wird laut Spiegel Online über eine Evakuierungsmission mit | |
Fallschirmjägern nachgedacht. Das wäre ein militärisches Eingreifen – aber | |
nicht zugunsten Khartums Bevölkerung, die jeden Tag mehr unter der Gewalt | |
und dem Zusammenbruch aller Dienstleistungen und Versorgungswege leidet. | |
Am Mittwochnachmittag ging das Spiel von vorne los: Die RSF sagte eine | |
Waffenruhe ab 18 Uhr zu, die Armee äußerte sich zunächst nicht. Derweil | |
mehrten sich die schlechten Nachrichten. „Unser Gelände in Nyala (Darfur) | |
wurde von Bewaffneten überfallen, die alles stahlen, auch Autos und | |
Büromaterial“, berichtete das Hilfswerk Ärzte ohne Grenzen (MSF). „Unser | |
Lager mit lebensnotwendigen medizinischen Gütern wurde auch geplündert. Wir | |
kennen das Ausmaß nicht, denn wir haben keinen Zugang.“ MSF wie auch andere | |
Hilfswerke fordern, die Sicherheit von Hilfswerken und den Zugang zu | |
Kriegsopfern zu gewährleisten. Aber wie? | |
„Die Lage ist chaotisch und dynamisch, die meisten humanitären | |
Einrichtungen sind paralysiert“, fasst Carter vom NRC die Lage zusammen. | |
Alan Boswell, Direktor der „International Crisis Group“ für das Horn von | |
Afrika, nennt die Berichte aus Khartum „mehr als erschütternd“ und | |
analysiert: „Dies sind nicht bloß gewaltsame Auseinandersetzungen. Dies ist | |
der vollständige Zusammenbruch einer Stadt und eine humanitäre Katastrophe, | |
die sich in einer Geschwindigkeit verschlimmert, dass einem schlecht wird.“ | |
19 Apr 2023 | |
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## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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