# taz.de -- Fluchtbewegungen durch Krieg in Sudan: Zivilisten sich selbst über… | |
> Wer kann, versucht das Land in Richtung Ägypten zu verlassen. Doch der | |
> Krieg stellt viele Menschen im Land auch noch vor ganz andere Probleme. | |
Bild: Wasserversorgung im Eimer: Kinder tragen Wasser auf einer Straße in Khar… | |
Während ausländische Diplomaten Sudan verlassen, muss die einheimische | |
Bevölkerung bleiben oder sich selbst sichere Fluchtrouten suchen. Bei | |
manchen Kommentatoren sorgt [1][das für Wut und Unverständnis]. „Schön zu | |
wissen, wie viel wir als Menschen wert sind“, [2][schreibt am Sonntagmorgen | |
eine Sudanesin bei Twitter.] | |
An die ausländischen Mächte im Land richtet sie sich mit drastischen | |
Worten: „Ihr habt uns in diese Scheiße geritten, und jetzt schwärmt ihr | |
ein, um eure Leute rauszuholen (die, die wichtig sind) und uns bei diesen | |
beiden mörderischen Psychopathen zurückzulassen.“ Damit meint sie Abdel | |
Fattah al-Burhan und Hamdan Daglo Hametti; Ersterer ist Staatschef und Chef | |
der Armee, Zweiterer stellvertretender Staatschef und Chef der Milizen der | |
Rapid Support Forces (RSF). [3][Der Krieg zwischen Armee und RSF hat | |
bereits Tausende Menschen das Leben gekostet und geht unvermindert weiter.] | |
Am Sonntagmittag berichtet derselbe Twitter-Account, ihr sei die Flucht | |
geglückt. „Wir haben es geschafft. Ich habe im Moment keine Ahnung, wo wir | |
hingehen, und ich tue einfach, was man mir sagt. Es ist ein Albtraum. Gott, | |
erbarme dich, denn allen anderen ist es egal und niemand sonst wird sich | |
erbarmen. An diejenigen, die zurückbleiben: Ich weiß nicht, was ich sagen | |
soll. Ich weiß nicht, was ich tun soll.“ | |
Wer in Khartum die Möglichkeit hat, macht sich jetzt auf den Weg Richtung | |
Ägypten, so berichten es lokale Medien. In Internetkanälen werden Tipps | |
ausgetauscht, wo welche Busse losfahren, welche Straßen passierbar sind, wo | |
Leute ausharren und dringend Hilfe brauchen. | |
## Weggehen muss man sich leisten können | |
Ein Problem: Der Weg aus Khartum nach Norden führt über den Nil, und die | |
Nilbrücken sind Nadelöhre des Krieges. Ihre Kontrolle ist strategisch | |
wichtig, sie sind Angriffsziele. Auch unterwegs besteht für die Flüchtenden | |
immer die Gefahr von willkürlichen Kontrollen und Schikanen. | |
Ein weiteres Problem: An der Staatsgrenze am Nil ist zwar die Ausreise aus | |
Sudan unproblematisch, nicht aber die Einreise nach Ägypten. Sudanesische | |
Männer im Alter zwischen 18 und 50 Jahren [4][benötigen ein Visum], wofür | |
eine diplomatische Vertretung Ägyptens aufzusuchen ist. Da die Busse aus | |
Khartum meist erst spätabends die Grenze erreichen, geht das nicht mehr am | |
selben Tag – wenn überhaupt. Nicht-Sudanesen hingegen, die aus dem Land | |
nach Ägypten wollen, bekommen derzeit das Visum an der Grenze. | |
Die überwiegende Mehrheit der sudanesischen Bevölkerung kann gar nicht an | |
Flucht denken, sondern ist vor allem damit beschäftigt, das Überleben vor | |
Ort zu organisieren. Das wird mit jedem Kriegstag ohne Wasser, Strom, | |
medizinische Versorgung und Lebensmittelversorgung schwerer. Einzelheiten | |
sind zunehmend schwerer in Erfahrung zu bringen. Am Sonntag brach parallel | |
zur Ausreise der wichtigsten ausländischen Diplomaten das Internet auf fast | |
allen sudanesischen Netzwerken zusammen. Die Netzabdeckung im Sudan liege | |
[5][bei 2 Prozent] des Normalniveaus, hieß es am Sonntagmittag. | |
Klar ist aber: Die Behauptung der Regierung, die Armee kontrolliere das | |
ganze Land und es gebe nur noch in Khartum Kämpfe, stimmt nicht. Am Freitag | |
brachen schwere Kämpfe in der Stadt El-Obeid in der Provinz Kordofan aus, | |
als die RSF das Polizeihauptquartier im Stadtzentrum angriff. Am Abend | |
[6][meldete die humanitäre UN-Koordinierungsstelle OCHA], bis zu 8.000 | |
Menschen seien aus der Stadt geflohen. „Kämpfe und ein Mangel an den Gütern | |
des täglichen Bedarfs“ bewirkten in zahlreichen Landesteilen zunehmende | |
Bevölkerungsbewegungen, hieß es weiter. Benzinpreise haben sich | |
vervierfacht, was alle anderen Dinge entsprechend verteuert, und zugleich | |
können Menschen nicht mehr zur Arbeit und werden nicht bezahlt. | |
## Schlagabstausch über Interviews | |
Sogar nach Südsudan, selbst Bürgerkriegsland mit einer noch viel | |
dramatischeren humanitären Lage, fliehen Menschen aus Sudan. In Tschad, wo | |
schon rund 400.000 Flüchtlinge aus Sudan leben, sind laut OCHA 10.000 bis | |
20.000 weitere Menschen aus dem Gebiet Darfur angekommen. Es sind zumeist | |
Frauen und Kinder und sie lagern unter freiem Himmel, [7][berichtet das | |
UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR]. In Nyala, Heimatstadt des RSF-Chefs Hametti | |
in Süd-Darfur, kontrollieren beide Seiten militärische Einrichtungen und | |
bekämpfen sich, ebenso in El-Fasher, Hauptstadt der Provinz Nord-Darfur. | |
Beide Kriegsherren geben sich unbeugsam, obwohl sie am Freitag eigentlich | |
einer dreitägigen Waffenruhe zugestimmt hatten – am Freitagabend endete der | |
Fastenmonat Ramadan, es folgte das Zuckerfest. | |
Burhan bekräftigte dann aber in einem Fernsehinterview aus dem | |
Armeehauptquartier in Khartum, eine Einstellung der Kämpfe in Sudans | |
Hauptstadt sei erst möglich, wenn die RSF dort nicht mehr präsent sei, und | |
das werde bald geschehen, denn Hametti sei auf der Flucht und niemand | |
wisse, wo er sei. Hametti reagierte am Samstag mit einem eigenen | |
TV-Interview aus einem Militärfahrzeug in Khartum, in dem er bekräftigte: | |
„Was Burhan sagt, ist Blödsinn, und ich werde darauf nicht antworten.“ | |
23 Apr 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Krieg-in-Sudan/!5926504 | |
[2] https://twitter.com/dalliasd/status/1650009606062473216 | |
[3] /Russischer-Einfluss-in-Sudan/!5926424 | |
[4] https://twitter.com/nonyabinnis/status/1649805753509707778 | |
[5] https://twitter.com/netblocks/status/1649939041100414977 | |
[6] https://reliefweb.int/report/sudan/sudan-clashes-between-saf-and-rsf-flash-… | |
[7] https://reliefweb.int/report/chad/unhcr-gravely-concerned-refugees-fleeing-… | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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