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# taz.de -- Krieg in Sudans Hauptstadt: „Die schießen ununterbrochen“
> In Khartum kämpfen Armee und RSF-Miliz um die Macht, ohne Rücksicht auf
> die Bevölkerung. Sogar in ihren Häusern werden Menschen getroffen.
Bild: Der Konflikt zwischen dem Militär und der RSF-Miliz hat sich seit Monate…
Berlin taz | Am Telefon sind Schüsse zu hören. Viele Schüsse, direkt
hintereinander. Nur wenige Sekunden hören sie auf, dann beginnen sie von
neuem. „Hörst Du das? Die schießen ununterbrochen!“ berichtet der
Gesprächspartner in Sudans Hauptstadt Khartum. „Kugeln sind schon in
unserem Hof gelandet, eine Kugel ist in das Haus eingedrungen!“ berichtet
er. Gemeinsam mit Freunden versteckt er sich im Haus. „Wir bleiben weg von
den Fenstern, Gott sei Dank haben wir genug zu essen. Wir versuchen uns
abzulenken“.
Am [1][Samstagmorgen waren die Menschen in Khartum zu dem Geräusch von
Schusswaffen] aufgewacht. Zwischen Sudans Streitkräften (SAF) unter der
Leitung von General al-Burhan und der paramilitärischen Rapid Support
Forces (RSF) unter der Leitung von General Daglo, auch Hametti genannt,
kommt es zu einem gewaltsamen Zusammenstoß. Der offene Kampf auf den
Straßen Khartums wird im Laufe des Tages noch dramatischer durch den
Einsatz von Raketen und Kampfjets durch das Militär, die Stützpunkte der
RSF aus der Luft angreifen.
„Das ist ein echter Krieg“, sagt eine junge Frau. „Das ist nicht mehr
Militär gegen unbewaffnete Revolutionäre, das sind zwei ausgebildete
Einheiten gegeneinander.“ So wie die junge Frau empfinden viele Menschen
die Situation. „Das ist Krieg“, sagt fast jede befragte Person.
Wie genau der Konflikt ausgebrochen ist, dazu haben die Menschen bisher nur
Vermutungen. Hametti spricht von einem Angriff durch das Militär, Burhan
widerspricht diesem Vorwurf. Klar ist, dass sich der Konflikt seit Monaten
zugespitzt hatte. Wiederholt warnten Beobachter:innen vor der Gefahr
einer Eskalation. Angeblich zu Übungszwecken zog die RSF schon vor Wochen
Truppen in Khartum zusammen. Doch mit einer so plötzlichen Eskalation hatte
niemand gerechnet.
## Stundenlang am Boden
Nun finden die Auseinandersetzungen mitten in den Wohngebieten statt,
zwischen den Häusern. Aus der Nachbarschaft „Khartum 2“ berichtet ein
verzweifelter Einwohner: „Wir sind gefangen. Sie hören nicht auf zu
schießen. Wir wissen nicht, was wir tun sollen.“
Viele Häuser in Khartum sind offen gebaut, mit einem Hinterhof und offenen
Fenstern. Es gibt Berichte von Zivilist:innen, die in ihren Häusern von
Kugeln getroffen wurden. Nach Angaben der sudanesischen Ärztevereinigung
von Sonntag früh sind innerhalb von nur 24 Stunden bereits 56 Menschen
gestorben, hunderte Verletzte gibt es.
Menschen berichten, dass sie über Stunden auf dem Boden liegen. Wenn die
Schießgeräusche kurzzeitig aufhören, nutzen sie die Gelegenheit, um sich
aufzurichten oder etwas zu essen. Auf Social Media teilen sie Anleitungen
zur Ersten Hilfe bei Schussverletzungen und wie sie sich vor den durch die
Luft fliegenden Kugeln und Streubomben schützen können.
Bilder eines jungen Mädchens im Kindergartenalter werden umhergeschickt.
Das Mädchen wurde von einer Kugel getroffen und getötet. Es herrscht
Betroffenheit und Verzweiflung. „Wir haben die Kinder unserer Familie unter
ihren Betten versteckt, möge Gott sie beschützen“, teilt ein User als
Ratschlag.
## Menschen hoffen auf Sieg des Militärs
Wie es weitergeht, bleibt ungewiss, inmitten der Propaganda von beiden
Konfliktparteien. „Ich denke, dass auf lange Sicht das Militär gewinnen
wird“, sagt ein junger Aktivist aus Khartum. „Das ist ein richtiges
Militär, die sind ausgebildet, nicht so wie die Milizen.“
Hoffnung für sein Land sieht er trotzdem nicht. „Wenn Burhan das gewinnt,
dann wird er Propaganda für sich machen. Er wird sagen, dass er derjenige
ist, der die Milizen endlich besiegt hat. Und dann wird er der alleinige
Herrscher, weil es dann niemanden mehr gibt, der ihm gegenübersteht. Und
die Menschen werden ihn dafür unterstützen, dass er die Milizen besiegt
hat.“
Viele Menschen hoffen auf einen Sieg des Militärs. Nicht so die jungen
Revolutionär:innen, die bei ihren Protesten der vergangenen Jahre die
Gewalt des Militärs zu spüren bekamen. Sie sehen in einem Sieg Burhans ein
Ende der Revolution. Sie haben den Sturz der Übergangsregierung durch das
Militär nicht vergessen, ebenso wenig wie die Massaker an Protestierenden
2019.
„Egal wie es ausgeht, die Zivilisten werden die Verlierer sein“, sagt ein
Mitglied der Widerstandskomitees. Ein junger Mann beschreibt seine Gefühle:
„Das ist typisches Sudan-Chaos. Ich bin noch nicht mal überrascht. Aber ich
bin so enttäuscht. Und es tut mir leid für mein Land.“
16 Apr 2023
## LINKS
[1] /Gefechtsfeuer-in-Sudans-Hauptstadt/!5928222
## AUTOREN
Saskia Jaschek
## TAGS
Sudan
Khartum
Abdel Fattah al-Burhan
Hametti
Schwerpunkt Krieg in Sudan
Wassermangel
Sudan
Darfur
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Lesestück Recherche und Reportage
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