| # taz.de -- Koalitionsstreit über Subventionen: Eigentlich ampeltauglich | |
| > Die Grünen wollen klima- und umweltschädliche Subventionen streichen, um | |
| > Geld für andere Projekte zu haben. Doch FDP und SPD bleiben verdächtig | |
| > still. | |
| Bild: Steuergeld im Tank? Verkehr am Flughafen Frankfurt am Main | |
| Bevor am Dienstag die Fraktionssitzung der Grünen beginnt, formuliert | |
| Katharina Dröge noch einen Gruß an den Finanzminister. „Es gibt eine lange | |
| Liste von umweltschädlichen Subventionen“, sagt die Fraktionschefin vor dem | |
| Sitzungsaal im Reichstagsgebäude in die Kameras. „Wir könnten hier | |
| kurzfristig mehrere Milliarden Euro realisieren. Wenn man als Koalition | |
| knappe Spielräume im Haushalt hat, sollte man das angehen.“ | |
| Christian Lindner (FDP) hört das nicht zum ersten Mal von den Grünen. | |
| [1][Schon vor Wochen schrieb Vizekanzler Robert Habeck dem Finanzminister | |
| einen Brief] und forderte Bewegung bei Subventionen, die Klima und Umwelt | |
| schaden. In diesen Tagen greifen andere Spitzen-Grüne die Forderung | |
| vermehrt auf. Es ist ihr Beitrag zum Haushaltsstreit der Koalition. | |
| Lindner wollte die Eckpunkte des Bundeshaushalts 2024 ursprünglich an | |
| diesem Mittwoch vorlegen. Weil sich die Regierung aber nicht einig wurde, | |
| [2][musste der Termin verschoben werden]. Ein neuer Zeitrahmen wurde nicht | |
| gesetzt. Klar ist nur, dass die Finanzlücke groß ist: Die Wünsche aus der | |
| Ministerriege kosten in Summe 70 Milliarden Euro mehr, als Lindner | |
| auszugeben bereit ist. Der Finanzrahmen ist eng: Ab diesem Jahr gilt wieder | |
| die Schuldenbremse, und höhere Steuern schließt der Minister aus. | |
| Der Zeitdruck immerhin ist noch begrenzt. Erst im Sommer muss das Kabinett | |
| seinen endgültigen Haushaltsentwurf beschließen und dem Bundestag zuleiten. | |
| Dass alle ihre angemeldeten Projekte durchgehen, glauben die | |
| Ampelminister*innen selber nicht. Gewisse Abstriche bei den Ausgaben | |
| sind eingepreist. Bei den Einnahmen könnte sich unter anderem noch etwas | |
| tun, weil sich die Konjunktur besser entwickelt als erwartet – es könnte | |
| also mehr Steuergeld geben. | |
| Dazu drängen die Grünen jetzt eben auf die Subventionsstreichungen. Sie | |
| brächten nicht nur finanziellen Spielraum, sondern würden auch beim | |
| Erreichen der Klimaziele helfen. Und: Im Prinzip sind sie sogar | |
| ampeltauglich. Schließlich steht die FDP marktverzerrenden Eingriffen und | |
| Subventionen generell skeptisch gegenüber. Schon im Koalitionsvertrag | |
| einigten sich SPD, Grüne und Liberale darauf, dass „wir im Haushalt | |
| überflüssige, unwirksame und umwelt- und klimaschädliche Subventionen | |
| abbauen“. | |
| Das Umweltbundesamt hat vor fünf Jahren einmal zusammengerechnet, was | |
| solche Subventionen den Staat jährlich kosten. Die Behörde kam auf mehr als | |
| 65 Milliarden Euro. Ihre Liste war aber sehr breit angelegt, aufgeführt | |
| waren darin sogar Gelder für den sozialen Wohnungsbau – weil sie die | |
| Landschaft kaputt machen. | |
| „Ich sage ganz klar: Diese Gesamtsumme wollen wir so nicht abbauen“, sagt | |
| Dröge. Die Pendlerpauschale, das Dienstwagenprivileg und Subventionen für | |
| den Flugverkehr nennt sie als Beispiele, wo am ehesten etwas zu holen wäre. | |
| Eine konkrete Summe oder ein genaues Maßnahmenpaket nennen die Grünen | |
| nicht. Sie wären fürs Erste schon froh, wenn innerhalb der Koalition | |
| überhaupt ein ernsthafter Diskussionsprozess in Gang käme. | |
| Lindner wäre als Finanzminister federführend zuständig, von ihm geht dem | |
| Vernehmen nach aber keine Initiative aus. Unter Grünen herrscht das Gefühl, | |
| die FDP wolle die Sache aussitzen. Aus der SPD heißt es, am Ende werde der | |
| Haushaltsstreit wohl durch ein Bündel an Maßnahmen gelöst – inklusive | |
| Subventionsstreichungen. Dass die Regierung aktiv an einer Lösung arbeitet, | |
| kann man unter Sozialdemokrat*innen aber auch nicht erkennen. Der | |
| Kanzler habe den Finanzminister beauftragt, für eine Lösung zu sorgen. Das | |
| ist aber auch schon alles. Ob es beim für Ende März geplanten | |
| Koalitionsgipfel eine Lösung geben wird? Fraglich. Eine Einigung müsste man | |
| schließlich rechtzeitig vorbereiten. | |
| Aus der FDP-Fraktion kommt jetzt der Vorschlag, die Sache auf Ebene des | |
| Parlaments zu verlagern, das am Ende ohnehin die Hoheit über den Haushalt | |
| hat. „Die Freien Demokraten stehen zum Koalitionsvertrag und befürworten es | |
| grundsätzlich, möglichst viele Subventionen abzubauen“, beteuert der | |
| klimapolitische Sprecher der Liberalen, Olaf in der Beek. Bislang sei das | |
| aber „eine medial geführte Scheindebatte“. Er plädiert für eine | |
| fraktionsübergreifende Arbeitsgruppe, „die einzelnen Subventionen auf ihr | |
| Ziel und ihre Wirkung zu prüfen“. | |
| Allerdings lässt der Liberale erkennen, dass eine Einigung auch dort nur | |
| mühsam zu erreichen wäre. Die häufig von den Grünen geforderte Abschaffung | |
| des Dienstwagenprivilegs lehnt in der Beek zum Beispiel ab. „Ohne | |
| Dienstwagenbesteuerung gäbe es weniger Elektroautos auf den Straßen“, ist | |
| er überzeugt. „Denn über 42 Prozent der neu zugelassenen Fahrzeuge mit | |
| alternativen Antrieben sind Dienstwagen.“ Genau so argumentiert der Verband | |
| der Automobilindustrie übrigens auch. | |
| Unterschiedliche Auffassungen gibt es auch bei der Pendlerpauschale. In der | |
| Beek verweist darauf, dass diese für alle Verkehrsmittel gelte: „Bei der | |
| Pendlerpauschale ist es egal, ob man mit dem Fahrrad, dem ÖPNV oder mit dem | |
| Auto fährt.“ Dazu betont er, dass im ländlichen Raum viele auf das Auto | |
| angewiesen seien. Schärfere Töne wählt der FDP-Generalsekretär Bijan Djir | |
| Sarai. Er bezeichnet eine Abschaffung der Pendlerpauschale als | |
| „Steuererhöhung für die hart arbeitende Mitte in diesem Land“. | |
| Komplett abschaffen wollen die Grünen die Pauschale dabei noch nicht mal. | |
| Sie fordern eine Reform, bei der unterschiedliche Verkehrsmittel je nach | |
| Klimaschädlichkeit unterschiedlich behandelt werden. Einer „Neuordnung, die | |
| ökologisch-soziale Belange der Mobilität besser berücksichtigt“ hatte vor | |
| über einem Jahr in einem Koalitionsausschuss eigentlich auch die FDP schon | |
| zugestimmt – allerdings bislang ohne Folgen. | |
| Und auch sonst fällt die FDP vor allem durch Bedenken auf. Mit eigenen | |
| Vorschlägen zum Abbau umweltschädlicher Subventionen hält sie sich dagegen | |
| zurück. Einen eigenen Vorstoß wagte Christian Lindner zuletzt im Sommer | |
| 2022: Er regte damals an, auf Subventionen für Elektroautos zu verzichten. | |
| Drei Rechenbeispiele geben einen Eindruck, was Pendlerpauschale, | |
| Dienstwagenprivileg und Subventionen für Kerosin und Diesel bewirken: | |
| ## 1. Pendlerpauschale | |
| Max Mustermann hat einen neuen Job – doch sein Arbeitgeber sitzt leider in | |
| der nächstgelegenen Großstadt, die weit entfernt liegt. Max macht sich | |
| Sorgen, dass nun hohe Kosten für die tägliche Fahrt zum Arbeitsplatz auf | |
| ihn zukommen. Für Leute wie ihn gibt es die Pendlerpauschale. Sie erlaubt | |
| es ihm, die Kosten für den Weg zur Arbeit steuerlich abzusetzen. Für die | |
| ersten 20 Kilometer, die er zur Tätigkeitsstätte fährt, kann er 30 Cent pro | |
| Kilometer geltend machen, für jeden weiteren Kilometer 38 Cent – unabhängig | |
| davon, ob er mit dem Auto oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln fährt. Der | |
| umweltbewusste Max möchte natürlich lieber aufs Auto verzichten. Doch für | |
| Bahnfahrten wird höchstens eine Pauschale in Höhe von 4.500 Euro pro Jahr | |
| abgerechnet – für Autofahrten gilt diese Grenze nicht. | |
| Wenn Max also an 220 Arbeitstagen 80 Kilometer mit dem Zug zur Arbeit | |
| fährt, können ihm nach der Rechnung 220 x 20 x 0,30 + 220 x 60 x 0,38 = | |
| 6.336 leider nur 4.500 Euro der Pauschale angerechnet werden – als | |
| Autofahrer jedoch die vollen 6.336 Euro. Nur wenn Max real tatsächlich mehr | |
| als 4.500 Euro an Kosten für Bahntickets bezahlt, kann er diesen höheren | |
| Betrag geltend machen. Laut Umweltbundesamt subventioniert der Staat die | |
| Pendlerpauschale mit 6 Milliarden Euro im Jahr. (Dariusch Rimkus) | |
| ## 2. Dienstwagenprivileg | |
| Herr P. will sich ein Auto kaufen. Am liebsten hätte er einen SUV mit | |
| Dieselantrieb. Der kostet 50.000 Euro. Den bezahlt Herr P. von seinem | |
| Einkommen, welches mit 42 Prozent besteuert wird. Der Staat hat also vorher | |
| schon etwa 21.000 Euro von seinem Einkommen als Steuer einbehalten. Viel | |
| günstiger ist es für Herrn P., wenn sein Arbeitgeber ihm diese 50.000 Euro | |
| nicht als Teil seines Gehalts auszahlt, sondern stattdessen Herrn P. ein | |
| Auto als Dienstwagen zur Verfügung stellt. Dann muss Herr P. nur 1 Prozent | |
| des Listenpreises für die private Nutzung seines SUV als Einkommen | |
| versteuern, also nur auf 500 Euro Steuern zahlen. | |
| Bei einem Steuersatz von 42 Prozent führt er in drei Jahren hochgerechnet | |
| etwa 7.560 Euro an das Finanzamt ab, er spart im Vergleich zu den oben | |
| genannten 21.000 also 13.440 Euro, weil er seinen SUV nicht selber kauft, | |
| sondern diesen als Dienstwagen fährt. | |
| Für E-Autos gilt das Dienstwagenprivileg auch. Hier versteuert Herr P. | |
| statt 1 Prozent sogar nur 0,25 Prozent des Listenpreises des Fahrzeugs, bei | |
| Plug-in-Hybriden wären es immerhin 0,5 Prozent. Der Staat verzichtet auf | |
| diese Weise auf geschätzte 3 Milliarden Euro an Einnahmen, weil er die | |
| private Nutzung von Dienstwagen fördert. (Dariusch Rimkus) | |
| ## 3. Diesel und Kerosin | |
| Wer an der Tankstelle Diesel tankt, zahlt weniger Steuern als auf Benzin. | |
| 47 Cent zahlt man derzeit für einen Liter Diesel, 65 Cent für Benzin. | |
| Dieselkraftstoff ist damit um 18 Cent pro Liter günstiger. Würde man die | |
| Energiesteuer auf das Niveau von Benzin angleichen, würde Diesel deutlich | |
| teurer werden. Das Umweltbundesamt möchte das Privileg aber nicht auf einen | |
| Schlag, sondern schrittweise abschaffen. Das Dieselprivileg kostet den | |
| Staat laut Umweltbundesamt 8 Milliarden Euro jährlich. | |
| Während Autofahrer*innen eine Energiesteuer und CO2-Abgabe zahlen | |
| müssen, gilt das für den Flugverkehr nicht. Denn Kerosin wird nicht | |
| besteuert. Deswegen fordern Umweltverbände schon seit Langem die Einführung | |
| einer Kerosinsteuer. Laut Umweltbundesamt kostet die Energiesteuerbefreiung | |
| auf Kerosin den Staat 8,36 Milliarden Euro pro Jahr. Etwas Hoffnung besteht | |
| hier. Auch die EU-Kommission befürwortet eine [3][schrittweise Einführung | |
| einer Kerosinsteuer] für innereuropäische Flüge. Und der Direktor des | |
| Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, spricht sich | |
| ebenfalls für einen umfassenden Subventionsabbau in Deutschland aus: „Eine | |
| recht schnell abzubauende Subvention wäre die Steuerbefreiung auf | |
| Treibstoff im inländischen Luftverkehr.“ (Jasmin Kalarickal) | |
| 15 Mar 2023 | |
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| Jasmin Kalarickal | |
| Anna Lehmann | |
| Tobias Schulze | |
| Dariusch Rimkus | |
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