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# taz.de -- Streit in der Ampel: Betriebsklima ist kritisch
> Nach viel Motzerei wird es spannend im Koalitionsausschuss der Ampel am
> Sonntag. Von Klimaschutz bis Kindergrundsicherung: Zündstoff gibt es
> zuhauf.
Bild: Sieht so schön harmonisch aus: Habeck, Scholz und Lindner Anfang März n…
Berlin taz | Dass Regieren kein Ponyhof ist, hatte Vizekanzler Robert
Habeck diese Woche eindrücklich klar gemacht. Von [1][der
Grünen-Fraktionsklausur aus Weimar] beschwerte er sich darüber, dass es
nicht sein könne, dass in einer Fortschrittsregierung nur einer für den
Fortschritt verantwortlich sei (Die Grünen, Anm. d. Red.) und die anderen
für dessen Verhinderung (SPD und FDP, Anm.d.Red.). [2][Im
Öffentlich-rechtlichen legte er später nach] und erklärte, es sei ja nicht
so, dass die Dinge im Moment zügig abgearbeitet würden, obwohl sie fertig
seien.
Aus SPD und FDP motzte man zurück. Ja, der Wirtschaftsminister stehe unter
Druck, so SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. Aber man solle damit nicht so
umgehen, „dass man jetzt einfach in alle Richtungen koffert.“ Und FDP-Vize
Wolfgang Kubicki attestierte Habeck sogar ein ähnliches Staatsverständnis
wie Wladimir Putin. Ein Vergleich, für den er sich noch am gleichen Tag
entschuldigte.
Der Schlagabtausch zeigt, es gibt einiges aufzuarbeiten im
[3][Koalitionsausschuss.] Die Erwartungen an das Spitzentreffen von
Regierungsschef, Partei- und Fraktionsspitzen der Ampel am Sonntag sind
hoch: „Alle sind aufgerufen dafür zu sorgen, dass diese Koalition
konstruktiv an Problemlösungen arbeitet. Und ich bin mir ganz sicher, dass
das gelingt“, so SPD-Vorsitzende Saskia Esken im Vorfeld zur taz.
Auch die Grünen bemühen sich nach dem Habeckschen Gewitter, die Atmosphäre
wieder runterzukühlen. Am Rande der Fraktions-Klausur sprach
Fraktionschefin Britta Haßelmann am Mittwoch vom „Team Ampel“ und zählte
auf, wo die Ampel-Parteien im gesellschaftspolitischen Bereich gut
zusammenarbeiteten. Am Sonntag wolle man „das Ganze wieder zu einem Team zu
machen“, ergänzte ihre Co-Vorsitzende Katharina Dröge.
## 60 Vorhaben auf der Liste
Doch die Liste der strittigen Themen ist lang. Das Portal [4][FragDenStaat]
listet über 60 Vorhaben auf, die die Ampel begonnen, aber noch nicht
umgesetzt hat – vom Klimaschutzgesetz bis zur Kindergrundsicherung. Habecks
Unmut über den stotternden Fortschrittsmotor ist also nicht ganz
unberechtigt. Eine offizielle Tagesordnung für den Koalitionsausschuss gibt
es (noch) nicht, ein Thema ist nach übereinstimmenden Angaben aus
Koalitionskreisen aber bereits angemeldet: Die beschleunigte Planung von
Infrastruktur.
In der Ampel ist man sich einig, dass Schienen, Brücken und Netze doppelt
so schnell wie bisher genehmigt, geplant und gebaut werden sollen –
Bundeskanzler Olaf Scholz mahnte zuletzt mehrmals ein Deutschlandtempo an.
Doch uneins ist man sich darüber, ob dieses Tempo auch für den Neubau von
Straßen gelten soll. Darauf pocht die FDP, die Grünen sind mit Verweis auf
die verfehlten Klimaziele im Verkehrssektor dagegen. „Das ganze Thema
Klimaschutz und Verkehr ist ungelöst in dieser Koalition“, sagte Dröge mit
Blick auf ihre Erwartungen an den Koalitionsausschuss.
Aus Kreisen der SPD-Führung heißt es, beide Seiten müssten aufeinander
zugehen, im Grunde sei man sich doch zu 98 Prozent einig. In der
Grünen-Fraktion ist die Bereitschaft allerdings gering, den Liberalen hier
weiter entgegenzukommen. Die Spitzen der Grünen spüren Druck von den
eigenen Leuten und hätten bei zu weitreichenden Zugeständnissen Probleme,
sich zu erklären. Und in der FDP versucht man sich mit diesem Thema bei den
verbliebenen Wähler:innen zu profilieren.
## Reizthema Heizungen
Wie eine Einigung aussehen könnte ist bislang unklar. Möglicherweise wird
eine Liste, die in der Regierung kursieren soll, mit Autobahnprojekten die
im Turbo gebaut werden, konkretisiert und gestutzt.
Ein weiteres Thema, welches in dieser Woche in einschlägigen Medien für
fette Schlagzeilen sorgte, ist das schrittweise Aus für [5][Gas- und
Ölheizungen]. Eigentlich hatte sich der Koalitionsausschuss bereits im
vergangenen Jahr darauf geeinigt, dass ab nächstem Jahr neue Heizungen zu
mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden sollen.
Der Einbau neuer Gas- und Ölheizungen hätte sich damit faktisch erledigt.
Mit einer Hintertür, die jetzt zur Falltür werden könnte: „möglichst“,
heißt es nämlich in der Einigung vom vergangenen Jahr. Bereit Anfang März
erklärte FDP-Generalsekretär Bijan Djir Sarai, ein Verbot ab 2024 sei der
falsche Weg.
Als Mitte der Woche der Gesetzentwurf aus dem Hause Habeck öffentlich
wurde, platzte dem Hausherr der Kragen. Der Entwurf sei bewusst geleakt
worden, um dem Vertrauen in der Regierung zu schaden. „So etwas passiert ja
nicht aus Versehen“, so ein sichtlich empörter Habeck am Dienstagabend im
Tagesthemeninterview. „Insofern bin ich ein bisschen alarmiert, ob
überhaupt Einigungswille da ist.“
Der Minister sei auch selbst mit schuld, dass jetzt Stimmung gemacht werde
– er hätte Übergangsfristen und Förderprogramme eben strategisch mit
kommunizieren müssen, heißt es aus SPD-Kreisen. In der SPD hofft man, dass
das Thema noch vor dem Koalitionsausschuss abgeräumt wird.
## Ruf nach Kanzler Scholz
Denn Geld, um gebeutelte Häuslebesitzer und Mieter:innen beim
Heizungsumstieg zu unterstützen wäre ja da – im Klima- und
Transformationsfonds sind 60 Milliarden Euro an Kreditermächtigungen
hinterlegt, für genau solche Förderprogramme. Und wie Habeck darlegte,
haben die Produzenten von Wärmepumpen sogar schon versprochen die
Produktion hochzufahren.
Über all dem schwelt noch der Streit über den Haushalt. Abseits von bereits
beschlossenen Schuldensondertöpfen will der Bund im nächsten Jahr fast ohne
neue Kredite auskommen. Der Etat für 2024 ist derzeit in zweistelliger
Milliardenhöhe überplant, auch ohne Extrawünsche, die alle Ministerien
angemeldet hatten. Wobei als Extrawunsch auch die Kindergrundsicherung
gilt, die derzeit in der Finanzplanung noch gar nicht auftaucht.
Finanzminister Christian Lindner wollte eigentlich schon vergangene Woche
Eckpunkte für den Haushalt 2024 präsentieren, hatte den Präsentationstermin
aber ersatzlos gestrichen. Wo man klotzt und wo man konsolidiert, dazu
wollen sich die Koalitionsspitzen am Sonntag ebenfalls eine Meinung bilden.
Mitte Juni will die Regierung dann einen Haushaltsentwurf beschließen.
Bei den Grünen ruft man nun unverholen lauter nach dem Kanzler. Der sei
jetzt in der Verantwortung, so Dröge. Doch Scholz schweigt bislang zu dem
Krach in seiner Koalition.
24 Mar 2023
## LINKS
[1] /Fraktionsklausur-der-Gruenen/!5920184
[2] https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-1172145.html
[3] /Koalitionsstreit-ueber-Energiepolitik/!5915958
[4] https://fragdenstaat.de/
[5] /Verbot-von-Gas--und-Oelheizungen/!5915990
## AUTOREN
Anna Lehmann
Tobias Schulze
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