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# taz.de -- Krise der Ampel-Koalition: Die Nacht der langen Stifte
> Die Ampel tagt 20 Stunden lang, um Konfliktthemen zu klären – ohne
> Ergebnis. Die Situation sei aber lösbar, heißt es. Fortsetzung am
> Dienstag.
Bild: Und Abflug: Vizekanzler Habeck (Grüne) am Montag auf dem Weg zu einem Te…
Berlin taz | Kurz nach 14 Uhr am Montag sendeten die Parteizentralen von
SPD, Grünen und FDP einen gleichlautenden dürren Text. „[1][Der
Koalitionsausschuss tagt] seit gestern zu wichtigen Modernisierungsthemen
unseres Landes. Dabei sind die Beteiligten in vertrauensvollen und
konstruktiven Gesprächen weit vorangekommen, haben die Sitzung aber
aufgrund der deutsch-niederländischen Regierungskonsultationen in Rotterdam
unterbrochen.“
Diese gemeinsame Erklärung sollte irgendwie Einigkeit demonstrierten. Dabei
kann davon in der Ampel keine Rede sein. Bei der Planungsbeschleunigung und
den E-Fuels, Klimaschutz und Verkehr, Finanzen und Kindergrundsicherung
hakt es. Kanzler Olaf Scholz (SPD), von dem manche Grüne vorab ein
Machtwort Richtung Finanzminister Christian Lindner (FDP) gefordert hatten,
war mit einem eigenen umfangreichen Papier in die 20-stündige
Marathonsitzung, die am Sonntagabend begonnen hatte, gegangen.
Die Grünen kritisieren schon länger, dass der von FDP-Minister Volker
Wissing verantwortete Verkehrsbereich nicht genug für die CO2-Einsparung
tut und Geld für die Bahn fehlt. Sie waren wohl bereit, der FDP bei einem
von deren Herzensanliegen entgegenzukommen. Die FDP und auch die SPD möchte
[2][Planungsbeschleunigung auch für einzelne neue Autobahnen], mit weniger
Umweltschutzprüfungen. Doch für eine Einigung reichte es nicht. Manche
Grüne argwöhnen schon lange, dass der Kanzler, der doch Konflikte
moderieren solle, zu oft auf der Seite der FDP steht.
Die Zeiten, als die Ampel versprochen hatte, ohne ruinöse Nachtsitzungen zu
regieren, scheinen schon sehr lange her zu sein. Gegen Montagmittag
twitterte Lindner: „Ideenreichtum, #Schlafmangel – #Koalitionsausschuss.“
Es soll in der Nacht nur eine Pause gegeben haben. „Auch Pausen können sehr
kreativ sein“, sagte die FDP-Politikerin und Vorsitzende des
Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, der taz.
Bemerkenswert ist, dass aus den Verhandlungen kaum etwas an die
Öffentlichkeit drang. Das erinnert an den Honeymoon der Ampel, als die
Regierung in spe sich den wohlklingenden Namen „Fortschrittskoalition“ gab
und vollmundig einen neuen, kooperativen Stil ankündigte, der sich von der
Missgunst der letzten Groko abheben sollte. Während der
Koalitionsverhandlungen drang wochenlang kaum etwas über Konflikte nach
draußen. Das sollte zeigen, dass man sich in der Ampel gegenseitig vertraut
und Konflikte intern löst.
## Die Ampel wirkt desorientiert
Nun wirkt die Ampel mit ihrer endlosen Sitzung recht desorientiert. Ein
Regierungssprecher hatte am Mittag noch die Erwartung geweckt, dass die
Ampel ihren Streit bis zum frühen Nachmittag beilegen würde. Scholz und
andere Regierungsmitglieder kehren am Montagabend spät aus den Niederlanden
nach Berlin zurück. Am Dienstag um 9 Uhr wird der Koalitionsausschuss
fortgesetzt. Kanzler Scholz hat seine Termine für den Dienstagvormittag und
-mittag bereits abgesagt. Dieser Koalitionsausschuss könnte im Guinnessbuch
der Rekorde landen. Die Chancen, sich zu einigen, seien, so schätzen es
Ampel-Spitzenpolitiker ein, aber nach wie vor gut.
Vor allem zwischen Grünen und FDP ist die Stimmung schon länger angespannt.
Ein FDP-Mann verglich den grünen Vizekanzler Robert Habeck mit Putin. Das
war noch nicht mal der Opposition eingefallen. Die Sondersitzung sollte
auch das Klima in der Koalition aufhellen. Zuvor hatte Habeck SPD und FDP
attestiert, in der Regierung beim Klimaschutz nur noch als Blockierer
aufzutreten. Das Klima in der Regierung war wohl noch nie so gereizt wie
derzeit.
„Das, worauf man sich schon mal gemeinsam geeinigt hat, sollte man auch
umsetzen. Wenn man jeden Kompromiss wieder aufmacht, ist man letztlich in
einer Art Endlosschleife gefangen und wird handlungsunfähig“, klang Toni
Hofreiter, der Vorsitzende des Europaausschusses, etwas genervt.
Das Stresslevel ist auch deshalb hoch, weil es ums Geld geht. [3][Lindner
hatte Mitte März die ankündigte Präsentation des Haushalts] verschoben.
Offenbar wollen die Ampel-MinisterInnen 70 Milliarden Euro mehr ausgeben,
als nach Lindners Ansage möglich ist. „Die ungezügelte Ausgabensucht von
SPD und Grünen stoppen wir und helfen jetzt beim kalten Entzug. Manchmal
muss man dem Alkoholkranken die Flasche Schnaps vom Mund schlagen“,
kofferte der FDP-Vizefraktionschef Christoph Meyer.
27 Mar 2023
## LINKS
[1] /Koalitionsausschuss-vertagt/!5924377
[2] /Fraktionsklausur-der-Gruenen/!5920184
[3] /Ampel-verschiebt-Haushalts-Eckpunkte/!5921115
## AUTOREN
Stefan Reinecke
Jasmin Kalarickal
Sabine am Orde
## TAGS
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Robert Habeck
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