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# taz.de -- Zustand der Ampel: Frusttruppe mit Therapiebedarf
> Die Ampel streitet und streitet. Die Menschen erwarten zu Recht, dass nun
> endlich nach Lösungen und neuen Einnahmequellen gesucht wird.
Bild: Als die Stimmung noch besser war: Kabinettmeeting der Ampel im Schloss Me…
Gut, dass sich die Ampelregierung mal wieder zum Teambuilding in Meseberg
trifft. Das tut dem innerkoalitionären Klima hoffentlich gut. Denn zurzeit
gibt die Regierung aus SPD, Grünen und FDP ein miserables Bild ab. Egal
welches Thema, ob Kindergrundsicherung, [1][Verbrennerautos] oder
Gasheizungen – man streitet. Eine Familientherapeutin würde nun eine
Auszeit oder die Scheidung empfehlen. Für die Ampel, die gerade mehrere
Großkrisen managen muss, ist Trennung aber keine Lösung.
Streit ist prinzipiell gut. Die politische Willensbildung fußt auf dem
Austausch verschiedener Perspektiven und der Suche nach dem besseren
Argument. Das ist produktiv. Kontraproduktiv wird es, wenn Streit nur dazu
dient, eigene Machtansprüche und Interessen durchzusetzen. So wie derzeit
in der Ampel. Die FDP, die in Wahlen verliert, versucht, ihr Profil zu
schärfen, vor allem gegen die Grünen. Die punkten mit auf die eigene
kosmopolitische, klimabewegte Wähler:innenschaft zugeschnittenen
Botschaften. Aber sie erreichen kaum Menschen über dieses Milieu hinaus,
wie die Berlinwahl zeigte. Die SPD kann sich in dieser Dreierbeziehung
nicht entscheiden, ob sie nun Schiedsrichterin oder Kapitänin sein will.
Im Hintergrund laufen derweil Haushaltsverhandlungen. Der Staat wird im
nächsten Jahr wohl 50 Milliarden Euro weniger ausgeben können, auch weil
der Weg zu frischen Krediten durch die Schuldenbremse nun bis auf einen
kleinen Spalt versperrt ist. Hinzu kommt, dass Projekte aus dem
Koalitionsvertrag, wie die Kindergrundsicherung, noch gar nicht eingepreist
sind. Derzeit tanzen alle Minister:innen zu Einzelgesprächen bei
Christian Lindner an. Dessen Job als Finanzminister ist es, die
Wunschlisten zurechtzustutzen. Als FDP-Vorsitzender tut er das auch nach
parteipolitischen Präferenzen. Eine Milliarde für die
FDP-Bildungsministerin muss drin sein, die Kindergrundsicherung, für die
die grüne Familienministerin 12 Milliarden angemeldet hat, liegt auf Eis.
Jetzt rächt sich, dass die Ampelparteien im Koalitionsvertrag darauf
verzichtet haben, Prioritäten und Preisschilder zu vergeben. Das hätte ja
den Frieden der Koalitionsverhandlungen gestört. Jetzt muss sie dies
nachholen, was denn auch zum erwarteten Unfrieden führt.
Die Menschen dürfen erwarten, dass die Ampel nach pragmatischen und nicht
nach parteitaktischen Erwägungen aushandelt, was ein Muss ist und was nice
to have. Und dann sortiert sich doch einiges recht schnell. Dass der Kampf
gegen Kinderarmut ein Muss ist, darüber sind sich alle einig, auch die FDP.
Auch Klimaschutz ist kein nettes Beiwerk, sondern überlebensnotwendig für
die Menschheit.
Bis 2045 will Deutschland von 760 Millionen Tonnen CO2 auf null Emissionen
kommen. Ein Wahnsinnsumbruch ins postfossile Zeitalter, der alles, von der
Industrie bis zum eigenen Lebensstil, umkrempeln wird. Die Kosten belaufen
sich der staatlichen Förderbank KfW zufolge auf etwa fünf Billionen Euro.
Der Großteil werden private Investitionen sein, doch auch der Staat muss
mehr in den Klimaschutz investieren, so die KfW.
Damit die Bürger:innen mitziehen, gilt es vor allem jene noch stärker zu
unterstützen, die finanziell überfordert sind. Nicht jeder kann es sich zum
Beispiel leisten, die kaputte Gasheizung durch eine 25.000 Euro teure
Erdwärmeheizung zu ersetzen oder die höhere Miete zu zahlen.
## Schlupflöcher schließen, Subventionen abschaffen
Investitionen werden in der Regel über Kredite finanziert. Die Ampel sollte
also auch pragmatisch darüber nachdenken, ob die Einhaltung der
Schuldenbremse um jeden Preis sinnvoll ist. Gleichzeitig müssen aber auch
die Steuereinnahmen steigen. Das geht sogar, ohne Steuern für Reiche zu
erhöhen. Den Liberalen ist das zu hart, na gut. Aber man kann ja
Schlupflöcher schließen und Subventionen abbauen. Nach [2][Angaben des
Umweltbundesamtes] entgehen dem Staat jährlich 65 Milliarden Euro, weil er
umweltschädliche Dinge rabattiert. So kostet die pauschale Besteuerung
privat genutzter Dienstwagen jährlich mindestens 3 Milliarden Euro. Über 8
Milliarden Euro lässt sich der Staat entgehen, weil er Dieselkraftstoff
ermäßigt besteuert.
Riesige Löcher weist auch das Erbschaftsteuerrecht auf. 400 Milliarden Euro
werden pro Jahr vererbt oder verschenkt – fast so viel wie der
Staatshaushalt, mit dem Lindner im nächsten Jahr plant. Großzügige
Ausnahmen führen dazu, dass über 80 Prozent der Firmenerben keine
Erbschaftsteuer zahlen und so rund 5 Milliarden Euro jährlich am Fiskus
vorbei transferieren.
Über den Haushalt wird die Ampel auch im schönen Meseberg sprechen.
Vielleicht besinnt sie sich dann wieder darauf, was sie eigentlich sein
wollte: Eine Fortschrittskoalition, keine Frusttruppe.
5 Mar 2023
## LINKS
[1] /Aus-des-Verbrennungsmotors/!5915989
[2] https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/umweltschaedliche-…
## AUTOREN
Anna Lehmann
## TAGS
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