| # taz.de -- Die Rolle von Frontex im Grenzregime: Europas Zielkonflikt | |
| > Grenzen dicht halten und gleichzeitig die Menschenrechte wahren. An | |
| > diesem Auftrag scheitert Frontex regelmäßig, wie interne Dokumente | |
| > zeigen. | |
| Bild: Frontex „Operation-Poseidon“: November 2019, Küstenwache vor der Ins… | |
| Berlin taz | Verrostete Gitterstäbe, eine schimmelige Backsteinwand, Müll | |
| und Bauschutt auf dem Boden, mittendrin acht junge Männer. Ohne Wasser, | |
| ohne Nahrung, eingesperrt wie in einem Viehverschlag warten die Flüchtlinge | |
| darauf, von der Polizei in die etwa 40 Kilometer entfernte Türkei | |
| zurückgebracht zu werden. Die käfigartige Baracke befindet sich in Sredez, | |
| im Süden Bulgariens, direkt neben der dortigen Polizeistation. | |
| Die Recherche-NGO Lighthouse-Reporting veröffentlichte Mitte Dezember | |
| Aufnahmen mehrerer solcher „Black Sites“ – Geheimgefängnisse, in denen | |
| Flüchtlinge entlang der EU-Außengrenze vor einer Abschiebung eingesperrt | |
| werden. | |
| Alles daran ist illegal: die Bedingungen der Internierung, die Einrichtung | |
| als solche, die dabei stattfindenden Misshandlungen, die Abschiebung ohne | |
| Asylverfahren. | |
| Mittendrin: die EU-Grenzschutzagentur Frontex. Wiederholt besuchten die | |
| Lighthouse-Rechercheure den Ort in Sredez – und fotografierten „dreimal | |
| Autos mit Frontex-Marken, die nur wenige Meter vom Käfig entfernt geparkt | |
| waren“, heißt es in ihrem Bericht. Interne Dokumente zeigten, dass in | |
| Sredez „zehn Frontex-Beamte im Rahmen der Operation ‚Terra‘, der größten | |
| Landoperation der Agentur, stationiert sind“. | |
| ## Es wird ermittelt | |
| Die kündigte nach der Veröffentlichung Ermittlungen an: „Frontex geht jedem | |
| Hinweis über mutmaßliche Grundrechtsverletzungen ernsthaft nach“, sagte ein | |
| Sprecher. | |
| Ermittelt wird auch von anderer Seite: Am Freitag berichtete der Spiegel, | |
| dass die EU-Antibetrugsbehörde OLAF einmal mehr gegen Frontex – und dabei | |
| nun auch gegen die Interimsdirektorin Aija Kalnaja ermittelt. | |
| Die Grenzschutzagentur ist, typisch für Sicherheitsbehörden, notorisch | |
| intransparent. Seit Jahren aber verschaffen sich Journalist:innen, | |
| Wissenschaftler:innen und NGOs über Informationsfreiheitsgesetze | |
| interne Frontex-Dokumente. Die NGO Frag den Staat (FDS) hat nun rund 4.100 | |
| dieser Dokumente in einer Datenbank zusammengeführt und verschiedenen | |
| Medien, darunter die taz, zugänglich gemacht. | |
| Die interessanten Stellen sind vielfach geschwärzt, doch in ihrer | |
| Gesamtschau zeigen die Dokumente, welchen Logiken die Frontex-Führung | |
| folgt. Und dass die eigenen Frühwarnsysteme – das „Konsultativforum“ und | |
| die Grundrechtsbeauftragte – trotz ihrer völlig unzureichenden Ausstattung | |
| ihre Aufgabe immer wieder erfüllt haben. Doch die Agentur hatte andere | |
| Prioritäten als Menschen- und Flüchtlingsrechte. | |
| Schon 2015, so zeigen die Dokumente beispielsweise, wurde Frontex darüber | |
| informiert, dass ein afghanischer Flüchtling in Sredez durch einen | |
| „Warnschuss“ eines bulgarischen Grenzschützers erschossen wurde. Die | |
| Agentur legte einen „Vorfallsbericht“ an – und beließ es dabei. In jener | |
| Zeit war Frontex mit 170 Beamten in der Grenzregion präsent. | |
| ## Der frühere Direktor | |
| Um das Image von Frontex ist es schlecht bestellt. Was lange nur | |
| antirassistische Initiativen interessierte, ist im Laufe der Jahre ins | |
| öffentliche Bewusstsein eingesickert: Die EU-Agentur verletzt | |
| Menschenrechte, um die Grenzen dicht zu halten. Durch die Geschichte der | |
| Agentur ziehen sich seit ihrer Gründung im Jahr 2004 Skandale, aber seit | |
| einiger Zeit finden diese auch in großen Medien Widerhall oder werden von | |
| diesen überhaupt erst enthüllt. | |
| Weil Frontex in Pushbacks in Griechenland verwickelt war, musste der letzte | |
| Frontex-Direktor, der Franzose Fabrice Leggeri, im April 2022 zurücktreten, | |
| eine:n Nachfolger:in gibt es noch nicht. Seit 2021 blockiert das | |
| EU-Parlament die sogenannte Haushaltsentlastung für die Agentur, zuletzt | |
| per Votum am 18. Oktober. „Seit Jahren missbraucht Frontex Steuergelder, um | |
| Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen zu vertuschen“, sagte die | |
| Linken-Europaabgeordnete Cornelia Ernst. | |
| Leggeri hat Vorwürfe stets zurückgewiesen und dabei vielfach gelogen. Die | |
| FDS-Dokumente zeigen nun: Der Frontex-Direktor war über Jahre immer wieder | |
| aus dem eigenen Haus darüber informiert worden, dass die Agentur auch dort | |
| aktiv war, wo EU-Staaten Flüchtlingsrechte systematisch missachteten und | |
| sie sich deshalb hätte zurückziehen müssen. | |
| Gleichzeitig ist die Agentur in der paradoxen Lage, dass ein Teil der | |
| EU-Staaten – etwa Polen und Kroatien – heute Frontex-Einsätze auf ihrem | |
| Territorium ablehnen, weil sie Störungen bei der eigenen, illegalen | |
| Pushback-Praxis fürchten. | |
| ## An der ungarisch-serbischen Grenze | |
| Ein Beispiel für die Ignoranz von Frontex gegenüber Warnungen hinsichtlich | |
| der Menschenrechte ist der Einsatz in Ungarn. [1][Auch von dort | |
| veröffentlichte Lighthouse erst in der vergangenen Woche Aufnahmen von | |
| „Black Sites“] Sie zeigen Schiffscontainer, aufgestellt an der Grenze zu | |
| Serbien. Auch dort werden dem Bericht zufolge Flüchtlinge ohne Essen und | |
| Wasser festgehalten und manchmal mit Pfefferspray angegriffen, bevor sie in | |
| Gefängnisbussen abgeschoben werden. | |
| Ungarn ist ein Vorreiter beim Abbau der Flüchtlingsrechte. 2015 richtete | |
| das Land zur Internierung sogenannte Transitzonen an den Außengrenzen ein, | |
| die nur „rückwärts“ – also wieder zurück nach Serbien – verlassen we… | |
| konnten. [2][Teilweise gab es dort kein Essen, und NGOs wurde verboten, | |
| welches zu verteilen.] Ungarn setzte darauf, Flüchtlinge so schlecht zu | |
| behandeln, dass die sogenannten Dublin-Rücküberstellungen aus anderen | |
| EU-Staaten nach Ungarn schließlich verboten wurden. Und weil fast alles, | |
| was Orbán sich dafür ausgedacht hatte, gegen EU-Recht verstieß, wurde | |
| Ungarn mehrfach dafür verurteilt. | |
| Doch Frontex blieb im Land. Dabei schrieb die eigene | |
| Frontex-Grundrechtsbeauftragte Inmaculada Arnáez bereits im Oktober 2016, | |
| dass die zur Abschiebung aus der „Transitzone“ „eingesetzten | |
| Zwangsmaßnahmen (etwa Schläge, Hundebisse, Pfefferspray)“ zu „Vorfällen | |
| geführt haben, die das Recht auf Menschenwürde, das Recht auf Leben, das | |
| Recht auf Unversehrtheit der Person und das Verbot unmenschlicher oder | |
| erniedrigender Behandlung gefährden.“ Arnáez verwies auf vielfache | |
| entsprechende Berichte, unter anderem des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR. | |
| Drei Wochen später schrieb auch das frontexeigene Konsultativforum, eine | |
| Art Menschenrechtsbeirat: Könne die Agentur nicht garantieren, dass die | |
| Flüchtlingsrechte gewahrt werden, empfehle es, „die operativen Aktivitäten | |
| an der ungarisch-serbischen Grenze auszusetzen.“ | |
| Leggeri wies das zurück. In einem Brief vom 1. Februar 2017 schrieb er dem | |
| Konsultativforum, dass die Mission in Ungarn nicht beendet werde. Es gebe | |
| „nur einen einzigen Fall“, in dem Misshandlungen „im Rahmen der von Front… | |
| koordinierten Aktivitäten“ stattgefunden haben sollen. Die Untersuchung | |
| dazu hätten die ungarischen Behörden eingestellt, denn es gebe „keine | |
| Anzeichen für einen Verstoß gegen das Gesetz“. Frontex habe sich also | |
| nichts zuschulden kommen lassen und bleibe vor Ort, so Leggeri. Ganz | |
| glaubte er das offenbar selbst nicht. Denn zu jener Zeit, auch das zeigen | |
| die FDS-Dokumente, ordnete er an, dass die entsandten Frontex-Grenzschützer | |
| keine gemeinsamen Patrouillen mit ungarischen Soldaten, sondern lediglich | |
| mit Grenzpolizisten durchführen und sich nicht an „Aktivitäten“ innerhalb | |
| der Transitzonen beteiligen sollten. | |
| ## Wegschauen und lavieren | |
| Dieses Lavieren hat mit dem Auftrag von Frontex zu tun. In den | |
| Rechtsgrundlagen dazu ist die Rede vom „Schutz der Außengrenzen“, von | |
| „entschlossenem Handeln zur Verhinderung irregulärer Migration“ oder der | |
| „Verhinderung unerlaubter Grenzübertritte“. Offiziell erlaubt ist dabei | |
| sehr vieles, was verhindern soll, dass Menschen überhaupt bis an die | |
| EU-Grenzen gelangen. Sehr viel unklarer aber ist, was geschieht, wenn das | |
| nicht gelingt. Nirgendwo in den Beschreibungen des Auftrags von Frontex | |
| steht, dass potenziell Schutzbedürftige nicht über die Grenze gelassen | |
| werden sollen. Denn das wäre vom EU-Recht nicht gedeckt. Vielen EU-Staaten | |
| geht es aber genau darum. Und die EU stützt dies: „Trotz dieser anhaltenden | |
| Bedenken hinsichtlich der Art und Weise, wie Ungarn seinen | |
| Grenzkontrollverpflichtungen nachkommt, bin ich der festen Überzeugung, | |
| dass Frontex seine Operationen in Ungarn fortsetzen sollte“, schrieb ein | |
| Vertreter der EU-Kommission am 23. Dezember 2016 an Leggeri. | |
| Im Wesentlichen führt das zu zwei Situationen. Die eine ist, dass Staaten | |
| auf das EU-Recht pfeifen, Flüchtlinge zurück über die Grenze prügeln und | |
| sich dabei von Frontex nicht stören lassen wollen. So wie Polen und | |
| Kroatien. Dann hat die Agentur Glück, denn es ist nicht ihr Problem. Ihr | |
| Pech ist gleichzeitig, dass sie dabei überflüssig wird. | |
| Die andere Situation ist, dass Frontex vor Ort ist. Dann könnte, ja müsste | |
| sie eingreifen, Menschenrechtsverletzungen unterbinden – dazu ist die | |
| Agentur jedenfalls laut eigenem Mandat verpflichtet. Oder sich | |
| zurückziehen. Wie aus Ungarn. Das aber hat sie in der Vergangenheit nicht | |
| getan, sondern weggeschaut oder mitgemacht. | |
| Im Dezember 2020 entschied der Europäische Gerichtshof: Ungarns Asylregeln | |
| verstoßen gegen EU-Recht. Das Land hat gegen die Pflicht, Asylanträge zu | |
| ermöglichen, gehandelt. Außerdem seien die Pushbacks nach Serbien | |
| rechtswidrig. Es war genau das, was die frontexeigenen Gremien schon Jahre | |
| zuvor festgestellt hatten. | |
| Leggeri aber reichte das immer noch nicht. Sechs Wochen später, am 19. | |
| Januar 2021, insistierte Arnáez erneut: In einem Brief an Leggeri empfiehlt | |
| sie, „die operativen Maßnahmen an den Landgrenzen in Ungarn „auszusetzen | |
| oder zu beenden (…), da es immer wieder zu schweren Grundrechtsverletzungen | |
| kommt“. | |
| Erst eine Woche später stoppt Frontex seine Ungarn-Mission – allerdings nur | |
| „am Boden“, wie Sprecher Chris Borowski sagte. Hinter der eigentümlichen | |
| Formulierung verbarg sich der Umstand, dass Frontex bis heute, entgegen der | |
| Forderung des Grundrechtsbeauftragten, aus Ungarn abschiebt – nur eben | |
| nicht direkt über die Grenze nach Serbien. | |
| Arnáez hatte Frontex immer wieder vor Grundrechtsverstößen an vielen Orten | |
| gewarnt. Die spanische Juristin war der Agentur 2012 als | |
| Grundrechtsbeauftragte beigeordnet worden. Die FDS-Dokumente zeigen, wie | |
| schwer sie es hatte. In einem 123-seitigen Bericht der | |
| EU-Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF ist seitenweise von Schikanen gegen | |
| Arnáez die Rede. In internen Nachrichten wurde sie demnach als „Diktatorin“ | |
| verächtlich gemacht, die durch „Khmer Rouge Terror“ in der Agentur herrsche | |
| und mit NGOs gegen diese arbeite. Material wurde als „Geheimsache“ | |
| eingestuft, sodass Arnáez es nicht ansehen konnte. Ihre Stelle wurde schon | |
| 2019, ein Jahr vor Ende ihrer Amtszeit, neu ausgeschrieben. Vor allem aber | |
| wurde der Posten so umklassifiziert, dass Arnáez praktisch von einer | |
| erneuten Bewerbung ausgeschlossen war. Den Frontex-Verwaltungsrat umging | |
| Leggeri dabei schlichtweg. | |
| Für ihn scheint Arnáez ein Störfaktor gewesen zu sein. Ungarn war nicht das | |
| einzige Land, über das sie kontinuierlich Berichte zu möglichen | |
| Menschenrechtsverletzungen schrieb. In Bulgarien und vor allem Griechenland | |
| häuften sich diese, vor allem im Zusammenhang mit den Pushbacks, in denen | |
| Frontex immer tiefer drinsteckte. Ausschlag für Leggeris Rücktritt gab im | |
| April ein Bericht des [3][Spiegels über frisierte Einträge in einer | |
| internen Frontex-Datenbank] namens „Jora“. Darin wurden demnach | |
| Frontex-Einsätze gegen Flüchtlingsboote in der Ägäis falsch verortet. Diese | |
| hatten sich tatsächlich in griechischen Hoheitsgewässern abgespielt, in der | |
| Datenbank seien sie aber türkischen Gewässern zugeordnet worden, um nicht | |
| als Pushbacks erkennbar zu sein. | |
| Leggeri tönte damals trumpesk: „Ich gebe mein Amt zurück, weil es aussieht, | |
| als ob das Frontex-Mandat, für das ich gewählt wurde, leise, aber effektiv | |
| verändert wurde.“ Tatsächlich ging er, weil Frontex unter seiner Führung | |
| nicht nur immer mächtiger wurde, sondern immer systematischer | |
| Flüchtlingsrechte mit Füßen getreten hat – und dabei immer öfter erwischt | |
| wurde. Das zeigte auch, dass Frontex sich einer demokratischen Kontrolle | |
| letztlich nicht zu entziehen vermochte: Die eigenen Institutionen warnten, | |
| Medien berichteten und das EU-Parlament handelte. Diese funktionierenden | |
| Mechanismen wiederum führen zu der seltsamen Situation, dass manche | |
| EU-Staaten Frontex heute deshalb nicht im Land haben wollen und einen | |
| Einsatz auf ihrem Territorium verweigern. Sie halten die Grenze lieber | |
| allein dicht – die Agentur gilt ihnen als Störfaktor bei Pushbacks und | |
| anderen Verletzungen der Flüchtlingsrechte. Denn wo Frontex ist, schauen | |
| Medien genauer hin und EU-Institutionen mischen sich ein. | |
| Polen zum Beispiel brüstet sich damit, zwischen August 2021 und Februar | |
| 2022 etwa 39.000 „versuchte irreguläre Grenzübertritte“ aus Belarus | |
| „abgewehrt“ zu haben. Dem EU-Recht folgend hätte Polen ihnen die | |
| Möglichkeit geben müssen, einen Asylantrag zu stellen. [4][Die Kommission | |
| drängte darauf, Frontex an der Grenze zu Belarus einzusetzen. Das sei „eine | |
| gute Idee“, sagte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson.] „Aber natürlich ist | |
| es Sache der polnischen Regierung, das zu entscheiden.“ Doch die wollte | |
| nicht. Als Frontex-Chef Leggeri im Oktober 2021 die Grenze besuchte, zeigte | |
| er sich „beeindruckt“ von Polens Einsatz. Doch seine eigenen Leute wollte | |
| Polen nicht dabeihaben. Die massenhaften, völlig offen durchgeführten | |
| Pushbacks hätten diese vor ein unlösbares Dilemma gestellt. | |
| ## Die Pushbacks | |
| Dem Konsultativforum bereitete dieses Szenario Sorge. Laut einem Protokoll, | |
| das in den FDS-Dokumenten enthalten ist, äußerte das Gremium gegenüber | |
| Leggeri „Besorgnis über die häufig gemeldeten Pushbacks (…) an den Grenzen | |
| zu Weißrussland, und die Situation von Kindern.“ Leggeri sagte demnach nur, | |
| dass Polen „keine Unterstützung“ angefordert habe – außer der Hilfe bei | |
| Abschiebungen in die Herkunftsländer. Und der Bitte war die Agentur | |
| nachgekommen, obwohl mit Blick auf Polen „zunehmend die Sorge (besteht), | |
| dass die nationalen Rechtsvorschriften nicht mit dem EU-Recht | |
| übereinstimmen“, so Leggeri laut dem Protokoll. | |
| Auch Kroatien entschied sich ab etwa 2017, massenhaft Flüchtlinge mit | |
| Gewalt zurück über die Grenze zu drängen, was vielfach durch Videos | |
| dokumentiert ist. Das Land wartete auf die – in der vergangenen Woche | |
| schließlich erteilte – [5][Vollmitgliedschaft im Schengen-Raum.] Dafür | |
| wollte und sollte es wohl auch die Balkanroute geschlossen halten. Kroatien | |
| hatte deshalb Frontex-Patrouillen 2017 beendet. Und so konnte Leggeri 2020 | |
| auf Anfragen seines Konsultativforums „zu erschütternden Berichten über | |
| systematische Pushbacks“ durch Kroatien schlicht antworten: „Wir haben | |
| keine solche Berichte bekommen.“ | |
| Und so ist es eine der absurden Wendungen, dass es da, wo Frontex nicht | |
| ist, heute teils noch brutaler zugeht. Die Dokumente zeigen, dass mit | |
| Frontex eine europäische Polizei geschaffen wurde, die sich nur rhetorisch | |
| zu Grundrechten bekennt. De facto aber unterstützt sie immer wieder Staaten | |
| beim Bruch europäischen Rechts. Erst am Mittwoch [6][veröffentlichte Human | |
| Rights Watch einen Bericht, laut dem Frontex seine Drohnen und Flugzeuge im | |
| Mittelmeer einsetzt], um der libyschen Küstenwache die Koordinaten von | |
| Flüchtlingsbooten zu verschaffen. Die werden dann auf dem Meer eingefangen | |
| und zurück nach Libyen gebracht – tausendfach. Dabei ist es EU-Staaten | |
| verboten, selber nach Libyen abzuschieben. | |
| Dass die EU ihr eigenes Recht an ihren Grenzen nicht durchsetzt und die | |
| eigenen Institutionen nicht konsequent zu dessen Einhaltung verpflichtet, | |
| ist eine der großen Krisen des Rechtsstaats in Europa. Dabei kann die | |
| Kommission bei Menschenrechtsverstößen Vertragsverletzungsverfahren | |
| einleiten. Und das deutsche Bundesinnenministerium etwa kann von sich aus | |
| prüfen, ob Frontex-Einsätze der Bundespolizei beendet werden müssen, wenn | |
| die nationalen Grenzpolizeien gegen das EU-Recht verstoßen. Doch auf eine | |
| entsprechende Anfrage der linken Bundestagsabgeordneten Clara Bünger | |
| antwortete die Bundesregierung am Donnerstag, sie sehe „keinen Anlass für | |
| einen Rückzug deutscher Beamtinnen und Beamten aus dem Frontex-Einsatz in | |
| Griechenland“. | |
| 17 Dec 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.lighthousereports.nl/investigation/europes-black-sites/ | |
| [2] /Fluechtlinge-in-Ungarn-ohne-Nahrung/!5528950 | |
| [3] https://www.spiegel.de/ausland/frontex-in-illegale-pushbacks-von-hunderten-… | |
| [4] /Gefluechtete-zwischen-Polen-und-Belarus/!5807204 | |
| [5] /Kroatien-tritt-Schengen-Raum-bei/!5897148 | |
| [6] https://www.hrw.org/news/2022/12/12/eu-frontex-complicit-abuse-libya | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Jakob | |
| Bernd Kasparek | |
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