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# taz.de -- Bewegungstermine in Berlin: Nicht entmutigen lassen
> Die Razzien gegen die Letzte Generation sind nur der vorläufige
> Höhepunkt. Die Repressionswelle gegen die gesamte Klimabewegung wächst.
Bild: Schmerzgriffe gehören mittlerweile auch zum Standardrepertoire
Es ist eine absurde Situation: Während die Regierung kaum ernstzunehmende
Schritte gegen die Klimakrise beschließt und regelmäßig ihre eigenen Ziele
verfehlt, [1][geht sie immer härter gegen Klimaaktivist:innen vor],
die sich gewaltfrei für einen lebenswerten Planeten einsetzen. [2][Die
Razzien gegen die Mitglieder der Letzten Generation] am vergangen Dienstag
zeigen, dass der Staat bereit ist, sämtliche Repressionsmöglichkeiten
auszuschöpfen, die ihm zu Verfügung stehen.
Rechtlich möglich wurden die Razzien erst durch den Vorwurf der „Bildung
einer kriminellen Vereinigung“ nach Paragraf 129 des Strafgesetzbuchs. Der
auch als [3][„Durchleuchtungsparagraf“ bekannte Absatz] wird gerne genutzt,
weil der Begriff „kriminelle Vereinigung“ sehr weit ausgelegt werden kann
und allein schon der Verdacht den Ermittlungsbehörden umfassende Rechte
zugesteht. Neben Durchsuchungen ermöglicht Paragraf 129 auch die
systematische Überwachung des gesamten Umfelds aller Verdächtigten – ein
Freihfahrtsschein, die gesamte Bewegung zu überwachen, auch wenn sich der
„Verdacht“ am Ende wiedereinmal als unbegründet darstellt.
Aufällig sind auch die unverhältnismäßig harten Urteile, die Gerichte in
letzter Zeit immer häufiger gegen Klimaaktivist:innen fällen. Erst im
November wurden zwei Aktivist:innen der Gruppe „Unfreiwillige
Feuerwehr“ zu vier Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt, nachdem sie im
September kurzzeitig das [4][Braunkohlekraftwerk in Jänschwalde] blockiert
hatten. Anfang April wurde die Aktivist:in mit dem Decknamen Ella, die
bei der Räumung des Dannenröder Forsts festgenommen wurde, [5][zu 21
Monaten Haft verurteilt] – weil sie während ihrer Räumung nach einem
Polizisten getreten, aber nicht getroffen hatte.
In Bayern wurden etliche Aktivist:innen der letzten Generation 30 Tage
lang in „Präventivhaft“ gesteckt, ohne dass ein Strafprozess dafür nötig
ist – [6][möglich macht es das erst 2017 verschärfte
Polizeiaufgabengesetz]. Begründet wurde die Ausweitung der Präventivhaft
damals übrigens mit der Abwehr von Terrorgefahr.
## Allrounder der Repression
„Aktuell gibt es kaum eine Repressionsmaßnahme, vor der die staatlichen
Organe in ihrem Kampf gegen die Klimagerechtigkeitsbewegung zurückscheuen“,
resümiert eine Sprecherin des Roten Hilfe, einem Verein, der Rechtshilfe
für linke Aktivist:innen leistet.
Ein positiver Nebeneffekt der wachsenden Repression ist, dass sich immer
mehr Menschen mit der Letzten Generation solidarisieren. So finden die
[7][wöchentlich stattfindenden Vorträge], bei denen die Gruppe sich
vorstellt und Möglichkeiten zeigt, selbst mitzumachen, immer mehr
Interessierte. Vor Weihnachten gibt es noch einen weiteren Vortrag im
Jugendwiderstandsmuseum in Friedrichshain. (Mittwoch, 21. Dezember, 19 Uhr,
Rigaer Straße 9).
Viele Aktivist:innen aus der linken Szene sind aus eigener Erfahrung
mit dem staatlichen Repressionsmaßnahmen vertraut. So ist auch der Paragraf
„Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ ein Allrounder, wenn es darum geht,
hohe Geld- und Haftstrafen auf Demos zu verhängen. [8][Eine harmlose
Berührung und ein paar abgesprochene Aussagen] – mehr benötigt es nicht, um
ein Urteil zu erwirken. So findet am Mittwoch ein solches Verfahren am
Amtsgericht gegen eine Aktivist:in statt, die im November 2021 nach
einer Demo gegen Paragraf 129 festgenommen wurde. [9][Die „Soligruppe
No129“ ruft zu einer Kundgebung und solidarischen Prozessbegleitung auf]
(Mittwoch, Wilsnacker Straße 4, 10 Uhr).
Das auch die schärfste Repression Widerstand nicht verhindern kann, zeigt
die Geschichte. Das Widerstandsnetzwerk „Rote Kapelle“ klebte im Dritten
Reich Flugblätter, half Flüchtlingen und leitete militärisch wichtige
Informationen an die Sowjetunion weiter. 1942 wurde das Netzwerk aufgedeckt
und 50 Mitglieder erschossen. Zum 80. Jahrestag der Hinrichtung
veranstaltet der Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA)
Lichtenberg [10][eine Gedenkveranstaltung] (Donnerstag, 22. Dezember,
16:30, Platz der Roten Kapelle).
## Spenden statt Schenken
Zu guter Letzt: Die beste Waffe gegen Repression ist Solidarität. Und da
bald Weihnachten ist; Warum nicht Solidarität verschenken und anstelle
eines Geschenks eine Spende überreichen? Hier ein paar Ideen:
[11][Rote Hilfe]: Der Klassiker. Unterstützt seit 1975 Aktivist:innen
in Not bei Prozesskosten und Strafen.
Letzte Generation: Nach jeder Straßenblockade flattert meist ein
Strafbefehl von mehreren hundert Euro ins Haus. Um diese Kosten zu stemmen,
sind [12][Spenden] gerne gesehen.
Stronger Together: Die Situation an den EU-Außengrenzen ist immer noch
katastrophal. [13][Die EU schottet sich weiterhin mit roher Gewalt ab.
Geflüchtete werden gefangen genommen, geschlagen und widerrechtlich
zurückgeschickt.] Um die größte Not zu lindern, sind in den letzten Jahren
eine ganze Reihe unterstützenswerter NGOs und Initiativen entstanden.
[14][Die Kampagne Stronger Together] vereint 40 dieser Gruppen und
ermöglicht, individualisierte Spendenaktionen zu erstellen.
20 Dec 2022
## LINKS
[1] /Proteste-der-Letzten-Generation/!5900652
[2] /Ermittlungen-gegen-die-Letzte-Generation/!5902589
[3] /Der-Fall-Lina-E/!5758289
[4] /Blockiertes-Kraftwerk-Jaenschwalde/!5879760
[5] /Klimaaktivistin-war-18-Monate-in-Haft/!5850680
[6] /Neues-Polizeigesetz-in-Bayern/!5529642
[7] https://letztegeneration.de/vortraege/
[8] /Angeblicher-Angriff-auf-Beamte/!5895590
[9] http://soligruppe.no129.info/21-12-solidaritaet-ist-widerstand-kundgebung-u…
[10] https://lichtenberg.vvn-bda.de/2022/12/06/dezember-2022-januar-2023-gedenk…
[11] https://www.rote-hilfe.de/
[12] https://letztegeneration.de/spenden/
[13] /Die-Rolle-von-Frontex-im-Grenzregime/!5900343
[14] https://strongertogether.lnob.net/
## AUTOREN
Jonas Wahmkow
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Frontex
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