# taz.de -- Ermittlungen gegen die Letzte Generation: Kriminalisierter Klimasch… | |
> Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Bildung einer kriminellen | |
> Vereinigung. Elf Hausdurchsuchungen soll es gegeben haben. | |
Bild: Aktion der Letzten Generation in München | |
BERLIN taz | Die Staatsanwaltschaft Neuruppin ermittelt gegen die | |
[1][Klimaschutzgruppe Letzte Generation] nach Paragraf 129 wegen Bildung | |
einer kriminellen Vereinigung. Am Dienstagmorgen wurden gegen elf Personen | |
Durchsuchungsbeschlüsse vollstreckt. Dabei wurden elektronische Geräte wie | |
Laptops und Handys sowie Plakate konfisziert. | |
„Wir haben heute morgen ab 6 Uhr verteilt über die gesamte Bundesrepublik | |
Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgericht Neuruppin gegen Mitglieder der | |
Letzten Generation vollstreckt“, bestätigte ein Sprecher der | |
Staatsanwaltschaft Neuruppin der taz. Ermittelt würde gegen die | |
Aktivist:innen auch nach Paragraf 316b wegen Störung öffentlicher | |
Betriebe. Im Frühjahr hatten Aktivist:innen wiederholt Pipelines der | |
PCK-Raffinerie in Schwedt zugedreht, um gegen weitere Investitionen in | |
fossile Infrastruktur zu protestieren. Diese Aktionsform gehört seitdem | |
jedoch nicht mehr zum Repertoire der Gruppe. | |
Nach Angabe der Letzten Generation richteten sich die Durchsuchungen gegen | |
elf Personen in Leipzig, München und weiteren bayerischen Städten. Vier der | |
Betroffenen sitzen derzeit im bayerischen Präventivgewahrsam. Auch sollen | |
Razzien in Elternhäusern von Aktivist:innen stattgefunden haben. „Wir | |
gehen ganz klar davon aus, dass wir eingeschüchtert werden sollen“, so | |
Lilly Schubert, Sprecherin der Letzten Generation, gegenüber der taz. | |
In einer Mitteilung kritisiert die Gruppe die Ermittlungen wegen Paragraf | |
129 scharf. „Während der Staat durch fehlenden Klimaschutz unser | |
Grundgesetz missachtet, durchsucht die Polizei die Wohnungen jener, die | |
alles friedlich Mögliche versuchen, dies offenzulegen“, heißt es da. Die | |
Durchsuchungen seien ein „neues Niveau“ der Einschüchterungsversuche des | |
Staates. Wenn friedlicher Widerstand kriminalisiert würde, bedrohe das „die | |
demokratischen Grundfesten“ der Bundesrepublik. | |
Betroffen ist auch Carla Hinrichs, eine der Sprecherinnen der Gruppe: Sie | |
schrieb auf Twitter: „Heute Morgen wurde meine Wohnung durchsucht.“ Sie | |
schrieb weiter, es sei „beängstigend, wenn die Polizei deinen | |
Kleiderschrank durchwühlt. Aber denkt ihr ernsthaft, dass wir jetzt | |
aufhören werden?“ | |
Auf Unverständnis stoßen die Maßnahmen insbesondere deshalb, weil alle | |
Personen, bei denen Durchsuchungen stattfanden, „mit ihrem Namen und ihrem | |
Gesicht zu ihren Taten“ stünden, so Schubert. Zwei Personen seien bereits | |
zum zweiten Mal von Hausdurchsuchungen betroffen. | |
## Pipeline-Aktionen im Fokus | |
Juristisch ist umstritten, ob die Gruppe dem Straftatbestand einer | |
kriminellen Vereinigung überhaupt entsprechen kann. Die | |
Generalstaatsanwaltschaft Berlin hatte diese Frage Ende November verneint. | |
Diese Einschätzung sei auch „bislang unverändert“, sagte Oberstaatsanwalt | |
Sebastian Büchner auf taz-Anfrage. Man überprüfe die eigenen Auffassungen | |
aber fortlaufend. | |
Laut Büchner müssten für eine Einstufung als kriminelle Organisation die | |
möglicherweise strafrechtlich relevanten Aktionen der Gruppe eine gewisse | |
Erheblichkeit überschreiten – bisher sei das in Berlin nicht auszumachen. | |
Vorgeworfen wird den Aktivist:innen in Berlin und auch München zumeist | |
Nötigung und Widerstand gegen die Staatsgewalt – in beiden Vorwürfen kann | |
von einer besonderen Erheblichkeit kaum die Rede sein. | |
Möglicherweise hat deshalb auch nicht Bayern die Federführung bei der | |
Strafverfolgung übernommen – obwohl die bayrische CSU-Regierung stets am | |
rabiatesten gegen die Aktivist:innen vorgegangen ist, etwa durch die | |
Verhängung eines 30-tägigen Präventivgewahrsams. Denn mit der Störung | |
öffentlicher Betriebe in der PCK-Raffinerie in Schwedt liegt ein nicht | |
unerheblicher Vorwurf vor. Äußern wollte sich das zuständige | |
Justizministerium in Brandenburg auf taz-Nachfrage nicht. Die | |
Staatsanwaltschaft Neuruppin verwies lediglich darauf, dass es sich bei den | |
Ermittlungen bezüglich Paragraf 129 um einen Anfangsverdacht handle. Auf | |
die Frage, woraus sich dieser speise, verwies der Sprecher auf die straffe | |
Organisation und Rollenverteilung in der Gruppe. | |
Die Generalstaatsanwaltschaft München teilte auf Anfrage mit, dass bei der | |
Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus | |
(ZET) „mehrere Anzeigen zur Prüfung des § 129 StGB im Zusammenhang mit der | |
‚Letzten Generation‘ vorliegen“. Die Prüfung dieser Anzeigen dauere derz… | |
an. | |
Die Innenminister von Bund und Ländern hatten Anfang Dezember beschlossen, | |
ein Lagebild über die Gruppe erstellen zu lassen. Brandenburgs | |
Innenminister Michael Stübgen (CDU) hatte sich dabei für Ermittlungen wegen | |
des Verdachts der Gründung einer kriminellen Vereinigung ausgesprochen. | |
„Aus meiner Sicht spricht vieles dafür“, sagte Stübgen: „Sie sind | |
organisiert, haben entsprechende Trainingsplätze und verabreden sich zu | |
kriminellen Aktionen.“ | |
Zuvor hatte sich Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamts für | |
Verfassungsschutz, gegen eine Einstufung der Gruppe als extremistisch | |
ausgesprochen. Das Begehen von Straftaten macht diese Gruppierung jetzt | |
nicht extremistisch“, sagte er. Von einer „Klima-RAF“ zu sprechen, wie di… | |
etwa CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt getan hatte, sei „Nonsens“. | |
13 Dec 2022 | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
Timm Kühn | |
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