| # taz.de -- Prozess gegen mutmaßlichen KZ-Wachmann: 101 Zeichen der Schuld | |
| > In Brandenburg muss die Justiz am Dienstag ihr Urteil über einen alten | |
| > Mann fällen. Josef S. ist der Beihilfe zum Mord im KZ Sachsenhausen | |
| > angeklagt. | |
| Bild: Der 101-jährige Angeklagte im Gerichtssaal des Landgerichts Neuruppin | |
| Der dreigeschossige Turm ist quadratisch und besitzt im obersten Stockwerk | |
| auf einer Seite eine Art überdachte Veranda, die einen weiten Blick in das | |
| Lager ermöglicht, das sich hier auf topfebenem Gelände befand. Das massive | |
| Bauwerk ist in eine schnurgerade, etwa drei Meter hohe Mauer eingefasst, | |
| die sich wie ein Dreieck um den Innenraum herumzieht. | |
| „Architektonische Machtdemonstrationen“: So nennt die stellvertretende | |
| Leiterin der Gedenkstätte Astrid Ley die Wachtürme. Ganz besonders gilt das | |
| für die gedrungenen achteckigen mit ihren umlaufenden Balkonen, die sich an | |
| den Ecken des einstigen Lagers befinden. Und erst recht für das | |
| Eingangsgebäude, mit dem schmiedeeisernen Spruch „Arbeit macht frei“ an dem | |
| Tor, durch das die Insassen das Gelände betreten mussten. | |
| Man kann den viereckigen Turm heute nicht mehr betreten. Das Innere ist | |
| ausgehöhlt, die Fenster sind vermauert. Und ob die lange Mauer dem Original | |
| entspricht, weiß man in der Gedenkstätte nicht sicher. Verschwunden ist an | |
| dieser Stelle auch der mehrere Meter breite, mit Stacheldraht gesicherte | |
| Streifen vor der Mauer, den zu betreten den Häftlingen streng verboten war. | |
| „Es wird ohne Aufruf scharf geschossen“, stand da auf weißen hölzernen | |
| Schildern zur Warnung. Wir befinden und uns in Oranienburg, | |
| [1][Gedenkstätte Sachsenhausen]. Das frühere Konzentrationslager. | |
| Wie oft hat Josef S. von diesem Turm herabgeblickt, den Karabiner | |
| griffbereit? Wann war er auf einem der anderen sieben Türme eingesetzt? Hat | |
| er von der Waffe Gebrauch gemacht, um Häftlinge an einer Flucht zu hindern, | |
| gar im Inneren des Lagers Menschen drangsaliert, gequält, getötet? War er | |
| an Massenerschießungen beteiligt, und wenn ja, an welchen? Welche | |
| Außenkommandos hat Josef S. zusammen mit anderen SS-Männern bewacht, und wo | |
| überall stand seine Postenkette? | |
| Das herauszufinden ist wohl nicht mehr möglich. Denn dieser Josef S., 101 | |
| Jahre alt, sagt dazu nichts in der zum Gerichtsaal umgebauten Sporthalle am | |
| Rande von Brandenburg an der Havel. Dort ist S. vor dem Landgericht | |
| Neuruppin der Beihilfe zum Mord angeklagt, begangen an mindestens 3.518 | |
| Menschen. Das Gericht tagt in der Stadt Brandenburg, damit der Angeklagte | |
| es nicht so weit von seinem Wohnort bis zu seinem Prozess hat. Josef S. Ist | |
| nur eingeschränkt verhandlungsfähig. | |
| ## „Teil des Tötungsräderwerks“ | |
| Der Vorwurf lautet, dass S. in den Jahren von 1941/42 bis 1945 im | |
| Konzentrationslager Sachsenhausen bei Berlin als Wachmann in einer | |
| SS-Totenkopfkompanie Dienst geleistet hat. Er sei „Teil des | |
| Tötungsräderwerks gewesen“, wirft ihm Oberstaatsanwalt Cyrill Klement | |
| [2][am ersten Tag der Hauptverhandlung] vor. Der mit einem Rollator | |
| erschienene Angeklagte, Kopfhörer über den Ohren, doch wach und | |
| interessiert, mochte sich dazu nicht äußern. | |
| Das war im Oktober vergangenen Jahres. Seitdem sind viele Zeugen | |
| aufgetreten, darunter Überlebende, die, über Video in den Gerichtssaal | |
| zugeschaltet, ihre Qualen im KZ geschildert haben. Der Historiker | |
| [3][Stefan Hördler] hat ein umfangreiches Gutachten abgegeben. Josef S. | |
| wird inzwischen im Rollstuhl in den Saal gefahren. | |
| Am Dienstag soll in dem Verfahren nach einigen Verzögerungen infolge von | |
| Erkrankungen des Angeklagten das Urteil gesprochen werden. Oberstaatsanwalt | |
| Cyrill Klement fordert [4][fünf Jahre Haft] und nennt S. einen „willigen | |
| Vollstrecker“. Der Anwalt der Nebenkläger Thomas Walther verlangt eine | |
| mehrjährige Haft. Ein Strafmaß unter fünf Jahren könne seinen Mandanten – | |
| Überlebende und deren Angehörige – nur „mit großer, großer Mühe vermit… | |
| werden“, sagt er. | |
| Die Verteidigung hingegen plädiert auf Freispruch. an diesem Montag. Dem | |
| 101-Jährigen hätten im Prozess keine konkreten Taten der Beihilfe zum Mord | |
| an Tausenden Lagerhäftlingen nachgewiesen werden können, sagte Verteidiger | |
| Stefan Waterkamp am Montag in seinem Plädoyer. | |
| Aber warum findet dieses Verfahren erst heute, 77 Jahre nach der | |
| mutmaßlichen Tat statt? Und wer ist dieser Josef S., der bis vor Kurzem | |
| noch ein ruhiges Leben in der deutschen Provinz führen durfte? | |
| S. ist im litauischen Mariampol aufgewachsen, als Angehöriger der deutschen | |
| Minderheit. Man erkennt das noch, wenn der Angeklagte in einen weichen | |
| Singsang mit einem Akzent ähnlich des Ostpreußischen spricht. Er war das, | |
| was die Nationalsozialisten „Volksdeutsche“ nannten, Menschen, die als | |
| „wertvoll“ für den deutschen „Volkskörper“ galten. So kam er nach | |
| Deutschland. | |
| Genaue Zahlen über die im KZ Sachsenhausen eingesetzten „Volksdeutschen“ | |
| „liegen uns nicht vor“, sagt Astrid Ley von der Gedenkstätte. Sicher ist, | |
| dass es sie gab. Wohl aber weiß man um die Zahl der Wachmänner, die das | |
| riesige Gelände sicherten: Es waren bis zu 3.000. | |
| Weil viele der „Volksdeutschen“ nur geringe Kenntnisse der deutschen | |
| Sprache besaßen, produzierte die SS ein Bilderbuch für sie. Es trägt den | |
| Namen „Falsch – Richtig“ und beschreibt anhand von Zeichnungen, wie sich | |
| die Wachposten gegenüber den Gefangenen zu verhalten hatten. Auf einer | |
| Seite ist oben zu sehen, wie sich zwei SS-Männer abgewandt von den | |
| arbeitenden Häftlingen miteinander unterhalten. Das ist „falsch“. Auf der | |
| unteren Zeichnung erkennt man, wie man es „richtig“ machte: Einer der | |
| Wachposten zieht gerade seine Pistole, während der andere die drei | |
| abgebildeten fluchtbereiten Gefangenen in ihrer gestreiften | |
| Häftlingskleidung mit einem Gewehr erschießt. | |
| Über Jahrzehnte hinweg konnten Männer wie Josef S. unbehelligt durch die | |
| Maschen der bundesdeutschen Justiz schlüpfen. Diese waren weit geknüpft, | |
| denn verurteilt konnte nur werden, wem ein individuelles Tötungsverbrechen | |
| nachgewiesen werden konnte. Doch gerade bei den SS-Wachmännern in den | |
| Konzentrationslagern war das so gut wie unmöglich: Wer unter den | |
| Überlebenden war schon in der Lage, Tausende einheitlich in Uniform | |
| gekleidete Männer, mit denen kaum ein direkter Kontakt bestand, voneinander | |
| zu unterscheiden und denjenigen zu identifizieren, der einen oder mehrere | |
| Häftlinge ermordet hatte? | |
| Und auch in der DDR, diesem angeblich antifaschistischen Staat, war das | |
| Interesse an der Strafverfolgung dieser Männer gering ausgeprägt. S. ist | |
| [5][nicht der Einzige], bei dem die Staatssicherheit Kenntnis über seine | |
| Vergangenheit hatte und doch nichts geschah. | |
| ## Im Greisenalter vor Gericht | |
| Erst seit gut zehn Jahren hat sich das [6][Rechtsverständnis gewandelt]. | |
| Seitdem kann auch abgeurteilt werden, wer durch seine Tätigkeit in einem | |
| Nazi-Lager wissentlich dazu beigetragen hat, die Tötungsmaschine am Laufen | |
| zu halten. Und deshalb steht Josef S., der ehemalige Schlosser aus | |
| Brandenburg in der DDR, erst jetzt und im Greisenalter vor Gericht. S. ist | |
| der älteste Angeklagte, der in einem NS-Prozess jemals vor Gericht stand. | |
| Und es ist zugleich das erste Verfahren gegen einen einfachen SS-Wachmann | |
| von Sachsenhausen überhaupt, sagt Gedenkstättenleiterin Ley. | |
| Dort war der Tod ein allgegenwärtiger Begleiter. Gutachter Hördler hat in | |
| dem Verfahren detailliert dargelegt, welche Verhältnisse in dem KZ | |
| vorlagen. Da waren der ständige Hunger, die völlig unzureichenden | |
| hygienischen Verhältnisse, die brutalen Strafen, die extreme Überbelegung, | |
| die individuellen Morde. Hördler hat beschrieben, bei welchen Aktion dort | |
| hunderte, ja tausende Menschen erschossen wurden, so geschehen etwa Ende | |
| 1941 an sowjetischen Kriegsgefangenen. | |
| Dazu hatte die SS dort eine Mordmaschine mit dem Namen „Genickschussanlage“ | |
| installiert, wo die Gefangenen von in weißen Ärztekitteln getarnten Männern | |
| in Empfang genommen wurden, um vorgeblich ihre Körpergröße zu messen. Doch | |
| hinter einem Schlitz in der Wand lauerten andere SS-Männer, die den | |
| ahnungslosen Menschen in den Hinterkopf schossen. Im KZ Sachsenhausen waren | |
| zwischen 1936 und 1945 mehr als 200.000 Menschen inhaftiert. Zehntausende | |
| kamen ums Leben. | |
| Die SS-Wachtruppe, der Josef S. laut Anklage angehörte, „hat an allen | |
| großen Erschießungskommandos in Sachsenhausen mitgewirkt“, sagt Astrid Ley. | |
| In der Schlussphase kurz vor Kriegsende, als die SS körperlich geschwächte | |
| Gefangene loswerden wollte, sei die Wachtruppe aktiv an der Ermordung der | |
| „Marschunfähigen“ beteiligt gewesen. | |
| Und, ja, sagt Ley, die Wachmänner hätten sich ihrer mörderischen Tätigkeit | |
| entziehen können, wenn sie es denn gewollt hätten – allerdings mit dem | |
| Risiko eines Fronteinsatzes. „Man konnte sagen, das möchte ich nicht | |
| machen“, sagt sie über die Beteiligung an Erschießungen. Es gebe in | |
| Sachsenhausen dokumentierte Fälle, in denen sich solche Männer versetzen | |
| ließen. Einer von ihnen war danach bei der Wachhunde-Ausbildung eingesetzt. | |
| Von Josef S. Ist kein Versetzungsgesuch bekannt. | |
| ## Die Version des Angeklagten | |
| Der Angeklagte hat die Angaben des Gutachters in seinem Prozess nicht | |
| bestritten. Er hat überhaupt nichts dazu gesagt. Denn nach seiner Erzählung | |
| hat er mit den Taten im KZ nichts zu tun. Er sei nämlich niemals dort | |
| gewesen. | |
| Es ist Anfang Dezember, als sich Josef S., wie von seinem Verteidiger | |
| angekündigt, endlich dazu entschließt, [7][persönliche Angaben] zu seinem | |
| Leben zu machen. Er berichtet von einem Umsiedlungslager nach seiner | |
| Ankunft in Deutschland und von der Arbeit in einer Fabrik. Später will er | |
| bei zwei verschiedenen Bauernhöfen als Arbeiter tätig gewesen sein, zuletzt | |
| in Pasewalk, bevor er kurz vor Kriegsende zum Fronteinsatz befohlen wurde. | |
| Aber dort in Kolberg habe er als Zivilarbeiter nur Schützengräben | |
| ausgehoben und noch nicht einmal eine Waffe erhalten. | |
| Dann beginnt S. sich zu verheddern, verwechselt seine Zeit als Soldat bei | |
| der litauischen Armee vor seiner Umsiedlung mit dem angeblichen Dienst bei | |
| Kolberg bei Kriegsende. | |
| Dazu bemerkte der in dem Verfahren stets souverän auftretende Richter Udo | |
| Lechtermann: „Ich habe ganz erhebliche Schwierigkeiten, Ihnen zu glauben, | |
| was Sie hier erzählen.“ | |
| Denn dem Gericht liegen umfangreiche Indizien für Josef S.’ Tätigkeit als | |
| Wachmann in Sachsenhausen vor. Dazu zählen Dokumente mit den Listen von | |
| unterschiedlichen SS-Kompanien, in denen sein Name, versehen mit seinem | |
| Geburtsdatum und -Ort, genannt wird. Zuletzt, ab 1944, war S. demnach im | |
| Rang eines Rottenführers eingesetzt, dem höchsten Mannschaftsgrad in der | |
| SS, wurde also sogar befördert. Es gibt Schreiben der | |
| Einwandererzentralstelle. In einem Schreiben des Vaters des Angeklagten | |
| heißt es, der Sohn sei bei der SS in Oranienburg tätig. | |
| Richter Lechtermann verweist auch auf einen offenbar vom Angeklagten | |
| handschriftlich verfassten Lebenslauf, in dem dieser im Jahr 1985 auf | |
| Bitten der Rentenversicherung angibt, vom September 1940 bis zum Mai 1945 | |
| „Wehr- und Kriegsdienst“ geleistet zu haben – also keineswegs auf | |
| Bauernhöfen gearbeitet zu haben. Und schließlich existiert ein Foto, bei | |
| dem eine Gutachterin 101 Merkmale feststellte, die auf eine Übereinstimmung | |
| mit dem Angeklagten hinweisen. | |
| Aber Josef S. bleibt bei seiner Darstellung und reiht sich damit in die | |
| lange Reihe der NS-Täter ein, die nach dem Krieg bis zum Schluss ihrer | |
| Prozesse all ihre Verantwortlichkeiten geleugnet haben. In seinem | |
| Strafantrag kommt der Staatsanwalt Mitte Mai darauf zurück: „Sie haben | |
| einfach weggeguckt. Sie haben es verdrängt“, sagt Klement. Der Angeklagte | |
| habe eine „Wahr-Lügen-Entwicklung“ hinter sich. Es bestehe „kein Zweifel… | |
| daran, dass Josef S. SS-Wachmann in Sachsenhausen gewesen sei: „Das alles | |
| ist keine Theorie, das sind Fakten.“ | |
| Bei dem in der Sporthalle zu Brandenburg laufenden Prozess handelt es sich | |
| um ein Strafverfahren. Doch es geht, das machen die als Zeugen auftretenden | |
| Überlebenden und der Gutachter ebenso deutlich wie ungewollt die | |
| Einlassungen des Angeklagten zu seiner angeblichen Unschuld, auch um die | |
| historische Wahrheit, um Schuld und Verantwortung. Indem die bundesdeutsche | |
| Justiz einen Fall von mutmaßlicher Beihilfe zum Massenmord aufzuklären | |
| versucht, ist sie zwangsläufig auch damit betraut, ein furchtbares Kapitel | |
| deutscher Geschichte zu untersuchen und zu bewerten. Und das erscheint auch | |
| heute noch bitter notwendig, wie das Verfahren selbst gezeigt hat. | |
| Am allerersten Prozesstag im Oktober vergangenen Jahres, als | |
| Oberstaatsanwalt Klement seine Anklage vorträgt, steht nicht nur der | |
| Angeklagte im Mittelpunkt. Nahe an einer der Wände der Sporthalle, etwa 30 | |
| Meter von Josef S. entfernt, sitzt ein schmaler Mann in Anzug und Krawatte | |
| in einem Rollstuhl. Die Reporter umringen ihn kurz vor dem | |
| Verfahrensbeginn, gehen in die Knie, um seine Stimme zu hören. | |
| ## Leon Schwarzbaum, der posthume Zeuge | |
| Es ist [8][Leon Schwarzbaum]. Er ist nur drei Monate jünger als Josef S., | |
| geboren 1921 in Hamburg. Als Jude wurde er 1943 nach Auschwitz deportiert. | |
| Schwarzbaum überlebte dort als Zwangsarbeiter bei Siemens, seine Eltern | |
| wurden ermordet. Er überlebte auch den Todesmarsch nach Gleiwitz, kam nach | |
| Haselhorst, einem Außenlager von Sachsenhausen, wurde nach Sachsenhausen | |
| getrieben und schließlich, die Alliierten näherten sich dem Lager, auf | |
| einem erneuten Todesmarsch nach Nordwesten. Dann befreiten ihn die | |
| einrückenden Amerikaner. | |
| Schwarzbaum hat sich später in Berlin niedergelassen und wurde | |
| Antiquitätenhändler. Aber die Nazi-Verfolgung hat ihn niemals losgelassen. | |
| Er hat in Schulen gesprochen und ist 2016 im Prozess gegen [9][Reinhold | |
| Hanning, SS-Wachmann] in Auschwitz, aufgetreten. Eine Nebenklage im | |
| Verfahren gegen Josef S. war nicht möglich, weil dieser kurz vor | |
| Schwarzbaums Deportation nach Sachsenhausen zur Front abkommandiert worden | |
| war. Aber Schwarzbaum will zu einem späteren Zeitpunkt als Zeuge auftreten. | |
| Und jetzt ist er hier. | |
| Am Mittag, der Angeklagte hat über seinen Verteidiger ausrichten lassen, | |
| dass er sich vorläufig nicht äußern werde, ist Leon Schwarzbaum enttäuscht: | |
| „Ich habe mir etwas anderes vorgestellt“, sagt er. „Da war kein Wort der | |
| Entschuldigung, kein Wort der Erklärung.“ | |
| Leon Schwarzbaums Aussage vor Gericht ist da zu einem späteren Zeitpunkt | |
| vorgesehen. Doch dazu kommt es nicht mehr. Er stirbt, 101 Jahre alt, am 13. | |
| März 2022, ohne eine Antwort auf seine Frage nach dem Warum vom Angeklagten | |
| erhalten zu haben. | |
| Fünf Tage später kommt es in der Sporthalle am Rande von Brandenburg an der | |
| Havel zu einer außergewöhnlichen Aussage. Richter Udo Lechtermann hat | |
| zugelassen, dass Schwarzbaums Rechtsanwalt Thomas Walther dessen Erklärung | |
| posthum verlesen darf. | |
| Und Leon Schwarzbaum beginnt durch Walther zu sprechen. Er berichtet von | |
| einer Leidenszeit im Nationalsozialismus, von den Lagern, den Ermordeten, | |
| während Josef S. zur gleichen Zeit bei der SS in Sachsenhausen gewesen sei. | |
| Und Schwarzbaum sagt: „Herr Josef S., ich appelliere an Sie – hier in | |
| Brandenburg Ihre Leugnungen und Verdrängungen aufzugeben, noch ist der | |
| Prozess nicht zu Ende. Ihr Kopf wird voll sein mit Bildern und Erlebnissen | |
| aus der Zeit. Ich bin mir ganz sicher. Wir beide sind uns in Sachsenhausen | |
| nicht begegnet, wir haben uns nur wenige Wochen verpasst. Wir sind beide | |
| 101 Jahre – und wir stehen bald vor dem höchsten Richter. Ich möchte Sie | |
| auffordern, uns die historische Wahrheit zu erzählen. Sprechen Sie hier an | |
| diesem Ort über das, was Sie erlebt haben – so wie ich es für meine Seite | |
| tue.“ | |
| Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass Leon Schwarzbaums Wunsch in | |
| Erfüllung gehen wird. Aber noch steht das Schlusswort des Angeklagten aus. | |
| 27 Jun 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.sachsenhausen-sbg.de/ | |
| [2] /Prozess-gegen-SS-Wachmann/!5806904 | |
| [3] http://www.stefanhoerdler.de/index.php?content=news | |
| [4] /Prozess-gegen-mutmasslichen-KZ-Waerter/!5852170 | |
| [5] /Auschwitz-Prozess-in-Neubrandenburg/!5277385 | |
| [6] /BGH-Urteil-zu-ehemaligem-SS-Mann/!5357723 | |
| [7] /Prozess-gegen-SS-Wachmann/!5816039 | |
| [8] /Mein-Kriegsende-1945/!5682510 | |
| [9] /Auschwitz-Prozess-in-Detmold/!5296618 | |
| ## AUTOREN | |
| Klaus Hillenbrand | |
| ## TAGS | |
| Justiz | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| Schwerpunkt Nationalsozialismus | |
| Sachsenhausen | |
| GNS | |
| Schwerpunkt Nationalsozialismus | |
| IG | |
| KZ Stutthof | |
| Deportation | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| Geschichtsaufarbeitung | |
| Konzentrationslager | |
| Kriegsverbrecherprozess | |
| KZ Stutthof | |
| Shoa | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| NS-Verbrecher Alois Brunner: Der effiziente Massenmörder | |
| Deportieren war sein Beruf: Die furchtbare Karriere des österreichischen | |
| SS-Manns Alois Brunner. | |
| Verfassungsschutz hielt NS-Akten zurück: Quellenschutz für NS-Schergen | |
| Jahrzehntelang hielt der Verfassungsschutz eine Akte zum flüchtigen | |
| NS-Verbrecher Alois Brunner unter Verschluss. Der taz liegt sie nun vor. | |
| Prozess gegen frühere KZ-Sekretärin: Bewährungsstrafe gefordert | |
| Über ein Jahr läuft die Verhandlung gegen eine 97-jährige ehemalige | |
| KZ-Sekretärin. Nun forderte die Staatsanwaltschaft eine | |
| Jugend-Bewährungsstrafe. | |
| Abschiebeflüge mit Touristik-Konzern: All-inclusive-Abschiebungen | |
| Für die Bundesregierung organsierte der Konzern DER Deutsches Reisebüro | |
| Abschiebungen von Geflüchteten. Das hat bei dem Unternehmen schon | |
| Tradition. | |
| Judenverfolgung in der Nazi-Zeit: Widerstand in Uniform | |
| 18. Juli 1942 im französischen Nancy: Alle Juden sollen verhaftet werden. | |
| Doch sieben Polizisten machen nicht mit, sie warnen die Menschen | |
| frühzeitig. | |
| Urteil gegen KZ-Wachmann in Sachsenhausen: Fünf Jahre Haft | |
| Der 101-jährige Angeklagte ist wegen Beihilfe zum Mord im KZ Sachsenhausen | |
| zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Er bleibt zunächst auf freiem Fuß. | |
| Prozess gegen mutmaßlichen KZ-Wachmann: Verteidigung fordert Freispruch | |
| Im NS-Prozess gegen einen mutmaßlichen früheren Wachmann des KZ | |
| Sachsenhausen plädiert die Verteidigung auf Freispruch. Die | |
| Staatsanwaltschaft forderte fünf Jahre Haft. | |
| Prozess gegen mutmaßlichen KZ-Wärter: „Williger Vollstrecker““ | |
| Die Staatsanwaltschaft fordert fünf Jahre Haft für den mutmaßlichen | |
| KZ-Wachmann Josef S. Für sie ist erwiesen, dass er in Sachsenhausen Dienst | |
| tat. | |
| Prozess um Massenmord in KZ Stutthof: Das Schweigen der KZ-Sekretärin | |
| Im Prozess wegen Beihilfe zum Massenmord im KZ Stutthof nimmt die | |
| Angeklagte ehemalige Sekretärin Zeugenberichte regungslos zur Kenntnis. | |
| Nachruf auf Auschwitz-Überlebenden: Die zwei Leben des Justin Sonder | |
| Justin Sonder sagte, er sei zweimal geboren worden. Einmal 1925 in Chemnitz | |
| und dann 1945 in Bayern, wo er von der US-Armee befreit worden ist. |