Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Berliner SPD und die Enteignungs-Initiative: Das S steht für S…
> Die Berliner SPD sabotiert das Volksbegehren Deutsche Wohnen enteignen.
> Die Enteignungskommission arbeitet nicht wie abgesprochen.
Bild: Davon entsteht keine neue Wohnung: Posing
Kaum jemanden lässt die SPD so zuverlässig im Stich wie die Mieter*innen.
In Berlin gehen die Sozialdemokraten sogar noch einen Schritt weiter: Hier
sabotieren sie aktiv seit Längerem das [1][erfolgreiche Volksbegehren
Deutsche Wohnen und Co. enteignen]. Die Vorsitzende der
Enteignungskommission, Herta Däubler-Gmelin (SPD), [2][pfeift offenbar auf
beschlossene Kompromisse], will Sitzungen geheim durchführen und die
Initiative so gut es geht raushalten.
Die ehemalige Bundesjustizministerin will lieber über Alternativen zur
Vergesellschaftung reden und in dem Gremium selbst mit abstimmen, obwohl
das Gegenteil vereinbart war. Einschreiten dagegen müsste
Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (auch SPD). Dass er das nicht
machen wird, ist absehbar.
In historischer Perspektive könnte man mittlerweile denken, das S in SPD
stehe für Sabotage. Nachdem die SPD (zusammen mit der Linken) in den 2000er
Jahren unter Finanzsenator Thilo Sarrazin öffentliche Wohnungen und
Sozialbauten reihenweise verscherbelt und dabei nebenbei heutige
Aktienunternehmen wie Vonovia aufgeblasen hat, verhinderte die Partei
jahrelang im Bund zusammen mit der CDU wirksamen Schutz vor
Mietpreissteigerungen.
In Berlin kümmerte sich der ehemals für Inneres und mittlerweile für
Stadtentwicklung und Bauen zuständige Senator Geisel darum, die
Rechtsprüfung des Volksbegehrens Deutsche Wohnen und Co. enteignen
möglichst lange hinauszuzögern. Die juristisch nicht allzu strittige Frage,
ob das Volksbegehren zulässig sei, bestätigte die Behörde [3][erst nach
unfassbaren 441 Tagen] – und einer Klage der Initiative.
Das Ergebnis: Auch wenn es noch nie gemacht wurde, ist das Anliegen des
Volksbegehrens – Enteignungen von Wohnraum gegen Entschädigungen –
rechtlich zulässig. Das sieht das Grundgesetz ausdrücklich vor. Dabei
dauert das Lesen des [4][Artikels 15] gar keine 441 Tage: „Grund und Boden,
Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung
durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in
Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt
werden.“
## Populismus und Baufilz
Nachdem die SPD das Volksbegehren nicht auf rechtlichem Wege verhindern
konnte, sorgte sie im Wahlkampf für größtmögliche [5][Augenwischerei mit
Quatschargumenten]: „Davon entsteht keine einzige Wohnung“, war 2021 das
Wahlkampf-Mantra von SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey.
Was sie nicht gesagt hat: Von Populismus entsteht auch keine einzige neue
Wohnung. Das Argument geht am Kern vorbei, wenn es darum geht, die
Preisspirale und Verdrängung zu stoppen – auch wenn es parallel natürlich
Neubau von sozialem Wohnraum braucht.
Giffey und die SPD wollen wie in besten Baufilz-Zeiten auf ein Bündnis und
auf Dialog mit der Immobilienlobby setzen – Selbstverpflichtungen der
Immobilienwirtschaft hätten ja schon immer gut funktioniert. Ebenso
kündigte Giffey im Wahlkampf an, dass es [6][Enteignungen mit ihr nicht
geben werde]. Die nun Regierende Bürgermeisterin erhielt 390.000 Stimmen,
für Vergesellschaftung stimmten 1.035.950 der knapp 1,8 Millionen
Wählenden.
## Das Spiel auf Zeit geht weiter
Nach dem erfolgreichen Volksentscheid spielt Giffey wie zuvor Andreas
Geisel auf Zeit. Die Regierende versuchte das Thema in der
Enteignungskommission zu versenken, die dem Auftrag nach zwar zunächst den
Anschein erweckte, das Thema ernst zu nehmen, sich aber nun zunehmend als
das entpuppt, was immer befürchtet wurde: Die Sabotage eines erfolgreichen
Volksbegehrens, das nach gescheitertem Mietendeckel, scheinbar
unaufhaltsamer Verdrängung, nicht mehr vorhandenem bezahlbaren Wohnraum und
nicht greifender Regulierung auf dem Wohnungsmarkt die letzte Hoffnung von
Berlins Mieter*innen ist.
Es soll regeln, was schon längst geregelt gehört hätte: Die Vertreibung
privater Wohnkonzerne und Aktiengesellschaften, die anderer Leute
Lebensgrundlage nutzen, um Renditen für ihre ohnehin zu reichen
Anteilseigner zu erzielen.
Die SPD aber will offenbar weiter dafür sorgen, dass dies so bleibt. Und
dann beschwert sich der werteflexible SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert
noch darüber, ein Jahr lang vergeblich eine Wohnung in Berlin gesucht zu
haben – trotz mehr als 10.000 Euro Monatsgehalt und gutem Netzwerk. Kühnert
hatte mal selbst für das Volksbegehren für Vergesellschaftung geworben,
sich das dann aber auf dem Weg zu höheren Aufgaben in der SPD anders
überlegt.
Dass aber ewiges Spiel auf Zeit und Sabotage dabei helfen, das Volksbehren
möglichst geräuschlos abzuwickeln, kann sich Franziska Giffey abschreiben
[7][wie ihre Uni-Abschlussarbeiten]. Berlins Mieter*innen werden nicht
vergessen, wofür sie gestimmt haben. Und sich das hoffentlich nicht bieten
lassen.
21 May 2022
## LINKS
[1] /Deutsche-Wohnen-und-Co-enteignen/!t5562213
[2] /Enteignungs-Kommission-in-Berlin/!5852189
[3] /Deutsche-Wohnen--Co-enteignen-zulaessig/!5709972
[4] https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_15.html
[5] /Volksbegehren-fuer-Vergesellschaftung/!5750674
[6] https://www.tagesspiegel.de/berlin/das-ende-von-rot-rot-gruen-in-berlin-gif…
[7] /SPD-Spitzenkandidatin-in-Berlin/!5794845
## AUTOREN
Gareth Joswig
## TAGS
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Berlin
Deutsche Wohnen & Co enteignen
SPD Berlin
Deutsche Wohnen & Co enteignen
SPD Berlin
Deutsche Wohnen & Co enteignen
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Wohnungspolitik
Franziska Giffey
Deutsche Wohnen & Co enteignen
Berlin
Enteignungskommission
Berlin
Berlin
Berlin
## ARTIKEL ZUM THEMA
Einblick in die Enteignungskommission: Trotzki contra Geisel
Die Expertenkommission zur Enteignung hat nun eine Website. Dem
revolutionären Charakter wird sie nicht gerecht, doch die Protokolle sind
interessant.
Parteitag in Berlin: Die SPD bleibt unberechenbar
Die Wahlschlappe der Parteichef*innen Giffey und Saleh stellt die
Berliner SPD vor ein grundlegendes Problem: Was will sie eigentlich?
Enteignungskommission: Kommission startet öffentlich
Mit einer Anhörung zum Wohnungsmarkt startet die Arbeit. Nach großer Kritik
soll am Freitag eine neue Geschäftsordnung verabschiedet werden.
Politisches Versagen und Mietenwahnsinn: Bitte nicht, liebe Konzerne
Politiker glauben an die Verantwortung von renditegetriebenen
Wohnungskonzernen. Während sie auf freiwilligen Verzicht hoffen, erhöhen
diese die Mieten.
Wohnungspolitik in Berlin: Kritik an Giffey von allen Seiten
Der Vorschlag der Regierenden Bürgermeisterin, Mieten an Einkommen zu
koppeln und zu deckeln, sorgt für Unverständnis und Ratlosigkeit.
Mietenpolitik der Berliner SPD: Der Markt wird es nicht regeln
In der Mietenpolitik versucht die SPD krampfhaft, die Enteignungs-Bewegung
zu blockieren. Das schadet ihr, der Koalition – und den Mieter*innen.
Streit um Enteignungskommission: Geisel bleibt hart
Der Stadtentwicklungssenator stellt sich hinter Kommissionchefin
Däubler-Gmelin und besteht nicht auf voller Transparenz. Die Jusos
widersprechen.
Expertenkommission zur Enteignung: Die Kritik wird lauter
Die Initiative DW Enteignen fordert: Der Senat soll die Vorsitzende der
Enteignungskommission Däubler-Gmelin zu Transparenz und Zurückhaltung
bewegen.
Linke zur Enteignungskommission: Keine Freifahrt für Däubler-Gmelin
Die Enteignungskommission will politische Vorgaben unterlaufen. Die Linke
übt Kritik an der Vorsitzenden und drängt im Senat auf eine Klärung.
Enteignungs-Kommission in Berlin: Sabotage für Fortgeschrittene
Kommissionschefin Däubler-Gmelin hält sich nicht an Vorgaben: Das Gremium
soll nicht öffentlich tagen und über Mietenprobleme statt Enteignung reden.
Enteignungs-Kommission in Berlin: „So öffentlich wie möglich“
Die Expert*innen-Kommission tagt zum ersten Mal. Als nächstes sind eine
Anhörung und eine Webseite geplant.
Enteignungs-Kommission in Berlin: Zum Mittanzen gezwungen
Nicht wirklich froh gestimmt, trotzdem: Deutsche Wohnen & Co enteignen
beteiligt sich an Kommission, die die Umsetzung des Volksentscheids prüfen
soll.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.