# taz.de -- Enteignungs-Kommission in Berlin: Sabotage für Fortgeschrittene | |
> Kommissionschefin Däubler-Gmelin hält sich nicht an Vorgaben: Das Gremium | |
> soll nicht öffentlich tagen und über Mietenprobleme statt Enteignung | |
> reden. | |
Bild: Eine Kommission nach ihren Regeln? Däubler-Gmelin in der ersten Sitzung | |
Berlin taz | Die [1][Expertenkommission zum Volksentscheid Deutsche Wohnen | |
& Co enteignen] befindet sich in einer Legitimationskrise, noch bevor sie | |
am 9. und 10. Juni zu ihrer ersten inhaltlichen Sitzung zusammenkommt. | |
Infrage stehen gleich mehrere Grundsätze ihrer Arbeit, die zuvor mühsam in | |
der rot-grün-roten Koalition und mit der Initiative ausgehandelt wurden. | |
In der Kritik steht insbesondere die Vorsitzende und ehemalige | |
SPD-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin. Das Gremium sollte nach dem | |
erfolgreichen Volksentscheid für die Vergesellschaftung von privaten | |
Wohnungskonzernen über die Machbarkeit und mögliche Umsetzung beraten. | |
Laut einem von Däubler-Gmelin vorgelegten Entwurf der Geschäftsordnung soll | |
die Kommission ihre monatlichen Sitzungen unter Ausschluss der | |
Öffentlichkeit abhalten. Ausnahmen soll es nur bei Anhörungen wie der | |
kommenden Sitzung geben oder wenn die Mehrheit der Mitglieder dies für eine | |
einzelne Sitzung beschließt. Der Mehrheitswille der Berliner:innen soll | |
demnach grundsätzlich wie eine Geheimsache behandelt werden, statt in | |
größtmöglicher Transparenz. | |
Bei ihrer [2][konstituierenden Sitzung Ende April] war es nach | |
taz-Informationen unter den zwölf Kommissionsmitgliedern zum Streit über | |
die Geschäftsordnung gekommen. Am Ende setzten sich, ohne förmlichen | |
Beschluss, die Vorsitzende und die Mitglieder durch, die Treffen nicht | |
öffentlich abhalten wollen. Ebenso wurde das Begehren der Initiative, | |
zumindest ohne Rederecht an den Treffen teilnehmen zu dürfen, abgelehnt. | |
Das geplante Vorgehen verstößt damit gegen den Einsetzungsbeschluss des | |
Senats. Darin hieß es: „Die Kommission gestaltet ihre Arbeit im Grundsatz | |
öffentlich, damit die Prozesse transparent sind und die Ergebnisse hohe | |
öffentliche Akzeptanz finden können.“ Laut Stephan Junker, Pressesprecher | |
des Volksbegehrens, wird dieser vereinbarte Grundsatz nun „ins Gegenteil | |
verkehrt“. | |
Junker kritisiert zudem, dass die Geschäftsstelle der Kommission der | |
Initiative Sitzungsunterlagen vorenthalte, wohl auf Weisung | |
Däubler-Gmelins. Dabei sind im Senatsbeschluss ihre | |
„Informationsinteressen“ festgehalten. Niklas Schenker, mietenpolitischer | |
Sprecher der Linken, spricht von einer „Missachtung des Senatsbeschlusses“. | |
Die Festlegung auf nichtöffentliche Sitzungen würden diesen „überdehnen“. | |
## Däubler-Gmelin will mitstimmen | |
Doch die Probleme sind noch größer: Däubler-Gmelin soll in mehreren | |
Gesprächen unter anderem mit der Initiative angekündigt haben, von ihrem | |
Stimmrecht Gebrauch machen zu wollen. Dabei war die politische Verabredung | |
eine andere: Die Kommission wurde zwischen den Parteien und der Initiative | |
viertelparitätisch besetzt. | |
Wenn Däubler-Gmelin nicht wie vereinbart nur Vorsitzende ist, die „gerecht | |
und unparteiisch“ leitet, sondern sich selbst an Abstimmungen beteiligt, | |
stellen die drei vom Volksbegehren ernannten Mitglieder weniger als die | |
versprochenen 25 Prozent; auch drohen Mehrheitsverhältnisse zugunsten jener | |
Expert:innen zu kippen, [3][die Vergesellschaftung wenig aufgeschlossen | |
gegenüberstehen]. | |
Das tut ganz offensichtlich auch die Vorsitzende selbst. Mehrmals habe | |
diese betont, so berichten es Junker und Schenker, vor allem auch über | |
Alternativen zur Vergesellschaftung diskutieren zu wollen. Dass in der | |
nächsten Sitzung eine allgemeine Anhörung zum Wohnungsmarkt geplant ist, zu | |
dem auch das der Immobilienlobby zuzurechnende Forschungsinstitut Empirica | |
geladen ist, befeuert diese Angst auch unter Kommissionsmitgliedern. Junker | |
sagt: „Däubler-Gmelin hat ihre Rolle noch nicht gefunden.“ | |
Noch deutlicher wird Niklas Schenker: „Es kann nicht sein, dass die | |
Kommission, erst recht nicht eine einzelne Vorsitzende, von den politisch | |
festgelegten Rahmenbedingungen für die Kommissionsarbeit abweicht.“ Die | |
Punkte, die gegen den Koalitionsbeschluss verstießen, müssten noch vor der | |
nächsten Sitzung geklärt werden. Gespräche dazu liefen schon, so Schenker, | |
gleichwohl müsse nun Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) | |
einschreiten. | |
Ob jedoch Geisel, der selbst keinen Grund für Vergesellschaftungen sieht, | |
seine Parteigenossin an den Auftrag der Kommission erinnert, ist fraglich: | |
Auf Anfrage erklärte sein Sprecher, „über ihre Arbeitsweise und die | |
Geschäftsordnung entscheidet die Kommission eigenständig und unabhängig“. | |
Von Seiten des Senats sei dies „nicht zu bewerten“. Herta Däubler-Gmelin | |
hat Fragen der taz aus Termingründen nicht beantwortet. | |
20 May 2022 | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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