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# taz.de -- Politisches Versagen und Mietenwahnsinn: Bitte nicht, liebe Konzerne
> Politiker glauben an die Verantwortung von renditegetriebenen
> Wohnungskonzernen. Während sie auf freiwilligen Verzicht hoffen, erhöhen
> diese die Mieten.
Bild: Es wird höchste Zeit
1,7 Milliarden Euro Gewinn hat Deutschlands – und auch Berlins – größter
Vermieter Vonovia im vergangenen Jahr erzielt. Das freute insbesondere die
Aktionäre, die sich über eine Rekorddividende von insgesamt fast 1,3
Milliarden Euro freuen konnten. Umgerechnet auf die 565.000 Wohnungen, die
der Konzern besitzt, zahlte jede:r Mieter:in monatlich 190 Euro direkt
an die Aktionäre. Quasi zum Dank hat der Konzern nun [1][Mieterhöhungen in
Aussicht] gestellt.
Begründet hat Vonovia-Chef Rolf Buch das Vorhaben mit der Inflation. Liege
diese „dauerhaft bei vier Prozent“ – momentan ist es etwa doppelt so viel…
„müssen Mieten dementsprechend ansteigen“, so Buch. Angesichts dessen, dass
die derzeit besonders erhöhten und preistreibenden Energiepreise aber
direkt an die Mieter:innen weitergereicht werden, genauso wie höhere
Wartungskosten oder eventuell steigende Lohnkosten für Hausmeister:innen,
also angesichts dessen, dass Vonovia selbst von der Inflation kaum
betroffen ist, ist Buchs Aussage schlicht gelogen.
Die Mieten müssen nicht wegen der Inflation steigen, sondern werden
angehoben einzig aufgrund des Strebens des Konzerns nach Maximalprofit –
wie es einem Börsenunternehmen inhärent ist. Man kann das mit einem
Schulterzucken quittieren oder als Beweis dafür sehen, dass wichtige
Lebensbereiche nicht dem Kapitalismus überlassen werden dürfen. Aber den
Fakt, den sollte man akzeptieren.
Große Teile der Politik tun das nicht – und hängen der Illusion an, man
könne Aktienkonzerne durch freundliches Zureden dazu bewegen, freiwillig
auf ihre Gewinne zu verzichten: Als sei ein gutes Herz an der
Unternehmensspitze wichtiger als die Gewinnerwartungen der Aktionäre.
## Der gute CEO
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, in jungen Jahren einmal Freund von
Vergesellschaftungen, [2][fabuliert allen Ernstes von der „Verantwortung“
der Unternehmen]. Und seine Parteigenossen erzählen in Berlin seit Monaten
die Geschichte von Rolf Buch als dem Guten: dem Vermieter-CEO mit Gewissen
sozusagen, ganz anders etwa als der eiskalte Michael Zahn, ehemals Chef der
von Vonovia geschluckten Deutschen Wohnen.
Buch und Vonovia sind daher auch beliebte Gäste im Bündnis für
Wohnungsneubau und bezahlbare Mieten, mit dem Berlins Regierende
Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) den Wohnungsmarkt befrieden will.
Dabei setzt man eben nicht auf Gesetze, nicht auf einklagbare Rechte für
Mieter:innen, sondern auf die Gutmütigkeit der Konzerne. Den
sozialdemokratischen und grünen Träumereien eines freiwilligen
Mietenmoratoriums haben die aber just eine Absage erteilt. Andere handfeste
Mieterschutzmaßnahmen sind auch nicht zu erwarten.
Stattdessen hat Giffey die [3][Idee der 30 Prozent] aus dem Hut gezaubert:
Niemand solle mehr als diesen Anteil seines Einkommens für die Miete
zahlen. Dass sich so eine Absichtserklärung der Konzerne möglicherweise in
der am 20. Juni erwarteten Abschlusserklärung des Wohnungsbündnisses finden
wird, bedeutet vor allem: Es wird die Konzerne kaum etwas kosten, also für
Mieter:innen nichts ändern.
Schon bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften ist das Modell
gescheitert. Nur im Promilleanteil haben Mieter:innen ihre
Einkommensverhältnisse offengelegt und darauf hingewirkt, dass ihre Miete
nicht weiter steigen oder gar abgesenkt werden dürfe. Dabei haben sie dort
das Recht dazu; bei Vonovia und Co. bliebe es eine Bittstellerei.
## Ohne Gesetze geht nichts
Der Abzocke der Mieter:innen, denen durch explodierende Nebenkosten das
Schlimmste noch bevorsteht, lässt sich nur durch gesetzliche Regelungen
beikommen. Ein Mietendeckel könnte helfen, die Vergesellschaftung womöglich
auch.
[4][Das Zweckentfremdungsverbot in Berlin, das es verbietet, Wohnungen als
Ferienappartements zu missbrauchen, hat den Angriff Berliner Richter diese
Woche zum Glück überlebt]. Das Bundesverfassungsgericht sah keinen Grund zu
der Annahme, dass durch diese Einschränkung privaten Profitstrebens die
Verfassung verletzt sei. Immerhin.
Auch wenn es mit der Umsetzung schwierig ist, hat die Stadt seit Bestehen
des Gesetzes Tausende Wohnungen wieder für ihre eigentliche Bestimmung
zurückgewonnen. Hätte sie nur höflich gefragt, wäre nichts passiert.
5 Jun 2022
## LINKS
[1] /Mieterhoehungen-bei-Vonovia/!5855159
[2] https://twitter.com/retep_kire/status/1532373324390703107
[3] /Giffeys-30-Prozent-Idee/!5855151
[4] /Archiv-Suche/!5855152&s=rath&SuchRahmen=Print/
## AUTOREN
Erik Peter
## TAGS
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