| # taz.de -- Wirtschaftsweise über Pläne von Elon Musk: „Twitter beeinflusst… | |
| > Monika Schnitzer warnt vor der Übernahme von Twitter durch den | |
| > Tesla-Chef. Dahinter stecke eine gefährliche politische Agenda, sagt die | |
| > Ökonomin. | |
| Bild: Der blaue Vogel steht für Twitter | |
| taz am wochenende: Frau Schnitzer, sind Sie eigentlich schon bei Mastodon? | |
| Monika Schnitzer: Nein, noch nicht. Tatsächlich bin ich gerade erst auf | |
| Twitter angekommen. Und habe mich erst mal daran orientiert, wo die Leute | |
| unterwegs sind, denen ich folgen und die ich erreichen möchte. Ich habe | |
| daher die Twitter-Alternative Mastodon noch nicht ausprobiert. Aber ich | |
| wüsste gute Gründe, warum man das tun sollte. | |
| Und zwar? | |
| Am wichtigsten finde ich den Punkt der Steuerung dessen, was man zu sehen | |
| bekommt. Dabei geht es einerseits um die Algorithmen, die darüber | |
| entscheiden, welche Dinge besonders vielen Menschen ausgespielt werden. Und | |
| andererseits um ganz konkrete Eingriffe, die vorgenommen werden oder eben | |
| nicht. Zum Beispiel als Trump bei Twitter mehr oder weniger unverblümt zum | |
| Sturm auf das Kapitol aufrief und in der Konsequenz dann ausgeschlossen | |
| wurde. Wenn [1][Musk tatsächlich bei Twitter übernimmt] und im Alleingang | |
| über diese Fragen entscheidet – dann haben wir ein Problem. | |
| Musk sprach von einer „inklusiven Arena der freien Meinungsäußerung“, zu | |
| der er Twitter machen will. Warum ist das ein Problem? | |
| Freie Meinungsäußerung ist ja nicht in allen Fällen etwas Gutes. Klar, das | |
| Recht auf freie Meinungsäußerung ist wichtig, wenn es etwa um politische | |
| Positionen geht. Aber wenn wir über Verunglimpfungen sprechen, über | |
| Hassreden, über Aufrufe zu Straftaten, dann ist das keine Meinungsäußerung, | |
| die man zulassen möchte. Genauso wenig bei Volksverhetzung, Falschmeldungen | |
| oder der Verbreitung von Darstellungen sexualisierter Gewalt an Kindern. | |
| Was erwarten Sie, falls die Übernahme zustande kommt? | |
| Da müssen wir gar nicht so weit schauen – denn im Medienbereich haben wir | |
| ja Ähnliches schon erlebt. Man muss sich nur anschauen, wie Rupert Murdoch | |
| Einfluss genommen hat auf die Wahlen in Großbritannien. Im Fall von Twitter | |
| haben wir es mit einem Medium zu tun, das weltweit politische Positionen | |
| und Einstellungen beeinflusst. | |
| Sie gehen also davon aus, dass Musk Twitter für seine politische Agenda | |
| nutzen wird? | |
| Es wäre naiv zu glauben, dass dahinter keine politische Agenda steckt. Er | |
| hat ja schon deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er eine sehr | |
| republikanerfreundliche Haltung hat. Auch seine Aussage, Trump wieder | |
| entsperren zu wollen, interpretiere ich so. Es ist ziemlich offensichtlich, | |
| dass es Musk nicht darum geht, mit Twitter Geld zu verdienen. Damit | |
| verdient man bisher kein Geld. Insofern kann ich das eigentlich nur so | |
| interpretieren, dass er Einfluss nehmen will. Es ist durchaus | |
| wahrscheinlich, dass er damit Trump befördern möchte. Der Punkt ist: Wenn | |
| ein so wichtiges Unternehmen von einem einzelnen Menschen kontrolliert wird | |
| und dieser damit Einfluss auf die Politik nimmt, dann ist das | |
| undemokratisch. Wir haben gewählte Politiker, ja, aber wenn diese stark | |
| unter dem Einfluss von einigen wenigen mächtigen Unternehmen stehen und | |
| darüber hinaus von Einzelpersonen, die diese Unternehmen kontrollieren, | |
| dann ist das ein Problem für die Demokratie. | |
| Eine mögliche Lösung ist es, derartige [2][Tech-Konzerne zu zerschlagen] – | |
| wie 1984 den US-Telefonkonzern AT&T. Wie stehen Sie dazu? | |
| Wir sehen bei den Big-Tech-Unternehmen generell das Problem, dass sie ihre | |
| Marktmacht immer weiter ausbauen, indem sie ihre Monopolmacht von einem | |
| Markt in den nächsten ausdehnen. Das hemmt den Wettbewerb – und auch die | |
| Innovationskraft. Google zum Beispiel hat als Suchmaschine angefangen und | |
| bietet jetzt vom Werbenetzwerk bis zum Smartphone-Betriebssystem eine | |
| unüberschaubare Zahl an Diensten an. | |
| Wie würde denn das ablaufen, eine Aufspaltung von Google oder dem | |
| Facebook-Mutterkonzern Meta? | |
| Dazu muss man überlegen, was diesen Unternehmen die Marktmacht gibt. Bei | |
| Google sind das die Daten und die Kontrolle über das | |
| Android-Betriebssystem. Klar, wichtig ist auch der Suchalgorithmus, aber | |
| einen solchen Algorithmus haben auch andere. Wie gut ein solcher | |
| Algorithmus funktioniert, das hängt davon ab, wie viele Daten man hat. Und | |
| Google hat besonders viele, weil es durch die Kontrolle des | |
| Android-Betriebssystems die Smartphonehersteller dazu gebracht hat, die | |
| Google-Suchmaschinen zu installieren. Eine sinnvolle Möglichkeit, Google zu | |
| zerschlagen, wäre daher zu sagen, wir trennen das Betriebssystem Android | |
| vom Rest des Unternehmens, um Wettbewerb bei Suchmaschinen zu schaffen, und | |
| zwingen gleichzeitig Google, die Daten gegen Lizenzgebühren auch anderen | |
| Anbietern von Suchmaschinen zur Verfügung zu stellen. | |
| So eine Zerschlagung müsste global koordiniert sein. Denn sie müsste ja in | |
| den USA genauso gelten wie in Europa oder in Indien. | |
| Wenn so eine Zerschlagung in einem sehr großen Wirtschaftsraum verfügt | |
| wird, hätte das unweigerlich auch Auswirkungen auf die anderen | |
| Wirtschaftsräume. | |
| Die EU verabschiedet in diesen Wochen zwei große Gesetze zur | |
| Plattformregulierung: [3][den Digital Services Act] und [4][den Digital | |
| Markets Act]. Wird sich die Situation dadurch verbessern? | |
| Ich denke ja. Denn es gibt einen wichtigen Paradigmenwechsel: Weg von der | |
| Wettbewerbsaufsicht im Nachhinein, hin zu einer Ex-ante-Regulierung, also | |
| im Vorfeld. Das ist entscheidend, um im Internetzeitalter nicht Jahre | |
| hinter der technischen Entwicklung hinterherzuhinken. Ein | |
| Wettbewerbsverfahren zieht sich locker über zehn Jahre und länger – und in | |
| der Zeit hat sich ein Monopol weiter verfestigt. Mit den neuen EU-Regeln | |
| gibt es für die sehr großen Unternehmen, die Gatekeeper, klare Verbote und | |
| Vorgaben. Interoperabilität bei Messengerdiensten zum Beispiel. Dass also | |
| Nutzer:innen zwischen unterschiedlichen Diensten kommunizieren können – | |
| genauso wie das bei E-Mails ja auch der Fall ist. Aber wie viel diese | |
| Regeln bewirken, hängt davon ab, wie gut ihre Durchsetzung ist. | |
| Wo sehen Sie da Fragezeichen? | |
| Für die Umsetzung ist die EU-Kommission zuständig. Die bisher dafür | |
| vorgesehenen Ressourcen scheinen mir aber bei Weitem nicht auszureichen. Es | |
| wird enorme Ressourcen, vor allem sehr viele Leute brauchen, um die neue | |
| Regulierung umzusetzen. | |
| Wann rechnen Sie mit ersten Verfahren, die sich aus der neuen Gesetzgebung | |
| ergeben? | |
| Ich rechne damit schon im kommenden Jahr, wenn die neuen Regeln in Kraft | |
| treten. Dann muss geklärt werden, wer als Gatekeeper eingestuft wird, das | |
| heißt, für wen die neuen Regeln gelten. Ich bin mir ziemlich sicher, dass | |
| es schon da Anfechtungen von Unternehmen geben wird. | |
| Was hätte man bei der Regulierung noch anders machen müssen? | |
| Man hätte zum Beispiel die Interoperabilität auch für | |
| Social-Media-Netzwerke verpflichtend machen sollen, also für Facebook oder | |
| Twitter. Dann würde es auch leichter fallen, von Twitter auf Mastodon zu | |
| wechseln. Das soll erst in den nächsten Jahren diskutiert werden, aber | |
| dadurch geht viel wertvolle Zeit verloren. | |
| Bei den großen IT-Konzernen geht es meist um die Monopolisten aus den USA. | |
| Können die neuen EU-Regeln etwas gegen dieses regionale Ungleichgewicht | |
| tun? | |
| Das Ungleichgewicht liegt sicher stark daran, dass wir in Europa keinen so | |
| stark integrierten Binnenmarkt haben wie die USA oder China und die | |
| Unternehmen deshalb weniger stark die Skaleneffekte eines großen Marktes | |
| nutzen können. Es gibt aber durchaus auch erfolgreiche europäische | |
| Plattformen wie etwa Spotify. Das Problem ist allerdings, dass | |
| vielversprechende Unternehmen auch gerne aufgekauft werden von den großen | |
| US-amerikanischen Plattformen. Das neue Wettbewerbsrecht in Deutschland | |
| erlaubt es inzwischen, genauer hinzuschauen. Denn es hat nicht mehr wie | |
| früher nur den Umsatz des Übernahmekandidaten im Blick, sondern auch den | |
| Kaufpreis. | |
| Bis die Politik in Deutschland das Wettbewerbsrecht entsprechend geändert | |
| hat, waren schon viele große Übernahmen gelaufen – wie steht es um die | |
| Kompetenzen der aktuellen Bundesregierung? Hat sie die Digitalisierung | |
| verstanden? | |
| Es ist erst einmal sehr gut, dass dieses Thema so prominent im | |
| Koalitionsvertrag auftaucht. Ich habe durchaus den Eindruck, dass da | |
| Sachverstand zum Tragen gekommen ist. Es ist ja nicht immer | |
| selbstverständlich, dass diejenigen, die in Koalitionsverhandlungen stehen, | |
| sich auch gut in den jeweiligen Themen auskennen. Jetzt wird es darauf | |
| ankommen, die Vorhaben umzusetzen. | |
| Und wo muss die Bundesregierung noch nachlegen? | |
| Vor der Wahl wurde viel diskutiert, ob man die Digitalkompetenzen in einem | |
| eigenen Ministerium ansiedeln sollte. Das hat man nicht gemacht und | |
| stattdessen viele Kompetenzen zum Verkehrsministerium gepackt. Ob das | |
| sinnvoll ist oder die Themen doch wieder untergehen werden – das können wir | |
| vermutlich erst in vier Jahren sagen. | |
| 4 Jun 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Svenja Bergt | |
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