# taz.de -- Innenministerkonferenz startet: Mit allen Mitteln gegen den Hass | |
> Die Innenministerkonferenz will gegen Onlinehetze vorgehen – auch mit | |
> umstrittenen Maßnahmen wie der Vorratsdatenspeicherung. FDP und Grüne | |
> bremsen. | |
Bild: Was tun gegen Onlinehass? Bayerns Joachim Herrmann (CSU) und Bundesinnenm… | |
BERLIN taz | Ob Hetzbeiträge auf Social-Media-Kanälen oder dort | |
Aufgeputschte, die wegen der Coronapolitik Gesundheitsminister Karl | |
Lauterbach entführen wollten – Hass im Internet bleibt ein Problem. Erst | |
kürzlich zeigte der [1][Satiriker Jan Böhmermann] auf, wie träge die | |
Polizei dazu teils ermittelt. Die Innenminister:innen von Bund und | |
Ländern wollen nun den Onlinehass auf ihrer am Mittwoch startenden | |
halbjährlichen Konferenz angehen – auch mit umstrittenen Maßnahmen. | |
In mehreren Beschlussvorlagen wird nach taz-Informationen vor der Gefahr | |
durch den Onlinehass gewarnt, der in realer Gewalt münden könne. Dagegen | |
brauche es eine Früherkennung von sich radikalisierenden Personen im | |
Internet und eine „umfangreiche, elektronisch unterstützte | |
Informationsgewinnung“ durch die Sicherheitsbehörden, wie es dort heißt. | |
Insgesamt müsse der Eindruck widerlegt werden, dass das Internet ein | |
rechtsfreier Raum sei. | |
Vor allem die Unions-Innenminister:innen machen dabei Druck. Die Bekämpfung | |
von Hass im Netz werde ein Schwerpunkt der Konferenz sein, sagte | |
[2][Gastgeber Joachim Herrmann], CSU-Innenminister in Bayern, der taz. | |
„Handlungsbedarf sehen wir vor allem in Bezug auf die anonyme Verbreitung.“ | |
Herrmann tritt dafür ein, dass Nutzer:innen bei Registrierungen in | |
sozialen Netzwerken ihre Klarnamen angeben müssen. Die Anbieter müssten | |
diese dann prüfen – und im Ermittlungsfall an die Polizei herausgegeben. Um | |
die Umsetzung zu prüfen, werde man eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe | |
vorschlagen, kündigte Herrmann an. | |
## Innenminister wollen Identifizierungspflicht | |
[3][NRW-Innenminister Herbert Reul] (CDU) unterstützt den Vorstoß ebenso. | |
„Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein, in dem im Schutz von | |
Anonymität beliebig Hass und Hetze verbreitet und schwere Straftaten | |
geplant oder begangen werden“, sagte seine Sprecherin der taz. Eine | |
Identifizierungspflicht in Netzwerken wird indes schon länger diskutiert, | |
auch unterstützt etwa durch den SPD-Innenminister Boris Pistorius – bisher | |
aber ohne Umsetzung wegen rechtlicher Probleme. | |
Die Innenminister:innen wollen aber noch mehr. So heißt es in einer | |
Vorlage, dass Telekommunikationsanbieter im Überwachungsfall auch eine | |
„entschlüsselte Ausleitung“ von Inhalten an Ermittler:innen liefern | |
müssten. Auch diese Forderung nennt Reuls Sprecherin „essenziell“, wenn es | |
um die Verfolgung schwerer Straftaten geht. Selbstverständlich aber brauche | |
es „Augenmaß“. | |
Und Reul pocht auch auf einen weiteren Klassiker: die | |
[4][Vorratsdatenspeicherung]. Deren Bedeutung sei „besonders | |
hervorzuheben“, so seine Sprecherin. „Ohne sie ist es in vielen Fällen | |
nicht möglich, dem staatlichen Auftrag der Strafverfolgung gerecht zu | |
werden.“ Nur so könnten bei Onlinehass oder der Verbreitung von | |
Kindesmissbrauchsbildern längerfristig IP-Adressen gesichert und Täter | |
identifiziert werden. | |
## Auch Faeser ist offen für die Verstöße | |
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ist den Forderungen nicht | |
abgeneigt. Zu den Böhmermann-Recherchen fordert ihre Sprecherin | |
Fortbildungen in den Polizeidienststellen, damit Hinweise auf Onlinehass | |
„überall ernst genommen und unmittelbar verfolgt“ würden. Und auch sie | |
betont: „Hasskriminalität im Internet stellt eine große Gefahr für das | |
friedliche Zusammenleben in einer freien, offenen und demokratischen | |
Gesellschaft dar.“ Eine Strafverfolgung scheitere aber vielfach an der | |
Anonymität der Täter:innen, beklagt auch das Ministerium. Man begrüße | |
daher, dass Möglichkeiten geprüft würden, besser gegen anonymen Onlinehass | |
vorzugehen. | |
Auch das verpflichtende Speichern von IP-Adressen und Portnummern durch | |
Telekommunikationsanbieter sei „unverzichtbar“, betont Faesers Sprecherin. | |
Andernfalls liefen auch hier Ermittlungen ins Leere. Eine konkretere | |
Umsetzung oder Speicherfristen lässt das Ministerium indes offen. Und auch | |
dort wird beklagt, dass verschlüsselte Kommunikation Überwachungsmaßnahmen | |
erschwerten, die bei der Verfolgung schwerer Straftaten oder zur | |
Gefahrenabwehr rechtlich zulässig seien. | |
## „Forderungen aus dem Wolkenkuckucksheim“ | |
Aber die Koalitionspartner in der Ampel bremsen. Dort hat Justizminister | |
Marco Buschmann (FDP) bereits klar der Vorratsdatenspeicherung eine Absage | |
erteilt: Das anlasslose Massenspeichern verstoße gegen Grundrechte. Die | |
Vorratsdatenspeicherung liegt hierzulande bereits seit 2017 auf Eis, ein | |
[5][Rechtsstreit vor dem Europäischen Gerichtshof dauert an]. | |
FDP-Innenexperte Konstantin Kuhle wendet sich auch gegen die anderen | |
Überwachungsforderungen. Bei der Verfolgung von Onlinehass mangele es vor | |
allem an der Durchsetzung, so Kuhle zur taz. „Anstatt immer neue Befugnisse | |
für die Sicherheitsbehörden zu fordern, sollten die Länder dafür sorgen, | |
dass Polizei und Justiz technisch und personell so ausgestattet sind, dass | |
sie ihren Aufgaben, auch im Internet, nachkommen können.“ Es nützte den | |
Ermittlern nicht, weitreichende Instrumente zu bekommen, die sich letztlich | |
als rechtswidrig und nicht anwendbar erwiesen, so Kuhle. Er plädiert etwa | |
für das „Quick Freeze“-Verfahren, bei dem Internetprovider erst nach einem | |
Anfangsverdacht Daten von konkreten Nutzer:innen speichern. | |
Auch der Grüne Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz kritisiert, dass | |
die Innenminister:innen „noch immer allzu häufig in einer längst | |
überholten sicherheitspolitischen Denke“ verharrten. Die | |
Vorratsdatenspeicherung oder Identifizierungspflicht griffen | |
„unverhältnismäßig tief in Bürgerrechte ein“ und seien | |
„verfassungsrechtlich erwiesenermaßen nicht umsetzbar“, so von Notz zur | |
taz. Es brauche nicht „Forderungen aus dem Wolkenkuckucksheim, sondern | |
verbesserte Kooperationen der zahlreichen Akteure in unserem föderalen | |
System sowie glasklare rechtsstaatliche Rechtsgrundlagen“. Nicht umsetzbare | |
Vorschläge erhöhten dagegen nicht die Sicherheit, sondern „delegitimieren | |
die herausragend wichtige Arbeit unserer Sicherheitsbehörden“. | |
1 Jun 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Hass-im-Netz/!5854812 | |
[2] /Polizeikongress-in-Berlin/!5801956 | |
[3] /Ein-Streitgespraech-ueber-Rechtsextremismus/!5716986 | |
[4] /EuGH-zur-Vorratsdatenspeicherung/!5812668 | |
[5] /Vorratsdatenspeicherung-vor-EuGH/!5800851 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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