# taz.de -- Konferenz der Innenminister:innen: Zehn Milliarden in zehn Jahren | |
> Auch wegen des Kriegs wollen die Innenminister:innen mehr für den | |
> Bevölkerungsschutz tun. Beim Einsatz gegen Kindesmissbrauch wird es | |
> kontrovers. | |
Bild: Für ein Kompetenzzentrum und 10 Milliarden für den Katastrophenschutz: … | |
BERLIN taz | Der Ukrainekrieg beeinflusst mehr und mehr auch die | |
innerdeutsche Sicherheitspolitik. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) | |
und die Innenminister:innen der Länder einigten sich am Freitag zum | |
Abschluss ihrer halbjährlichen Konferenz (IMK) auf einen „Stärkungspakt | |
Bevölkerungsschutz“, mit dem sie vom Bund in den nächsten zehn Jahren zehn | |
Milliarden Euro einfordern. Auch gegen Desinformationskampagnen soll es | |
einen Aktionsplan geben. | |
Bereits tags zuvor hatten sich Faeser und die Innenminister:innen auf | |
ein neues Gemeinsames Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz geeinigt, das | |
beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe in Bonn | |
angesiedelt werden soll. In Katastrophenfällen sollen sich die Länder in | |
dem Zentrum künftig enger austauschen und unterstützen. Expert:innen | |
sollen dort Risikoszenarien und Lagebilder erarbeiten. Geplant sind vorerst | |
zehn Mitarbeitende und eine elfköpfige Geschäftsstelle. | |
Faeser nannte das Zentrum und den 10-Milliarden-Euro-Plan „echte | |
Meilensteine“. Der Bevölkerungsschutz bekomme damit endlich die Priorität, | |
„die er schon längst hätte haben müssen“. Man werde hier weiter „massiv | |
investieren“. Sowohl der russische Angriffskrieg als auch die | |
Flutkatastrophe 2021 in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zeige, wie | |
nötig dies sei. Auch IMK-Gastgeber Joachim Herrmann, CSU-Innenminister von | |
Bayern, nannte den Zivilschutz „eines der grundlegenden Schutzversprechen | |
des Staates gegenüber seinen Bürgern“. | |
## Faeser lehnte die 10 Milliarden zunächst ab | |
Bei der Forderung nach 10 Milliarden für den Zivilschutz war Faeser | |
allerdings [1][zunächst skeptisch] und sprach von einer „sehr hohen Summe“. | |
Gestreckt auf zehn Jahre stimmte die Sozialdemokratin nun aber zu. Das Geld | |
soll etwa in den [2][Wiederausbau des Sirenenwarnnetzes], | |
Containerunterkünfte für Notfälle oder in den Cellbroadcast investiert | |
werden, mit dem Warnmeldungen auf Handys verschickt werden können. Offen | |
bleibt, ob am Ende auch die Ampelkoalitionäre und Finanzminister Christian | |
Lindner (FDP) die Summe mittragen. Niedersachsens Innenminister Boris | |
Pistorius (SPD) kündigte an, dass auch die Länder zusätzlich „ordentlich“ | |
in den Zivilschutz investieren würden. | |
Zudem soll auch ein „Aktionsplan gegen Desinformation“ erarbeitet werden. | |
Bund, Länder und Kommunen sollen sich in einem Netzwerk zusammentun, um | |
[3][Desinformationskampagnen] künftig schneller zu erkennen und | |
kommunikativ zu beantworten. | |
## Mehr Einsatz auch gegen Kindesmissbrauch | |
Faeser und die anderen Innenminister:innen kündigten auch einen | |
stärkeren Kampf gegen Kindesmissbrauch und Hassbeiträge im Internet an. | |
Erst vor wenigen Tagen wurde ein jahrelanger [4][Missbrauchskomplex in | |
Wermelskirchen] mit mehr als 30 Opfern und millionenfachem Bildmaterial | |
aufgedeckt. Faeser sprach von „entsetzlicher Gewalt“, deren Bekämpfung | |
oberste Priorität habe. „Wir brauchen einen maximalen Ermittlungsdruck.“ | |
Die Konferenz forderte Polizei und Justiz auf, zu klären, wie | |
Missbrauchsbilder schneller aus dem Internet gelöscht werden können – | |
oftmals scheitert dies bisher an unklaren Zuständigkeiten. Das BKA soll nun | |
koordinieren. Einig war sich die IMK auch, dass es eine längere Speicherung | |
von IP-Adressen braucht, um Täter:innen zu identifizieren. Dies sei | |
„unbedingt erforderlich“, erklärte Faeser. Wie genau und für wie lange | |
gespeichert werden soll, ließ die Runde zunächst offen. Dies solle bis zum | |
Herbst geprüft werden. | |
Das Thema ist heikel: Denn die Vorratsdatenspeicherung etwa liegt wegen | |
eines Rechtsstreits seit Jahren auf Eis – und in der Ampel [5][lehnen FDP | |
und Grüne diese ab und betonen den Datenschutz]. Gleiches gilt die | |
Identifizierungspflicht, welche die Innenminister:innen ebenfalls | |
beschlossen und mit der Nutzer:innen bei Anbietern künftig ihre | |
Identität nachweisen sollen. Faeser aber betonte, sie sei zuversichtlich, | |
bei diesen Fragen in der Koalition Zustimmung zu erhalten. | |
Den Vorschlag der EU-Kommission nach einer [6][Chatkontrolle], mit der | |
Messengerdienste verpflichtet werden könnten, ihre Kommunikationsinhalte | |
nach Darstellungen sexualisierter Gewalt zu durchscannen, erteilten die | |
Innenminister:innen dagegen eine Absage. Das gehe zu weit und wäre | |
so, als wenn man in jeden Brief schauen würde, erklärte Faeser. „Ich habe | |
hier bisher auch keinen gehört, der das möchte.“ Selbst CSU-Mann Herrmann | |
sprach von einem „extremen Eingriff“, der so nicht umsetzbar sei. | |
## Protest von Geflüchtetenorganisationen | |
Gegen die Innenministerkonferenz hatten mehrere Geflüchtetenorganisationen | |
protestiert. Sie forderten eine schnellere Aufnahme von Afghan:innen in | |
Deutschland, die von der Taliban bedroht würden. Auch müsse die Ampel | |
endlich die von ihr angekündigten Verbesserungen beim Bleiberecht für die | |
gut 240.000 Geflüchteten mit Duldung umsetzen, etwa mit dem | |
Chancen-Aufenthaltsrecht. Weil dies noch nicht geschehen sei, würden | |
bislang weiter Betroffene abgeschoben, die künftig einen Schutzstatus | |
erhielten, klagten die Vereine. | |
Auf der IMK waren das diesmal allerdings nur Randthemen. Angesprochen auf | |
die Kritik kündigte Faeser am Freitag an, dass sie demnächst ein | |
Migrationspaket inklusive des Chancenaufenthaltrechts vorlegen werde. | |
3 Jun 2022 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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