# taz.de -- Kampf gegen sexualisierte Gewalt: Es gibt keine Wunderwaffe | |
> Gut, dass mehr gegen Missbrauch im Internet getan wird. Die Überwachung | |
> von Messenger-Chats schießt allerdings über das Ziel hinaus. | |
Bild: Holger Münch, BKA-Präsident, und Kerstin Claus, unabhängige Beauftragt… | |
Es sind unerträgliche Zahlen, es sind unerträgliche Fälle. Im Schnitt 49 | |
Kinder in Deutschland werden täglich Opfer sexualisierter Gewalt. In 39.000 | |
Fällen wurden im vergangenen Jahr Missbrauchsdarstellungen angezeigt – eine | |
Verdoppelung zum Vorjahr. Und klar ist: Das Dunkelfeld ist in diesem Feld | |
noch viel, viel größer. | |
Es ist daher richtig, dass die Missbrauchsbeauftragte Kerstin Claus | |
fordert, dieses Dunkelfeld aufzuhellen. Und es ist auch richtig, wenn | |
SPD-Bundesinnenministerin Nancy Faeser [1][mehr Personal in den | |
Sicherheitsbehörden für Ermittlungen] ankündigt. Bis heute ist ein | |
Hauptproblem, dass die Ermittler:innen in diesem Feld mit riesigen | |
Datenmengen kämpfen. Viel zu lange dauert es, bis solche Daten bearbeitet | |
und gelöscht werden. | |
Dass dazu auch das Instrument der Chatkontrolle in Anschlag gebracht wird, | |
mit dem Messenger-Beiträge nach Schlagworten gescannt werden sollen, | |
schießt dagegen über das Ziel hinaus. Denn dieses Instrument würde sich | |
plötzlich nicht nur gegen Hunderte Millionen [2][Nutzer von | |
Messengerdiensten] richten, es stellt auch verschlüsselte Kommunikation | |
grundsätzlich infrage. | |
Zwar wird deren Schutz von der EU-Kommission weiter betont, aber wie genau | |
soll der Massenfilter sonst funktionieren? Und wie genau soll er strafbare | |
Inhalte von harmlosen oder privaten unterscheiden? Schon jetzt ist klar: | |
Die Chatkontrolle ist zu grob, zu weitgehend, sie zieht zu viele | |
Unbeteiligte mit in Verdacht. | |
Es braucht mehr als die Hoffnung auf eine technische Wunderwaffe: Es | |
braucht ein ganzes Bündel an Maßnahmen. Mehr und geschultes Personal in den | |
Ermittlungsbehörden, das nicht in privaten Chats, sondern in einschlägigen | |
Foren und Plattformen forscht. Einen engeren Austausch der Behörden mit | |
Hilfenetzwerken. Oder [3][Aufklärung für Schulen und Eltern], um stärker | |
für Missbrauchsfälle zu sensibilisieren – auch für Jugendliche, die | |
vielfach strafbare Inhalte online teilen, ohne zu begreifen, was sie da | |
tun. | |
30 May 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Sexualisierte-Gewalt-an-Kindern/!5857550 | |
[2] /Plaene-der-EU-Kommission/!5852598 | |
[3] /Gesetz-gegen-Missbrauch/!5756672 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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