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# taz.de -- Dakh Daughters Band aus der Ukraine: Gothic-Girls vom Maidan
> Shakespeare mit HipHop und dicken Zöpfen: Der Elan des Freakkabaretts der
> ukrainischen Frauenband Dakh Daughters ist ansteckend. Ein Porträt.
Bild: Die Genres werden wild durcheinandergewürfelt: Die Dakh Daughters Band b…
„Wenn nicht jetzt! Wenn nicht wir!“ rufen Dakh Daugthers 2013 von der Bühne
des Euromaidan, das Riesentransparent mit der Aufschrift „Für eine
europäische Ukraine“ im Rücken und Tausende Menschen mit Ukraine-Flaggen
vor sich. Auf dem Euromaidan in Kiew, wo sich ein Großteil der
ukrainischen Zivilgesellschaft gegen die Ablehnung des
Assoziierungsabkommens mit der EU politisch positioniert, wird die Kiewer
Frauen-Band Dakh Daughters landesweit bekannt.
Die Künstlerinnen machen aus diesem Auftritt einen zehnminütigen Clip. Im
Zentrum steht das Lied [1][„Hannusia“]. Erzählt wird darin die Geschichte
einer an der Welt Leidenden. Die Musik steigt mit einem sanften Blues ein
und steigert sich bis hin zum Rap. Der Clip trifft die Stimmung der
Menschen auf dem Euromaidan wieder. Er zeigt die Suppenküche dort, auch
Protestierende sind zu sehen, die das Gespräch mit den Sicherheitskräften
suchen. So ist der Clip inzwischen zu einem Zeitdokument geworden.
Dakh Daugthers, die siebenköpfige Frauenband, gründet sich 2012 im Kiewer
Zentrum für zeitgenössische Kunst Dakh. Alle haben sich am dortigen Theater
kennengelernt und sind eigentlich Schauspielerinnen. Musikalisch hat jede
ihren eigenen Werdegang, der jeweils mit eingebracht wird.
## Sieben Musikerinnen, 15 Instrumente
Was dazu führt, dass sieben Frauen fünfzehn Instrumente spielen und dass
vom traditionellen ukrainischen Gesang, der vibriert und von Frauen meist
in hohen Tonlagen gesungen wird, bis zum tiefen, rauen Brüllen alles
möglich ist. Nebeneffekt: Es wird in mehreren ukrainischen Dialekten
gesungen, aber auch auf Russisch, Englisch, Französisch oder Deutsch.
Die Genres werden [2][wild durcheinandergewürfelt], oft mitten in den
Songs. Vorbilder gibt es trotzdem: etwa Laibach und Dresden Dolls. Von
Letzteren haben sich Dakh Daugthers definitiv ästhetisch inspirieren
lassen. Denn ohne weiß geschminkte Gesichter, rote Lippen, und markante
schwarze Wimperntusche gehen Ruslana Chasipova, Tatjana Gavriljuk, Nina
Garenezkaja, Solomia Melnik, Anna Nikitina, Natalja Galantschewitsch und Zo
(Natalja Zozul) nie auf die Bühne.
## Große weiße Schleifen
So werden sie zu ukrainischen Gothic-Girls, die sich große weiße Schleifen
um die Zöpfe binden. Konterkariert wird die mädchenhafte Inszenierung durch
schwere schwarze Stiefel und Overkneekniestrümpfe. Dazu tragen sie weiße
kurze Kleider, die an Unterkleider früherer Epochen erinnern. Dakh
Daugthers vertonen Gedichte des ukrainischen Nationaldichters Taras
Schewtschenko, der allseits verehrten Lesija Ukrainka, aber auch von
[3][Charles Bukowski].
In dem Lied „Rosen/Donbass“ zitieren sie das 35. Sonett von William
Shakespeare, unterlegt von traditioneller ukrainischer Musik wird ein Rap
daraus. Mit dem Musikvideo von [4][„Rosen/Donbass“] werden Dakh Daughters
im Jahr 2013 über Nacht berühmt. Sie brüllen das Wort „Donbass“ den
Zuschauenden entgegen. Es ist eine versteckte Liebeserklärung an die
Industrieregion im Osten des Landes – ein Jahr vor der [5][russischen
Invasion].
Dakh Daughters veröffentlichen 2016 ihr Debütalbum „if“. 2019 erscheint
„Air“. Und im letzten Jahr „Make-up“. Sie weigern sich strikt, sich und
ihre Musik in Schubladen einordnen zu lassen und halten fest am hohen
Anspruch Musik und an der produktiv aggressiven Inszenierung, was eine
unglaubliche Energie produziert. Sie kommt auch im Clip rüber und überträgt
sich erst recht auf der Bühne. Im Grunde ist jedes Konzert von Dakh
Daughters eine große Performance. Nicht umsonst nennt sich die Band „Dakh
Daughters Freak Cabaret“.
Wenn man zurzeit auf Youtube nach Clips der Band sucht, findet man viele
mit einem blauen Banner und der Aufschrift „Stop aggression in Ukraine“.
Der Clip „Lydina“ (deutsch: der Mensch) hat eine Hasenfigur, die von einem
Fiesling in Lederjacke zusammengeschlagen wird, zum Protagonisten.
Dakh Daughters singen dazu: „Der Mensch hat Arme, Beine. Sein Gesicht hat
Augen und Lippen. Er hat sogar einen Kopf. Was ich wirklich nicht verstehe,
warum gibt es dann so viel Böses auf dieser Welt? […] Hat der Mensch keinen
Verstand? Hat sich der Mensch nicht unter Kontrolle?“ Es ist ein altes Lied
der „Töchter“, und ist wie der Donbass-Song nun im Kontext des
russisch-ukrainischen Krieges ein Kommentar, der unter die Haut geht.
7 Apr 2022
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=seKRkKwUEdE
[2] /Drehbuchautor-ueber-ukrainischen-Rock/!5847947
[3] /In-Erinnerung-an-Bukowski/!5703091
[4] https://music.youtube.com/watch?v=IhhT-R9uc4E&list=OLAK5uy_novsq_akLUMd…
[5] /Antikriegslied-von-russischer-Saengerin/!5843807
## AUTOREN
Katja Kollmann
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