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# taz.de -- Drehbuchautor über ukrainischen Rock: „Das war antisowjetische M…
> „Mustache Funk“ dokumentiert die ukrainische Rockszene in den 1970ern.
> Drehbuchautor und DJ Witalij Bardezkyi über den Film – und den Krieg.
Bild: Die Band Smerichka repräsentierte das Goldene Zeitalter des Schwarzmeer-…
Der Kiewer DJ und Drehbuchautor Witalij „Bard“ Bardezkyi lebt zurzeit in
der Westukraine. Von dort organisiert er die Verteilung von 800
Essensrationen in Kiew und der Westukraine – täglich. Heute Abend wird im
Berliner Club Aeden der Dokumentarfilm „Mustache Funk“ gezeigt, für dessen
Entstehung Bardezkyi als Drebuchautor verantwortlich zeichnet. Danach legen
DJs auf. Alle Spenden gehen an Bardezkyis Suppenküche.
„Mustache Funk“ dokumentiert die ukrainische Rockszene in den 1970ern.
Bands, die ab Ende 1960er Jahre massenweise entstehen, sind dort kreativer
als die Rockszene in der übrigen Sowjetunion. Witalij „Bard“ Bardezkyi hat
diese Musik in den frühen Nullern für sich entdeckt.
taz: Herr Bardezkyi, der Film „Mustache Funk“ ist 2019 entstanden und kam
wegen der Pandemie erst letztes Jahr in die ukrainischen Kinos. Heute wird
er das erste Mal in Deutschland gezeigt. Es war Ihre Idee, diesen
Dokumentarfilm realisieren. Wie kam es zu Ihrer intensiven Beschäftigung
mit dieser Epoche ukrainischer Musik?
Witalij Bardezkyi: Mein Vater war genau in jener Zeit in der
westukrainischen Kleinstadt, in der ich aufgewachsen bin, einer der
Organisatoren des Kulturlebens. Als Kind bin ich ständig bei Konzerten
dieser Bands rumgesessen. Im Grunde habe ich die Entwicklung der Musikszene
als Zeitzeuge live mitverfolgt.
Anfang der nuller Jahre habe ich die Musik wieder ausgegraben, um sie
bewusst nicht im sowjetischen, sondern im globalen Kontext zu verorten.
Denn die Wurzeln dieser Musik liegen im Soul, im Jazz-Rock und im Funk. All
die Stile werden gemischt mit traditioneller ukrainischer Musik. Diese Art
von Rock entsprach überhaupt nicht der sowjetischen Ästhetik, es war ein
antisowjetischer Musikstil. Es ist unglaublich, dass diese Musik in der
UdSSR entstehen konnte.
Wie hat der KGB reagiert?
Auf dem Gebiet der ukrainischen Sowjetrepublik waren der Hauptfeind des KGB
die ukrainischen Dissidenten. Die saßen im Gefängnis oder waren im Gulag
inhaftiert. Auch SchriftstellerInnen, RegisseurInnen und KünstlerInnen
wurden verfolgt. Bei Unterhaltungsmusik reichte dem KGB der erhobene
Zeigefinger in Kombination mit einigen Beschränkungen.
Nichtsdestotrotz wurden Mitte der 70er Jahre einige Bands des ukrainischen
Nationalismus beschuldigt und lösten sich auf. Anfang der 80er haben die
meisten Bands schon traditionellen sowjetischen Schlager gespielt.
„Mustache Funk“ ist ein Film-Essay. Der Text ist von Ihnen.
Ich habe eine Collage aus vielen Details zusammengestellt, die ein Bild
formen sollen, das nicht nur informativ ist, sondern auch über einen
emotionalen Gehalt verfügt. Dadurch, dass die Musik in Vergessenheit
geriet, war es für mich wichtig, dass der Film als Türöffner fungiert, um
mehr Menschen anzuregen, sich mit dieser Musikszene zu beschäftigen.
„Mustache Funk“ wurde vom ukrainischen Kulturministerium gefördert. Wie
sind Sie an diese Förderung gekommen?
Es gibt in der Ukraine mehrere Fördertöpfe für Kulturprojekte. Wir haben
unser Projekt bei der Institution Derschkino eingereicht. Ich hatte zu dem
Zeitpunkt nicht wirklich an eine Realisierung dieses Dokumentarfilms
geglaubt. Ich habe nur die ganze Zeit meinen Freunden von dieser Musik
erzählt und als DJ [1][in Kiew diese Musik aufgelegt]. Und dann sind wir
für eine Förderung ausgewählt worden.
Was haben Sie vor dem Krieg gemacht?
Ich bin eigentlich ausgebildeter Journalist. In der letzten Zeit habe ich
verstärkt Drehbücher für Dokumentar- und auch Spielfilme geschrieben. Das
hat mit der Doku „Mustache Funk“ angefangen.
Wo leben Sie jetzt? Können Sie sich momentan ein Leben nach dem Krieg
vorstellen?
Ich lebe jetzt mit meiner Familie bei meiner Mutter in meinem Geburtsort
Butschatsch in der Westukraine. Ein Leben nach dem Krieg kann ich mir nicht
wirklich vorstellen. Tatsache ist, dass der Krieg uns alle sehr verändert
hat und dass uns das noch lange prägen wird. Fakt ist, dass ich, obwohl ich
Musik sehr liebe, momentan keine Musik hören kann. Das geht körperlich
nicht. Und ich weiß nicht, ob ich das je wieder kann.
Das ist natürlich nichts im Vergleich zu dem, [2][was Millionen meiner
Landsleute durchmachen.] Aber alle, die ich kenne, stellen sich immer
wieder vor, wie wunderbar unser Leben nach dem Krieg sein wird – und dass
wir lauter interessante Sachen machen! Ich habe definitiv eine Menge Pläne
im Hinterkopf, die ich noch verwirklichen möchte. Und meine 81-jährige
Mutter hat gerade ihre Gemüsesetzlinge im Garten eingepflanzt.
7 Apr 2022
## LINKS
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[2] /Nach-dem-Massaker-in-Butscha/!5843396
## AUTOREN
Katja Kollmann
## TAGS
Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Kino
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Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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Köln
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