| # taz.de -- Ukrainisch-deutsches Musikprojekt: Krieg, Exil und Trauma | |
| > Das Leipziger Duo Moloch & Nadiya arbeitet an einer Fusion aus Soul, Jazz | |
| > und ukrainischem Folk. Porträt eines interkulturellen Crossover-Projekts. | |
| Bild: Mehr als die Summe der Einzelteile: Alex Korus und Melanka Piroschik | |
| Wir befinden uns in einem unscheinbaren Backsteinbau im Leipziger Westen. | |
| In diesem Überbleibsel aus dem Industriezeitalter wird zwar nicht mehr für | |
| den Markt produziert, kreiert wird hier aber weiterhin. Und zwar die Musik | |
| für das Duo Moloch & Nadiya. Sein Sound ist schwer zu fassen, changiert | |
| zwischen Jazz, Soul und ukrainischer Vokaltradition. | |
| Bands und Künstlerinnen wie Hiatus Kaiyote, [1][Aldous Harding] und | |
| [2][Dakhabrakha] sind als Einflüsse hörbar. Moloch & Nadiya fabrizieren | |
| allerdings mehr als die Summe dieser Bestandteile, ihre Klangsignatur ist | |
| ein eigener Kosmos, zwischen West und Ost, Gegenwart und Vergangenheit, | |
| Zuversicht und tiefer Verzweiflung pendelnd. | |
| Das Debütalbum des Duos „Ether“ ist Teil eines Entwicklungsprozesses, der | |
| im ukrainischen Elternhaus von Sängerin und Violinistin Melanka Piroschik | |
| begonnen hat. Zu Hause wurde [3][das kulturelle Erbe der Ukraine | |
| leidenschaftlich gepflegt]. | |
| ## Die Bedeutung der Diaspora | |
| Introvertiert, bedacht und intim klingen die acht Lieder von „Ether“ und in | |
| einem Stil, den Melanka und ihr Begleiter Alex Korus als „Ukrainian | |
| Diaspora Soul“ bezeichnen. „Diaspora“ meint in diesem Kontext mehr als ei… | |
| geografische und gesellschaftliche Einordnung. | |
| Das Sich-selbst-Finden zwischen den Kulturen zieht sich wie ein roter Faden | |
| durch die Musik: „Ich bin in Deutschland geboren, aber mit der ukrainischen | |
| Sprache und Kultur aufgewachsen. Ich lebe zwischen zwei Ländern und | |
| empfinde das als Bereicherung“, bewertet Melanka ihr Leben als Teil der | |
| ukrainischen Gemeinde in Deutschland. | |
| Seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 hat der Begriff | |
| „Diaspora“ eine beängstigende Dimension. Die russische Invasion ins | |
| Nachbarland hat Hunderttausende Ukrainer:innen zur Flucht gezwungen, | |
| darunter auch bildende Künstler:innen und Musiker:innen. | |
| ## Die Ukraine hörbar machen | |
| Drei von ihnen, Mariia Kryvets, Kateryna Safonova und Ira Lazer (alias | |
| Mavka) sind an „Ether“ beteiligt: „Wir singen und sprechen nicht nur über | |
| die Ukraine, wir machen die Ukraine in der Musik hörbar“, beschreibt | |
| Melanka die Idee, Exilukrainer:innen in die Produktion aufzunehmen. | |
| So wurde die ukrainische Künstlerin Anna Perepechai engagiert, die den | |
| gesamten Entstehungsprozess von „Ether“ mit der Kamera begleitet hat und | |
| sowohl Cover als auch visuelle Darstellung der Band entwickelte. | |
| Hinter Moloch & Nadiya steckt also mehr als nur ein Duo, das Musik macht, | |
| ihm liegt ein visuelles, akustisches und zwischenmenschliches Gesamtkonzept | |
| zugrunde; die Idee für das Album war, sich einen eigenen emotionalen und | |
| geistigen Zugang zur Musik zu erschließen. Dieser erfasst neben drängenden | |
| Themen wie Krieg, Exil und Trauma auch den individuellen Reifeprozess, | |
| losgelöst von der Politik und dem tagesaktuellen Geschehen in Osteuropa. | |
| ## Bloße Existenz | |
| Moloch & Nadiya nehmen Impulse der ukrainischen Folklore auf, bringen damit | |
| eine Momentaufnahme in der Musik zum Klingen, eine persönliche Geschichte | |
| und auch die Geschichte einer Gesellschaft im Kampf um ihre bloße Existenz | |
| und ihr Vermächtnis, mit all ihren Implikationen. | |
| Besonders die individuelle Erfahrungswelt, die die Band präsentiert, ist | |
| ein Gegenentwurf zu den Frontberichten, internationalen Konferenzen und | |
| politischen Reden, denen im Kontext des Krieges mehr Beachtung geschenkt | |
| wird. „Ether“ ist eine andere Art von Bericht, eine Kartografie von | |
| Innenleben, gekleidet in einen Sound mit hohem Wiedererkennungswert. | |
| Auch die Polarität des Duos kommt darin zum Vorschein: Während die | |
| Deutschukrainerin Melanka den ukrainischen Gesang und die Violine | |
| mitbringt, ist der Erfurter Alex Korus ein versierter Multiinstrumentalist, | |
| der den Sound der Band um Soul- und Blueseinflüsse erweitert. | |
| Seine Position in der Band ist klar definiert: „Meine Rolle als | |
| Nicht-Ukrainer in diesem Projekt sehe ich als Verbündeter einer | |
| wunderschönen, faszinierenden, aber bedrohten Kultur. Putin behauptet, es | |
| gäbe keine autonome ukrainische Kultur, er liegt falsch. Ich trage als | |
| Außenstehender dazu bei, diese Kultur zu bewahren, als Gast, aber auch als | |
| Mitgestalter“, widerspricht Alex der russischen Propaganda. „Die | |
| ukrainische Kultur ist lebendig und findet im Hier und Jetzt statt, nicht | |
| in Geschichtsbüchern“, sagt er. | |
| 13 Sep 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Tobias Grießbach | |
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