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# taz.de -- Ukrainische Rapperin Alyona Alyona über den Krieg: „Ich bleibe h…
> „Während du diesen Clip siehst/Song hörst, sterben Ukrainer:innen“:
> Alyona Alyona harrt in ihrer Heimat aus. Ihre Fans beschreibt sie als
> postsowjetische Generation.
Bild: Die ukrainische Rapperin Alyona Alyona beim Eurosonic Festival in Groning…
taz: Alyona Alyona, wo halten Sie sich gerade auf. Sind Sie in Sicherheit?
Alyona Alyona: Ich bin in Baryshivka, das ist in der Nähe des Dorfs, in dem
ich aufgewachsen bin, etwa 40 Kilometer von Kiew entfernt. Hier habe ich im
Kindergarten gearbeitet, bevor ich als Rapperin bekannt wurde. Das Dorf
Peremoha in der Nähe von Baryshivka wird gerade angegriffen. Dort sterben
Menschen. Wir hören ständig die Geräusche von Explosionen und versuchen,
den Menschen zu helfen. Eine Rakete landete bei uns im Ort, zum Glück wurde
niemand verletzt.
Wie sieht Ihr Alltag derzeit aus, sofern man ihn überhaupt so nennen kann?
Ich versuche meine Followerinnen und Follower auf dem Laufenden zu halten.
Ich bin sehr viel auf Social Media, deshalb erhalte ich auch viele Anfragen
ausländischer Journalist:innen und gebe viele Interviews. In der ersten
Woche war ich so etwas wie eine Soldatin an der Internet-Front. In der
zweiten Woche habe ich in einer Apotheke mitgeholfen, medizinische
Hilfsgüter zu sortieren.
Sie haben Ihre YouTube-Clips mit einem Hinweis auf den Krieg versehen, der
automatisch eingeblendet wird. Gegen Apple Music und Spotify haben Sie
öffentlich protestiert, weil die eine „No Politics in Music“-Richtline
verfolgen.
Ja. Wir blenden den Hinweis ein: „Während du diesen Clip siehst/Song hörst,
sterben Ukrainer:innen infolge des russischen Angriffs. Stoppt den
Krieg!“ Bei Spotify kann ich die Message inzwischen teilen, bei Apple Music
immer noch nicht, traurig, aber wahr. Wir wollen mit dieser Aktion
Russinnen und Russen informieren, denn viele Informationen über die Ukraine
werden in Russland geblockt, die westlichen Streaming-Plattformen meines
Wissens nicht. Eine weitere Forderung an Apple und Spotify war es, ihre
Büros in Russland zu schließen (Spotify hat dies inzwischen getan; d.
Red.).
Was ist Ihre Message an die Menschen und Politiker:innen im Westen?
Erst einmal möchte ich mich bedanken, dass es so viel humanitäre Hilfe aus
vielen Ländern gibt. Einige spenden auch für die Armee, das hilft, diesen
Krieg zu gewinnen. Die meisten von uns erwarten vom Westen, den Luftraum
über der Ukraine zu sperren, auch wegen der Gefahr, dass Kernkraftanlagen
aus der Luft getroffen werden. Wir haben alle die Erfahrung von Tschernobyl
gemacht. Es droht eine ökologische Katastrophe. Es geht nicht nur um die
Ukraine, es geht um Europa, um Belarus, um Russland.
Sie rappen heute auf Ukrainisch, nicht auf Russisch. Ist die Wahl der
Sprache schon nach der Krim-Annexion 2014 zu einem Statement geworden?
Die ersten zehn Jahre habe ich auf Russisch gerappt, weil es auf der
russischen Plattform VKontakte eine große HipHop-Community gab. Nach 2014
ist [1][die ukrainische Rap-Community] größer geworden, die Haltung vieler
Künstlerinnen und Künstler hat sich geändert. Seither wird mehr über
ukrainische Themen gesungen, traditionelle ukrainische Musik wird
eingebunden. Ich bin Teil dieser Szene geworden. Auch, weil ich
festgestellt habe, dass vielen Menschen Rap in ukrainischer Sprache etwas
bedeutet.
Sie haben den Song „Відчиняй“ (2018; etwa: „Öffnet es“) geschr…
singen sie von einer „neuen Generation, die herangewachsen“ ist. Was ist
das für eine Generation?
Eine postsowjetische Generation. 1991 wurde die Ukraine unabhängig, aber
einige Gesetze aus der Zeit der Sowjetunion blieben zunächst. Die heutige
junge Generation hat vollständig damit gebrochen und will frei leben. Wir
sind kreativ, wir sind talentiert, wir haben viel mitzuteilen, nicht nur
den Menschen in der Ukraine, sondern auch der westlichen Öffentlichkeit.
Mit dem Song wollte ich sagen: Öffnet die Türen, damit wir noch mehr Gehör
finden.
Ihr erfolgreichster Track ist „Залишаю свій дім“ (2018, „Ic…
Zuhause“), in dem Sie davon singen, wie Sie Ihrem Heimatdorf den Rücken
kehren. Inzwischen haben die Worte „Heimat“ und „Zuhause“ wohl einen ga…
anderen Klang in der Ukraine.
Ja. Das verändert sich gerade. Es wird nie wieder sein wie zuvor.
[2][Menschen haben ihr Zuhause durch Bomben und Raketen verloren.]
Ursprünglich hat der Song wohl deshalb so viele angesprochen, weil viele
die Ukraine verließen, um in anderen Ländern zu arbeiten, Geld zu
verdienen. Jetzt hat sich die Bedeutung des Songs verschoben. Aktuell
fragen mich viele: Warum fliehst du nicht? Ich bleibe hier, weil viele
Menschen und viele meiner Followerinnen und Follower überhaupt nicht die
Möglichkeit haben zu fliehen. Wenn sie mich auf der Straße in der Ukraine
sehen, motiviert sie das vielleicht, die Soldaten zu unterstützen und den
Frauen, den Kindern, den Tieren zu helfen. Wenn alle weggehen, kann unser
Land nicht verteidigt werden. Mein Herz sagt mir, dass ich hierbleiben
soll.
Sehen Sie die Popkultur und HipHop in Zeiten des Kriegs in einem anderen
Licht?
Es ist mir schon wichtig, dass meine Lieblingskünstlerinnen und -künstler
etwas zur Situation in der Ukraine sagen, denn es kostet sie nicht viel.
Snoop Dogg hat sich zum Beispiel positioniert, das hat mich gefreut. Wenn
ich andere Stars in den sozialen Medien feiern sehe, ohne dass sie ein Wort
zur Ukraine verlieren, finde ich das schwer erträglich.
Für den 15. April ist ein Konzert von Alyona Alyona in Hamburg [3][im
Knust] geplant
19 Mar 2022
## LINKS
[1] /Hip-Hop-in-Osteuropa/!5769219
[2] /Regisseur-ueber-Westen-im-Ukrainekrieg/!5838212
[3] https://www.knusthamburg.de/programm/alyona-alyona/
## AUTOREN
Jens Uthoff
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