# taz.de -- Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien: Sind die Grünen die Verliere… | |
> Die Kritik, wonach sich die Partei zu wenig durchgesetzt habe, ist | |
> wohlfeil. Koalitionsverträge sind stets gesellschaftliche Kompromisse. | |
Bild: Nur mit mickrigen 14,8 Prozent in die Regierung: die Grünen-Chefs Habeck… | |
Es ist ja grundsätzlich richtig, dass es angesichts der fortschreitenden | |
Erderhitzung „zu wenig“ sei, was die Grünen im Koalitionsvertrag | |
durchgesetzt haben. Aber diese „Zu-wenig“-Kritik ist eben auch wohlfeil. | |
Koalitionsverträge sind gesellschaftliche Kompromisse. Ernsthafte | |
Klimapolitik ist noch nicht die Grundlage eines jeden Kompromisses. Und die | |
Grünen kommen nach ihrer krachenden Wahlniederlage eben nur mit mickrigen | |
14,8 Prozent in die Regierung und nicht mit einem klaren Auftrag. | |
„Konsequentismus“ hat Jan Feddersen [1][in der taz] diese | |
Zu-wenig-Kritikattitüde genannt, bei der die gesellschaftliche Realität | |
konsequent ausgeblendet wird und am Ende immer alles scheiße ist, was | |
wirklich ist. Klar [2][ist ein FDP-Verkehrsminister] nicht a priori der | |
ideale Politiker, um die gewaltigen Ressourcenströme im Mobilitätssektor zu | |
senken. Aber entscheidend ist die EU-Gesetzgebung. | |
Außerdem trifft das auch auf SPD-Leute zu, man denke nur an Franziska | |
Giffey, die Patronin des kleinen Dieselfahrers. FDP und SPD sind stärker | |
als die Grünen im alten Fortschrittslager eingesperrt, wo es im Kern um die | |
Verteilung der fossilen Gewinne geht. Keine Steuern hier, Mindestlohn dort. | |
Allerdings sind auch die Grünen in einem alten Fortschrittsbegriff | |
verheddert, der sich in identitäts- und lagerrepräsentativer Fixierung | |
ausdrückt – und Skepsis gegenüber Leistung. Anders ist es nicht zu | |
erklären, dass der Ausnahmegrüne Cem Özdemir (Erststimmenrekordergebnis | |
40,0 Prozent) letztlich mit einer Identitätsbegründung [3][ins Kabinett | |
gehievt] werden musste – unter aufrechtem Widerstand von Teilen des | |
Bundesvorstands (speziell von Ricarda Lang, Erststimmenergebnis 11,5 | |
Prozent). | |
## Grüner Irrsinn | |
Don’t get me wrong: Es ist höchste Zeit, dass ein Deutscher mit türkischer | |
Zuwanderungsgeschichte Minister wird. Aber es ist grüner Irrsinn, wenn | |
Özdemir ein Türkenticket braucht. | |
Es fehlt auch immer noch an bundesgrüner Wertschätzung für Kretschmanns | |
baden-württembergische Mehrheitspartei, die in diesem Jahr das | |
weitreichendste Klimagesetz der Bundesrepublik durchgesetzt hat. Warum | |
konnte der Ministerpräsident das, liebe Freundinnen und Freunde? Weil er | |
auf Parteitagen so schön rumschreit oder -heult? Nein, weil seine Grünen 32 | |
Prozent haben und die CDU jetzt so klein mit Hut ist, dass sie zustimmen | |
musste, um nicht in die Bedeutungslosigkeit zu verschwinden, in der die | |
Landes-SPD bereits ist. | |
Davon kann im Bund nach dem fehlgeschlagenen Wahlkampf keine Rede sein, mit | |
dem man die SPD von den Toten auferweckt hat. Ein Wunder, sicherlich, aber | |
eben kein grünes. Umso bemerkenswerter ist es, dass die Partei nun, da der | |
Rauch sich lichtet, sortiert und regierungsbereit dasteht, mit Umwelt, | |
Landwirtschaft und mit einem Wirtschafts-, Energie- und | |
Transformationsministerium im Zentrum der Regierung, das sicher tricky ist, | |
aber in dem sehr viele Möglichkeiten versteckt sind. | |
Selbstverständlich arbeitet Olaf Scholz bereits an seiner Wiederwahl und | |
kann daher nur begrenztes Interesse haben, dass sozialökologische | |
Wirtschaftspolitik der neue heiße Scheiß wird. Man muss erst mal sehen, was | |
Vizekanzler Robert Habeck wirklich hinkriegt. Aber klar ist: Hier muss der | |
Ort des großen Gesprächs um die gesellschaftliche Mehrheit für | |
entschlossene Klimawirtschaftspolitik sein. Hier wird sich der Streit | |
lohnen. Führen wir ihn. | |
4 Dec 2021 | |
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## AUTOREN | |
Peter Unfried | |
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