| # taz.de -- FDP-Finanzprojekte und ihre Profiteure: Die gelben Tricks | |
| > Die Liberalen haben für die Vermögenden Milliarden herausgeschlagen. | |
| > Gefährlich ist ein Projekt, das harmlos klingt: die Abschreibung auf | |
| > Neubauten. | |
| Bild: Vom Himmel hoch: Abschreibungen auf Neubauten | |
| Der [1][Ampelvertrag wird gern als „Gelbe Seiten“] verspottet, weil sich | |
| nur die FDP durchgesetzt habe. [2][Das ist übertrieben]. Trotzdem ist | |
| beachtlich, was die Liberalen herausgeschlagen haben. Im Finanzbereich | |
| stechen drei Projekte heraus, die technisch klingen, aber nicht harmlos | |
| sind: die „Superabschreibung“, die 3-prozentige Abschreibung auf Immobilien | |
| und die Kapitaldeckung in der gesetzlichen Rente. | |
| Um bei der Rente anzufangen: Nächstes Jahr werden dort einmalig 10 | |
| Milliarden Euro eingezahlt und „global“ auf den Finanzmärkten angelegt. Die | |
| FDP ist nämlich überzeugt, dass Aktien mehr bringen als normale Renten und | |
| dass die weite Welt lukrativer ist als Deutschland. | |
| Das Konzept hat viele Schwächen, aber vor allem werden Betriebs- und | |
| Volkswirtschaft verwechselt. Die FDP tut so, als wäre der Gesamtstaat das | |
| Gleiche wie ein Einzelanleger. Wenn ein Investor Aktien kaufen will, ist | |
| das kein Problem. Er findet bestimmt jemanden, der Aktien besitzt und | |
| loswerden möchte. | |
| Wenn aber der Staat auftritt und Milliarden in die Finanzmärkte pumpt, dann | |
| reichen die Aktien bald nicht mehr. Denn die Unternehmen geben ja keine | |
| neuen Papiere aus, nur weil die Regierung Aktien kaufen will. Also werden | |
| die Papiere knapp, was die Kurse treibt – so dass der Staat eine | |
| Finanzblase erzeugt. | |
| Dies ist keine abstrakte Überlegung, sondern tägliche Beobachtung. Viele | |
| Länder, vorweg die USA, setzen bereits auf Pensionsfonds, die riesige | |
| Kapitalmengen auf den Finanzmärkten anlegen. Das Ergebnis sind ständig | |
| steigende Aktienkurse, die mit den Erträgen der Unternehmen nichts mehr | |
| zu tun haben. | |
| Die FDP tut so, als würden kleine Angestellte profitieren, wenn | |
| Rentenkassen auf den Finanzmärkten anlegen. [3][Nach dem Motto: Endlich | |
| besitzen Arbeiter ein paar Aktien!] In Wahrheit profitieren vor allem | |
| Vermögende. Die meisten Papiere ballen sich in wenigen Händen, und wenn die | |
| Kurse steigen, weil der Staat auf den Finanzmarkt drängt, gewinnen jene, | |
| die die Aktien bereits besitzen – die Wohlhabenden. | |
| Zum Glück will die Ampel nur 10 Milliarden Euro in diesen Irrweg pumpen. | |
| SPD und Grüne sprechen gern von „Spielgeld“ für die Liberalen. Aber | |
| eigentlich sind auch 10 Milliarden zu viel. | |
| Während die „Aktienrente“ tückisch undurchsichtig ist, sind die Profiteure | |
| [4][beim nächsten FDP-Projekt] eindeutig: die Immobilienbesitzer. Der | |
| Ampelvertrag sieht vor, dass die lineare Abschreibung bei neugebauten | |
| Mietwohnungen von 2 auf 3 Prozent ansteigt. Das klingt wenig, ist aber ein | |
| gigantisches Steuergeschenk. Man nehme an, ein neues Mietshaus ist 4 | |
| Millionen Euro teuer – dann lassen sich jährlich 120.000 Euro mit den | |
| Mieteinnahmen verrechnen. | |
| Nun ließe sich argumentieren, dass ein Haus an Wert verliert, wenn nicht | |
| Fenster, Dächer, Heizungen und Fassaden regelmäßig erneuert werden. Nur: | |
| Diesen „Erhaltungsaufwand“ dürfen Vermieter sowieso von der Steuer | |
| absetzen. Faktisch wird also doppelt abgeschrieben. Man macht einen | |
| Wertverlust geltend, den es gar nicht gibt, weil man ja Reparaturen | |
| durchgeführt hat – ebenfalls steuerbefreit. | |
| ## Preisschilder fehlen | |
| Aber es kommt noch besser: Wird das Haus nach mehr als zehn Jahren | |
| verkauft, bleibt der Erlös komplett steuerfrei. Diese Schlupflöcher werden | |
| noch vergrößert, indem künftig bei Neubauten sogar mit 3 Prozent | |
| abgeschrieben werden darf. Man wüsste gern, wie teuer dieses üppige | |
| Steuergeschenk wird. Aber leider steht im Koalitionsvertrag nirgends, was | |
| geplante Maßnahmen kosten. Die Preisschilder fehlen. | |
| Tückisch ist auch: Wenn die erhöhte Abschreibung erst einmal im Gesetz | |
| steht, wird sie ewig gelten. Keine Regierung wird sie wieder kippen können. | |
| Denn der Bundesrat muss fast allen Steuergesetzen zustimmen – und dort | |
| haben FDP und Union faktisch eine Vetomacht. Die erhöhte Abschreibung wäre | |
| also fatal, wenn sie nicht zeitlich begrenzt wird. | |
| Doch über Fristen wurde bisher nicht gesprochen. Der Verdacht drängt sich | |
| auf, dass die rot-grünen Verhandler in der Arbeitsgruppe „Wohnen/Bauen“ gar | |
| nicht verstanden haben, was ihre Zusagen finanziell bedeuten. | |
| Teuer könnte auch das dritte FDP-Projekt werden: die „Superabschreibung“. | |
| Allerdings ist ziemlich nebulös, worauf sich die Ampel geeinigt hat. Im | |
| Sondierungspapier hieß es knapp: „Der Konjunktur wollen wir einen Schub | |
| durch Superabschreibungen geben für Investitionen in Klimaschutz und | |
| Digitalisierung.“ | |
| ## „Investitionsprämie“ und „Superabschreibung“ | |
| Dieser Satz klang nach Prinzip Gießkanne. Jede Firma hätte fast jede | |
| Anschaffung bei den Finanzämtern geltend machen können, denn „digital“ si… | |
| inzwischen die meisten Maschinen. Das Deutsche Institut für | |
| Wirtschaftsforschung rechnete aus, dass in dieser Legislatur 40 Milliarden | |
| Euro in den Staatskassen fehlen könnten. Und der Wirtschaftsweise Achim | |
| Truger warnte, dass der Plan vor allem die Einnahmen der Kommunen schmälern | |
| würde, von denen viele schon jetzt fast bankrott sind. | |
| Im eigentlichen Ampelvertrag wurde daher nachgebessert. Es entstand ein | |
| Bandwurmsatz, der etwas rätselhaft ist, weil er die Worte | |
| „Investitionsprämie“ und „Superabschreibung“ kombiniert. Denn eine Pr�… | |
| ist eigentlich nicht das Gleiche wie eine Abschreibung. Eine Abschreibung | |
| wirkt indirekt, während es bei einer Prämie direkt Geld vom Staat gibt, wie | |
| alle Autofahrer wissen, die 2009 die berühmt-berüchtigte „Abwrackprämie“ | |
| kassiert haben. | |
| Aber egal. Das Finanzministerium analysierte kürzlich, dass das neue Modell | |
| nur 3 bis 4 Milliarden Euro kosten würde. Die Details sind kompliziert, was | |
| zählt ist, dass ein Steuerloch von 40 Milliarden verhindert wurde. | |
| Fazit: In den „Gelben Seiten“ steht zwar mancher Unsinn, aber damit lässt | |
| sich leben. Nur die erhöhte Abschreibung auf Neubauten muss dringend | |
| befristet werden. Sonst hat es die FDP doch noch geschafft, für ihre | |
| Klientel erhebliche Gelder abzuzweigen. | |
| 17 Dec 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ulrike Herrmann | |
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