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# taz.de -- Innenausschuss-Vorsitz geht an AfD: Schlecht gewählt
> Im Innenausschuss darf bald ein:e Abgeordnete:r der AfD Sitzungen
> leiten und das Wort erteilen. Auch wenn es um Rechtsextremismus geht.
Bild: Könnte den Innenausschuss-Vorsitz übernehmen: AfD-Abgeordneter und Isla…
Berlin taz | Die Ampel hat es vergeigt: Die Fraktionen von SPD, Grünen und
FDP im Bundestag hätten verhindern können, dass die AfD den Vorsitzenden
des Innenausschusses stellt. Dort darf nun bald ein:e Abgeordnete:r der
rechtspopulistischen bis extrem rechten Partei Sitzungen leiten, das Wort
erteilen und entziehen, wenn es um Rechtsextremismus sowie eine mögliche
Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz geht. Die Grünen hatten vor
der AfD Zugriffsrecht, entschieden sich aber für den Europaausschuss statt
Innenpolitik.
Die Ausschussvorsitze werden in mehreren Runden nach Fraktionsstärke
verteilt. Die Verteilung findet im Ältestenrat zwischen den
Parlamentarischen Geschäftsführer:innen statt. Vor der AfD durften
neben den Grünen auch noch CDU, SPD und die FDP wählen. Die CDU wählte dann
als stärkste Oppositionspartei traditionell zunächst den wichtigsten
Ausschuss für den Bundeshaushalt, die SPD soll Außenpolitik beansprucht
haben und die FDP Verteidigung.
Weil die Grünen aber Anton Hofreiter als Ersatz für das verwehrte Amt des
Landwirtschaftsministers einen Ausschussvorsitz versprochen haben, wählten
sie zuvor wohl statt Inneres überraschend den [1][wenig strahlkräftigen
Europaausschuss.] Den soll Hofreiter künftig leiten. Die AfD lachte sich
ins Fäustchen und nahm danach gern den Innenausschuss.
Die neue Fraktionschefin und ehemalige parlamentarische Geschäftsführerin
der Grünen, Britta Haßelmann, äußerte sich nicht zum AfD-Vorsitz im
Innenausschuss, verteidigte die [2][Wahl des Europaausschusses aber
inhaltlich]: Dort könne man Prozesse mit Fragen nach Flucht und Asyl,
gemeinsamer Außenpolitik und der Umsetzung des EU-Klimapakets vorantreiben.
Die CSU-Innenpolitikerin Andrea Lindholz kritisierte: „Es ist ein
sicherheitspolitischer Skandal, dass die Ampel dieses zentrale Amt einer
Partei überlässt, die von Extremisten durchsetzt ist.“ Martina Renner aus
der Linken nannte die AfD selbst ein „Sicherheitsrisiko“.
In späteren Vergaberunden sicherte sich die AfD noch den Vorsitz für
Gesundheit und Entwicklungszusammenarbeit. Angesichts der von der AfD
befeuerten Radikalisierung der Verschwörungstheoretiker-Szene während der
Pandemie dürfte auch hier Konfliktpotential schlummern.
In den Ausschüssen des Bundestages findet ein Großteil der
parlamentarischen Arbeit statt. Dort feilen die Abgeordneten zumeist unter
sich an Gesetzen, gelegentlich tagen die Ausschüsse aber auch öffentlich,
etwa bei Anhörungen von externen Sachverständigen. Die Regierung und
Opposition arbeiten in den Ausschüssen im Idealfall konstruktiv zusammen,
mit dem Ziel eines bestmöglichen Gesetzes. Schwierig ist das, wenn dort mit
der AfD eine Partei sitzt, die systematisch versucht, demokratische
Strukturen zu zersetzen und daran arbeitet, die parlamentarische Demokratie
zu unterhöhlen.
Anders als etwa bei der Wahl zum stellvertretenden Bundestagspräsidenten
steht der AfD nach Proporz der Vorsitz in drei Ausschüssen zu – das lässt
sich nicht verhindern. Auf der anderen Seite ist die Einflussmöglichkeit
der Ausschussvorsitzenden auch begrenzt: Tagesordnungswünschen müssen sie
kurzfristig nachkommen. Durch Moderation der Sitzungen und Vorsitz bietet
sich aber natürlich im jeweiligen Themenbereich eine herausragende Bühne.
## Islamhasser Curio könnte Innenausschuss leiten
Auch wenn die AfD nun die Vorsitze übernimmt: Grenzen lassen sich ihr in
den Ausschüssen durchaus noch setzen. 2019 wurde der Vorsitzende des
Rechtsausschusses, [3][Stephan Brandner (AfD), nach zahlreichen Eskapaden
abgewählt] – bis dahin ein Novum in der Bundestagsgeschichte. Der
AfD-Politiker aus der völkischen Strömung der Partei hatte permanent
provoziert. Anwalts- und Richterbünde hatten eine Zusammenarbeit mit
Brandner in Frage gestellt, Brandner hatte zudem zahlreiche Sitzungen
versäumt. Er war sich aber dennoch nicht zu schade, sich nach seiner Abwahl
als Opfer zu inszenieren und von einem „FDJ-Tribunal“ zu fabulieren.
Unklar ist derzeit noch, welche Abgeordneten die AfD nun zu den neuen
Vorsitzenden in den Ausschüssen machen wird. Seit Dienstag gilt für den
Gesundheitsausschuss zumindest Christina Baum als Kandidatin, eine
Zahnärztin aus Baden-Württemberg. Dass sie nicht allzu viel medizinischen
Sachverstand hat, zeigte sie in ihrer ersten Bundestagsrede am Dienstag:
Sie sprach von Coronamaßnahmen als „Terror“, „Willkür“ und „Knechts…
des Volkes“.
Die Impfpflicht für Pflegeberufe bezeichnete sie als „Vergewaltigung von
Teilen des Volkes durch den Impfzwang“ und wurde damit nicht nur ihrem Ruf
als völkische Björn-Höcke-Verehrerin gerecht, sondern drohte den
demokratischen Abgeordneten sogar unverhohlen mit Gewalt: „Durch die
namentliche Abstimmung zu diesem Gesetz werden die Bürger zumindest genau
wissen, wen sie zu gegebener Zeit zur Rechenschaft ziehen müssen“, sagte
Baum.
Nicht viel besser dürfte es im Innenausschuss werden: Innenpolitischer
Sprecher der vergangenen Legislatur war Gottfried Curio aus der AfD Berlin.
Er ist Islamhasser und benutzte in der Vergangenheit NS-Vokabular in Reden.
Gut möglich, dass er nun den Vorsitz übernimmt. Endgültig entscheiden will
die AfD die Personalien am Freitag.
8 Dec 2021
## LINKS
[1] /Neue-Fraktionsfuehrung-gewaehlt/!5809668
[2] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2021-12/afd-innenausschuss-vorsitz-…
[3] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-11/stephan-brandner-als-vorsit…
## AUTOREN
Gareth Joswig
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Kolumne Die eine Frage
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