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# taz.de -- Regierung von SPD, Grünen und FDP: Ampel ohne Störungsmeldung
> Der rot-grün-gelbe Koalitionsvertrag ist unterzeichnet. Christian Lindner
> will als Finanzminister nicht mehr sparen – sondern ermöglichen. Reicht
> das?
Bild: Ziemlich unfeierlich: Habeck, Scholz und Lindner am Dienstagmorgen auf de…
Berlin taz | Die Unterzeichnung des Koalitionsvertrags fällt ziemlich
unfeierlich aus. Um 9 Uhr steht Olaf Scholz (SPD) im Futurium, einem
Ausstellungszentrum für Zukunftsgestaltung. Das soll natürlich eine
Botschaft sein. [1][Ampel, Fortschritt, Zukunft.] Scholz redet kurz. Er
erwähnt in einer Minute zweimal Fortschritt und viermal die gute
Zusammenarbeit der Ampelparteien. Robert Habeck (Grüne) sagt, man sei ab
jetzt eine gemeinsame Regierung – ein Appell, geschlossen aufzutreten.
Bis jetzt lief die Bildung der Ampel erstaunlich störungsfrei. Die
reibungslose Regierungsbildung befördert ein stiller Zwang. Die Ampel ist
alternativlos. Andere Mehrheiten gibt es nicht. Die Union hält sich ja
derzeit selbst nicht für regierungsfähig.
13 PolitikerInnen unterschreiben Dienstag früh den Vertrag. Zehn Männer,
drei Frauen, niemand mit Migrationshintergrund. Im Zentrum der Macht ist
Diversity offenbar noch nicht selbstverständlich. Aber etwas ist in
Bewegung gekommen. Das Kabinett wird quotiert sein, und zwar nicht pro
forma. Schlüsselressorts wie das Außen-, Innen-, und
Verteidigungsministerium sind in weiblicher Hand. Das betont Scholz am
Vormittag in der Bundespressekonferenz.
Aber: Quote hin oder her. Den ersten gemeinsamen Auftritt der Ampel vor dem
blauen Hintergrund der Bundespressekonferenz bestreiten die drei
Alphatiere: Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner (FDP). Sie sind das
Herz der Regierung. Wenn diese drei, Kanzler, Finanzminister und
Wirtschaftsminister, sich nicht einigen, dann wird das zentrale Ampelziel
scheitern: der klimaneutrale Umbau der Wirtschaft. Lindner spielt dabei
eine Schlüsselrolle. Die FDP hat sehr lange eine ideologisch ausgehärtete
Sparpolitik verfochten. Doch Lindner hat ein neues Wording.
## Koalitionsvertrag nach dem „Prinzip Hoffnung“
Er werde das Finanzministerium in den nächsten vier Jahren zu „einem
Ermöglichungsministerium“ machen, für den Klimaumbau. Lindner will im Jahr
2022 rund 100 Milliarden Euro an nicht abgerufenen Mitteln oder für Corona
geplante Schulden für Investitionen lockermachen. Das hatte er vor ein paar
Wochen noch sehr anders gesehen. Die Schuldenbremse soll 2023 wieder
gelten. Das sei für ihn eine Leitplanke, so Lindner.
Im Koalitionsvertrag ist von Spielräumen die Rede, die trotz Schuldenbremse
genutzt werden sollen. Die Coronaschulden werden erst ab 2028 getilgt. Bahn
oder andere kreditfähige Institutionen können jenseits der Schuldenbremse
Geld leihen und Investitionen finanzieren.
Peter Bofinger, linker Ökonom und lange Wirtschaftsweiser auf SPD-Ticket,
sieht die Finanzpläne der Ampel optimistisch. „Der
Ampel-Koalitionsvertrag“, sagt er, „folgt dem Prinzip Hoffnung“ – näml…
der Hoffnung, dass die FDP nicht blockiert und auf „Merkel 2.0“ macht.
Falls Lindner den Geldhahn für den oft angekündigten Aufbruch der Ampel
zusperrt, wird es schwierig. Doch die Signale der FDP stehen derzeit eher
auf Grün. Bofinger glaubt, dass Lindner „ein kluger Mann“ sei, der
verstehe, dass Sparpolitik in den nächsten vier Jahren keinen Spass mache.
Vorstellbar ist, dass Lindner noch eine Leitplanke seiner Finanzpolitik
abmontieren muss. Wenn die Pandemie nächstes Jahr andauert, hält Bofinger
es für möglich, dass die Ampel die Schuldenbremse auch 2023 noch aussetzt.
„Das hätte den Charme, dann schon die halbe Regierungszeit ohne
Schuldenbremse zu arbeiten“, so Bofinger zur taz.
## Wohlstand und Klimaschutz?
Das nötige Geld für den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft kann also da
sein. Ob der gelingt, hängt vor allem von Robert Habeck ab. Der
Wirtschaftsminister in spe hat es sich angewöhnt, Klimapolitik in jeder
Antwort routinemäßig mit Wohlstand zu verknüpfen. Die Wirtschaft, sagt er
vor der Hauptstadtpresse, muss nicht zu Klimaschutz gedrängt werden. Man
müsse die „sozialliberale Marktwirtschaft organisch mit Ökologie
verbinden“.
Die Konzerne scheint Habeck als Verbündete zu sehen, Widerstand erwartet er
bei dem Ausbau der Windenergie. Der werde drei- oder viermal so schnell
gehen wie bisher. Das bedeute vor Ort „Zumutungen“.
Im Jahr 2030 sollen 80 Prozent des Stroms klimaneutral produziert werden.
Der Ausbau der Erneuerbaren ist, so die Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa
Neubauer, im Koalitionsvertrag „am ehesten zukunftsweisend“ – falls damit
der Ausstieg aus der Kohle 2030 und aus dem Gas danach verbunden sei.
Neubauer macht Habecks Rhetorik, der harmonische Gleichklang von Wohlstand
und Klimaschutz, nervös. „Die Formel, den Wohlstand zu erhalten, war in 16
Jahren Merkel immer die Ausrede, um klimapolitisch hinter allen
internationalen Verpflichtungen zurückzubleiben“.
Neubauer und Teile der Klimabewegung schauen [2][ernüchtert auf die
Ampel]. Klimapolitik, so Neubauer, funktioniere nicht, wenn man nur einen
Sektor – Energie – angehe und bei anderen wie dem Verkehr nicht annähernd
genug tue. Ihre Kritik: „SPD, FDP und Grüne bekennen sich zu dem
1,5-Grad-Ziel. Doch sie haben einen Koalitionsvertrag geschrieben, der
diesem Ziel nicht genügt.“
Auch wenn Lindner das Geld für den Ökoumbau lockermacht: Die Ampel wird von
der Klimabewegung Druck bekommen.
7 Dec 2021
## LINKS
[1] /Programm-der-Ampel-Koalition/!5815444
[2] /Klimaplaene-der-Ampel/!5815520
## AUTOREN
Stefan Reinecke
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