# taz.de -- Ausblick auf 2022: Zauberwort Machen | |
> Die drei Fragen für 2022 lauten: Wie kommen wir durchs 21. Jahrhundert, | |
> wie kommen wir durch das Jahr – und wie kriegen wir das zusammen? | |
Bild: Immer wieder Fridays mit Greta Thunberg (m.) und Luisa Neubauer (l.) | |
Das zukunftsweisende Ereignis des Jahres 2021 war nicht die [1][krachende | |
Niederlage der Grünen] bei der Bundestagswahl, nicht die der Union und | |
schon gar nicht die scheinbare Wiederauferstehung der SPD. Es ist [2][das | |
Urteil des Bundesverfassungsgerichts], das Klimapolitik | |
verfassungsrechtlich verpflichtend vorschreibt. Das hoffe ich jedenfalls. | |
Damit wird endlich die Frage zentral, die der Soziologe und | |
taz-Futurzwei-Herausgeber Harald Welzer immer wieder unserem geliebten | |
Gewurschtel entgegenstellt: „Wie kommen wir durchs 21. Jahrhundert?“ | |
Die Begrenzung der Erderhitzung und Anpassung an eine neue Welt ist nur | |
global zu schaffen, klar, aber im Parisabkommen geht es darum, dass jeder | |
Staat das Seinige dafür tut. Die Verpflichtung der jeweiligen | |
Bundesregierung besteht darin, nicht nur die Freiheit im Jetzt, sondern | |
auch die Freiheit der Jungen im Jahr 2050 und darüber hinaus zu | |
gewährleisten. Dafür braucht es aber nicht nur neue Politik, sondern als | |
Fundament dieser Politik eine erweiterte gesellschaftliche Kultur. | |
Vereinfacht: Wir müssen leben, was wir denken wollen, und eine Mehrheit | |
sein. | |
Das ist aber schwierig, wie sich gerade in der Pandemie zeigt. Eine | |
liberale Gesellschaft, die sich nicht mehr nur mit den | |
gesellschaftspolitischen Freiheitserweiterungen für den Einzelnen | |
beschäftigt, das wird nicht nur für die FDP und ihre Wähler hart, sondern | |
gerade auch für die Grünen und ihre Wähler. Denn die beiden Teile der | |
gebildeten Mittelschicht reden und denken zwar politisch anders, leben aber | |
weitgehend gleich, das heißt: Beide streben nach so viel individueller | |
Weltreichweite wie möglich und damit bisher so viel CO2-Ausstoß wie dafür | |
nötig. Wir kommen darauf zurück. | |
## Warum wählten so viele junge Menschen die FDP? | |
Dass junge Leute [3][in großer Zahl FDP wählten], ist trotzdem die Sache | |
von 2021, über die unsereins nicht hinwegkommt. Die alten Volksparteien | |
sind programmatisch over, und das spüren die Jungen stärker, als es die | |
Alten an sich heranlassen wollen. Die Grünen, naja …, aber wie kann das mit | |
der FDP sein, fragen sich viele rechtschaffene Linksliberale vom alten | |
Schlag. Sie wollen selbstverständlich denken, dass die Jugendlichen von | |
heute alle wie die Klimapolitik-Aktivistinnen engagiert auf Bäumen hocken | |
oder in Talkshows. Und nun stellt sich nicht nur heraus, dass es auch junge | |
Männer gibt, sondern auch noch welche, die mit Aktenköfferchen zur Uni | |
gehen und dort nicht für die Weltrettung lernen, sondern um danach etwas | |
für sich zu leisten, Karriere zu machen und Geld zu verdienen. Unerhört! | |
Tut mir jetzt leid, aber es gibt Junge, die die FDP und vor allem ihren | |
Vorsitzenden Christian Lindner cool und nachahmenswert finden. Die auch | |
2022 noch auf große Autos stehen, das glauben manche nicht, aber da muss | |
man nur mal auf den Parkplatz einer Privat-Uni schauen. Außerdem auf gute | |
Sprüche, tolle Weiber oder heiße Männer. Lindner inszeniert die Ästhetik | |
des Fortschrittsversprechens für Leute, die sich in einem angeblich | |
linksliberalen Sprech-Establishment irgendwie auch marginalisiert fühlen. | |
Und Anton Hofreiter spricht die eben nicht an. Okay, das war jetzt fies. | |
Also werden wir präziser: Es erreicht auch viele nicht, wenn Vizekanzler | |
Robert Habeck Klimapolitik als Freiheitspolitik durchdefiniert, und sie | |
finden es auch nicht cool, wenn Cem Özdemir mit dem Fahrrad zu seiner | |
Vereidigung als Minister fährt. | |
Warum nicht? Weil sie nicht sehen, was das mit ihnen zu tun hat, weil es | |
nicht ihr Ding ist, deshalb. „Claudia Roth, alles schön und gut, aber …“, | |
wie eine Studentin mir sagte. Das Entscheidende ist die Leerstelle im Satz. | |
Das ist nicht ihre Welt. Und dass für diese Jungen gelte: „Tiktok, nicht | |
taz.“ | |
## Egoismus vs. Altruismus? | |
Jetzt wird gleich jemand mit belehrender Stimme sagen, dass es aber ja gar | |
nicht erstrebenswert sei, „cool“ zu sein, nach „oben“ zu kommen, reich … | |
werden. Will ich ja auch so sehen. Aber they agree to disagree. Außerdem | |
hat derjenige, der das sagt, vermutlich genug – von Coolness mal abgesehen. | |
Es geht hier um die Wahrnehmung eines entgegengesetzten Ansatzes der beiden | |
Zukunftsparteien. Die FDP will etwas für dich tun. Dir nach oben helfen. | |
Das Land moderner, digitaler machen, damit du deine Leistung abrufen | |
kannst. Die Grünen wollen, dass du etwas für die anderen machst, aber dabei | |
nicht besser als andere sein willst. | |
Um das tun zu können, muss man aber schon jemand sein, vor allem das Kind | |
von jemand, und nicht erst jemand werden wollen. Alle Migranten sollen | |
aufsteigen können, finden die Grünen. Aber wehe, einer schafft es mit Hilfe | |
der bestehenden Strukturen und des eigenen Ehrgeizes hinauf – zu ihnen. | |
Özdemir, Al-Wazir: Dann gehört er nicht mehr zu den Guten, dann ist er ein | |
angepasster Karrierist. | |
Deshalb war es so wichtig, dass Grünen-Chef Habeck gegen den Widerstand der | |
„Linken“ in der Bundestagsfraktion den Erststimmenkönig Cem Özdemir [4][a… | |
Minister durchgedrückt hat]. Um den Leuten mit migrantischer und/oder | |
baden-württembergischer Herkunft zu signalisieren, dass ihre Leistung nicht | |
angepasstes Arschlochtum ist, sondern gerade auch in dieser Partei etwas | |
zählt. Und deshalb ist es fundamental, dass Robert Habeck die ökosoziale | |
Marktwirtschaft ausgerufen hat, die sich nicht über den Staat, sondern über | |
individuelle und unternehmerische Leistung und neue Politik definiert. Weil | |
das den jungen FDP-Wählern sagt, dass sie hier etwas leisten, werden und | |
sein können. Sie werden gesehen, sie werden gebraucht, das ist die | |
Botschaft. | |
## Fridays for Future und Luisa Neubauer | |
Und was ist künftig die Rolle von Fridays for Future? Über Luisa Neubauer | |
habe ich zu einer jungen Frau in diesem Jahr mal gesagt, sie sei „die | |
Stimme der bundesrepublikanischen Zivilgesellschaft.“ Worauf die junge Frau | |
knurrte: „Ja, der weißen, akademischen Zivilgesellschaft.“ Naja, ich sehe | |
selbstverständlich ein, dass das für eine junge Kartoffelakademikerin die | |
angemessen gesellschaftskritische Antwort scheint. Aber es ist eben auch | |
kurzes Denken, denn das Neue und Zukunftsfähige an Neubauer besteht ja eben | |
darin, dass sie sich nicht auf eine kulturelle Identität, ein Milieu, eine | |
Klasse, eine Ideologie oder gar Partei verkürzen lässt oder zumindest | |
lassen will – und genau das macht ihre Machtposition aus und ihren Einfluss | |
auf das aktuelle gesellschaftliche und auch politische Gespräch, der – for | |
what it’s worth – den von Old Habermas vermutlich längst übersteigt. | |
Dass ich diese englischen Ausdrücke benutze, wird übrigens von Lesern mit | |
Deutschlehrerinnenkultur immer wieder kritisiert, aber auch das ist auf | |
Frau Neubauers Einfluss zurückzuführen, die gern mal im Kontext deutscher | |
Politik so was sagt wie: „Das ist doch komplett wacky“ (englisches Wort für | |
„verrückt“). | |
Jedenfalls nannten sie [5][bei der Klimakonferenz in Glasgow] das Urteil | |
des Karlsruher Bundesverfassungsgerichts den „Neubauer-Case“. Das ist in | |
der Verkürzung für alle jene nicht schön, die auch und sogar früher geklagt | |
haben, aber so ist die Lage. Und die langjährige Bundeskanzlerin Angela | |
Merkel sagte in ihrer Abschiedspressekonferenz in einer selbstironischen | |
Anspielung auf ihr klimapolitisches Totalversagen: „Jetzt würde Luisa | |
Neubauer sagen, ihr habt euch nicht genug angestrengt.“ Dabei habe sie sich | |
doch angestrengt! Da würde Luisa Neubauer sagen: Try harder. | |
Insofern war es auch albern, wenn Leute zischten, „Luisa“ – Frau Neubauer | |
wird auch von Leuten, die sie nicht persönlich kennen, nur „Luisa“ genannt, | |
das ist wie bei Heino oder Benedikt – also, Luisa wolle doch bestimmt | |
Bundestagsabgeordnete der Grünen werden. Um dann im Fraktionsnirwana | |
Realas gegen Linke zu spielen und „Netzwerke“ für eine | |
Funktionärinnenkarriere zusammenzutelefonieren? Get a life. | |
Am Telefon sagt Neubauer, sie finde es noch immer noch indiskutabel, dass | |
86 Prozent der Grünen-Mitglieder für einen Koalitionsvertrag gestimmt | |
haben, der keine 1,5-Grad-Politik anpeilt. Ihre Cousine Carla Reemtsma | |
[6][geißelte die Grünen in der taz] auf traditionelle Art, also als – frei | |
übersetzt – machtgeile, opportunistische Wichserinnen und Wichser. So | |
aktivistisch würde Luisa Neubauer nie sprechen. „Naja“, so formuliert sie | |
das, „die Grünen-Mitglieder sind per Definition extrem kompromissbereit.“ | |
Welche Definition? „Meine Definition“. | |
Für Neubauer ist die entscheidende Frage, wer denn überhaupt notwendige | |
Klimapolitik machen wollen soll, wenn es eine Regierung mit den Grünen | |
nicht tut. Eine Antwort gibt das Klimagesetz von Baden-Württemberg: Eine | |
Regierung, in der die Kretschmann-Grünen die klare Mehrheit sind und nicht | |
nur 14,8 Prozent der Leute repräsentieren. Ich: Es braucht einfach | |
demokratische Mehrheiten. Neubauer: „Es braucht soziale Kipppunkte.“ Was | |
wäre das? „Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Das ging auch ohne | |
Mehrheiten.“ Es kam zustande, weil Richter Kinder und Enkel haben und weil | |
sie heute durch Fridays for Future und so weiter anders denken, als sie | |
vorher gedacht haben. Insofern wäre das Urteil der Ausdruck einer sich | |
verändernden Kultur, die die politische Bearbeitung des Klimawandels als | |
notwendige Grundlage von allem sieht. | |
## Der Koalititonsvertrag aus klimapolitischer Sicht | |
Zum Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP gibt es aus | |
klimapolitischer Sicht zwei Perspektiven. Die Neubauer-Perspektive: besser | |
als die Vorgängerregierung, aber viel zu wenig. Die andere Perspektive: | |
viel besser als die Vorgängerregierung und viel Potenzial. | |
Der Koalitionsvertrag, sagt Ralf Fücks, sei klimapolitisch gesehen ein | |
„extrem ambitionierter, extrem detaillierter Katalog guter Absichten“ und | |
„unglaublich ausgabenintensiv“. Fücks, 70, ist Chef des Thinktanks Liberale | |
Moderne, als Senator in Bremen war er mal Pionier einer Ampelkoalition, als | |
Vorstand der Böll-Stiftung immer wieder im Clinch mit Grünen, denen er zu | |
realitätsnah war. Was Wirtschaftsminister Habeck plant, ist für ihn der | |
Versuch, klimapolitische Dynamik durch einen „aktiven Staat“ und durch den | |
Wettbewerb einer ökosozialen Marktwirtschaft hinzubekommen. Der Staat muss | |
in dieser Logik anstoßen und kofinanzieren, Innovation und Wumms muss aus | |
dem Unternehmertum kommen. | |
Das Problem ist, dass das Geld des „aktiven Staates“ aus wachsenden | |
Steuereinnahmen kommen muss, also aus Wirtschaftswachstum. Doch das | |
bedeutet erst mal auch wachsende Emissionen und Ressourcenverbrauch. An | |
dieser Stelle sagt der Degrowth- und Postwachstums-Fan: Die Lösung kann nur | |
Schrumpfen sein! Worauf Fücks antwortet: Erstens ist seit 1990 die | |
Wirtschaftsleistung in Deutschland um 50 Prozent gewachsen, die | |
Treibhausgase sind aber um 40 Prozent gesunken, ähnlich im gesamten | |
EU-Raum. Und zweitens wäre Schrumpfen finanz- und sozialpolitisch absurd, | |
weil das sinkende Investitionen und weniger Geld zum Verteilen bedeutet. | |
Die Folge ist ausbleibende Transformation der Wirtschaft und ein zunehmend | |
härterer Kampf um die schrumpfenden Sozialpotenziale. | |
Der Kern von Fücks’ grüner Revolution, die er seit Jahren entwickelt, ist | |
das „intelligente Wachsen“. Das meint Wachstum in den zukunftsbringenden | |
Bereichen. Und Wachstum, das nicht nur von CO2-Ausstoß, sondern auch von | |
Ressourcenverbrauch entkoppelt ist. Aber gerade das fehle im | |
Koalitionsvertrag. | |
Nun gibt es selbstverständlich ernstzunehmende Leute, Harald Welzer etwa, | |
die eine Entkopplung von Wachstum und Ressourcenverbrauch grundsätzlich für | |
unmöglich halten. Aber wenn Entkopplung nicht funktioniert, dann wird es | |
bitter, so viel ist klar. Erstens gibt sehr wahrscheinlich nicht einmal | |
unter den engagiertesten Berliner Schrumpfungstheoretikern eine | |
nennenswerte Zahl, die aus ihren 150-Quadratmeter-Wohnungen in zwei Zimmer | |
umgezogen sind, seit die Kinder weg sind. Zweitens wäre auch das | |
physikalisch betrachtet irrelevant. „Auch wenn wir schrumpfen“, sagt Fücks, | |
„der Rest der Welt wird wachsen. Deshalb dürfen wir nicht auf uns | |
zurückfallen, sondern müssen Lösungen für deren Wachstum produzieren.“ | |
Das sagen Kretschmann und Habeck ganz genauso. Die Frage wird sein, ob sie | |
das durch- und umsetzen können. Oder besser gesagt: wir. | |
Dass das klimapolitische Programm der neuen Regierung ambitionierter ist | |
als das der letzten, zählt im Denken mancher Fridays und Ökos nicht, weil | |
das Klima ja nun, wie völlig richtig gesagt wird, nicht mit sich verhandeln | |
lässt. Wie Welzer zu sagen pflegt: Man kann nicht einfach sagen, wie in der | |
bundesdeutschen Maß- und Mittepolitik üblich, jetzt setz’ dich mit uns an | |
den Tisch, Klima, und schau dir an, was wir Tolles planen, und dann kommst | |
du uns auch entgegen und schiebst deine Kipppunkte nach hinten. | |
## Optimistischere Stimmen | |
Andere Sozialökologen und auch der für Klimapolitik hauptzuständige | |
Vizekanzler Habeck sehen das aber als ein Work in Progress. Heißt: Es geht | |
nicht um maximale Ziele, sondern darum, endlich in der Wirklichkeit | |
loszulegen und im Prozess zunehmend Schwung und Tempo aufzunehmen. Es geht | |
nicht darum, die Zielvorgabe für neue Windräder möglichst hoch zu setzen, | |
sondern schnell einen politischen und unternehmerischen Rahmen | |
hinzubekommen, mit dem man möglichst viele aufgestellt kriegt. | |
Auch der Soziologe Heinz Bude hält die Lage für gar nicht so trübe, wie das | |
Neubauer oder Kollege Welzer tun. Er fährt gerade aus Kassel nach Berlin, | |
weshalb die Telefonverbindung hin und wieder etwas schlecht ist. Bude sieht | |
die deutsche Gesellschaft nach der Klimakonferenz von Glasgow Ende des | |
Jahres in die „Post-Greta-Phase“ eingetreten. Soll heißen: Thunberg und | |
Fridays haben gewirkt. „Das Aufbegehren der Greta-Menschen wird in eine | |
Logik hineingearbeitet, die versucht, die Wege zum Erreichen eines | |
Klimaziels und die gesellschaftliche Unterstützung dafür | |
zusammenzubringen.“ Also eben nicht einzelne Ziele auf Teufel komm raus | |
durchdrücken. | |
„Was haben wir davon“, sagt Bude, „dass man ein bestimmtes Klimaziel | |
erreicht und die Unterstützung verliert?“ Dabei geht es eben auch um | |
Bereiche, die nicht direkt mit dem Erreichen des Klimaziels zu tun haben, | |
aber eben doch. „Zum Beispiel die Wohnfrage. Die muss beantwortet werden, | |
im Blick auf Klimapolitik“, sagt Bude, der ein Herzens-Sozialdemokrat ist. | |
An der Stelle muss man für Nicht-Experten vielleicht mal sagen, dass das | |
1,5-Grad-Ziel wünschenswert, aber unrealistisch ist. Wir sind bei 1,2 Grad, | |
bestimmte Erwärmungsprozesse sind nicht mehr zu stoppen, und dass die USA, | |
China und Indien in den nächsten Monaten alle Kohlekraftwerke abschalten, | |
ist ausgeschlossen und würde zu Chaos und Krieg führen. Auch der Umbau in | |
Deutschland müsste so radikal sein, dass die Kollateralschäden kaum | |
auszubalancieren wären. Mit dem Ampelplan könnte man vielleicht 2 Grad | |
schaffen, sagen Energieexperten. Das wäre schlecht, aber verglichen mit | |
dem, was wirklich droht, nicht ganz schlecht. | |
## Der Modus der Gegenwart ist die Krise | |
Und dann wird halt doch alles anders kommen. Die Belastung durch die | |
[7][nicht endende Coronapandemie] hat schon 2021 viele Leute und Systeme, | |
speziell Familiensysteme, an den Rand ihrer Kapazitäten gebracht und auch | |
die rhetorisch aufbruchbereite Mittelschicht auf das Überleben des Alltags | |
zurückgeworfen. Weshalb der Überraschungskanzler Olaf Scholz eben keinen | |
Aufbruch anführen soll, sondern Habeck und Lindner in der alten | |
sozial-fossilen Welt festklammern. Insofern muss ich auch meine | |
Begeisterung für das Urteil des Bundesverfassungsgerichts etwas | |
relativieren. Es ist wichtig, um nationale Politik in die Gänge zu bekommen | |
und den kulturellen Wechsel der Deutschen zu fundieren, entscheidender wird | |
die Klimapolitik der EU sein. | |
Der Modus der Gegenwart ist die Krise und die Krisen kommen nicht mehr | |
nacheinander, sondern sie kumulieren. Kann also sein, dass wir im Herbst | |
die soundsovielte Welle der Pandemie haben, die Wirtschaft deshalb nicht | |
angesprungen ist und das Geld ausgeht für das ganze geplante Ampelzeugs. | |
Wenn Putin dann auch noch Krieg in der Ukraine führt, dann muss die EU den | |
Ukrainern helfen und sich selbst. Und das geht nicht mit Yogamatten. Und | |
dann wird Putin sein Gas offensiv als „geopolitische Waffe“ einsetzen, wie | |
Ralf Fücks das nennt. Und dann muss man der Ukraine trotzdem helfen oder | |
eben kuschen. Denn sonst gibt es weitere wirtschaftliche Probleme, und ohne | |
Russlands Gas keine deutsche Energiewende. Es sei denn, wir schalten die | |
AKW doch noch nicht ab …, was ja auch nicht geht. | |
Angesichts der Krisenkonkurrenz wäre Laufzeitverlängerung, zumindest | |
gefühlt und im Augenblick, nicht unser größtes Problem. Das ist ironisch, | |
historisch betrachtet, aber es beschreibt die völlig neue Welt, in der wir | |
längst leben, ohne uns dessen bewusst sein zu wollen. Machen wir uns darauf | |
gefasst und machen wir trotzdem was draus. | |
„Machen“ ist die Zauberformel des Jahres 2022, aber es reicht leider nicht | |
mehr, sie raunend auszusprechen. Das ist jetzt echt ungünstig für uns, die | |
wir alles mit Sprechen hinkriegen wollen: Wir müssen das Machen schon | |
machen. | |
1 Jan 2022 | |
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