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# taz.de -- Arbeitsmarkt in der Pandemie: Kellner, Rider, verzweifelt gesucht
> Während der Pandemie haben viele Arbeitskräfte aus dem
> Dienstleistungsbereich die Branche verlassen. Warum haben sie die Nase
> voll?
Steffen Kirchner betreibt am Berliner Wannsee das beliebte
Ausflugsrestaurant Loretta. Und er sucht gerade verzweifelt nach Personal,
erzählt er am Telefon. Wie dramatisch ist die Lage? „Absolut dramatisch!“,
sagt er – und fragt: „Haben Sie einen Koch für mich?“ Momentan müsse er
sich entscheiden, ob er lieber die Öffnungszeiten reduziere oder ob er das
ihm verbliebene Personal so überstrapaziere, dass es ihm bald auch
davonlaufe.
„Es ist eine Wahl zwischen Pest und Cholera“, sagt Kirchner. So oder so:
Ihm geht gerade Umsatz durch die Lappen. Das Loretta musste bereits einen
zweiten Ruhetag einführen. In Berlin gebe es zurzeit Tausende unbesetzte
Stellen in der Gastronomie, sagt er.
Anfang Herbst spottete Kontinentaleuropa noch über Großbritannien, wo die
Menschen vor Tankstellen Schlange standen, weil die Lkw-Fahrer:innen
fehlten und der Nachschub an Benzin ausblieb. Der Brexit sei schuld,
lautete die landläufige Begründung. Und in den USA gaben im August fast 4,5
Millionen Menschen ihren Job auf – so viele wie noch nie zuvor in einem
Monat. Man spricht von der „Great Resignation“, der großen Kündigungswell…
Englischsprachige Medien sind voll davon.
Doch seit einiger Zeit trifft der Arbeitskräftemangel auch die hiesige
Wirtschaft. Lücken tun sich in den Regalen auf, weil die [1][Versorgung
ohne Lkw-Fahrer:innen] nicht gewährleistet werden kann. In den
Schaufenstern von Bars und Restaurants kleben Zettel, die zur Bewerbung
auffordern. Lieferdienste wie Wolt versuchen mit Geldprämien, neue
Fahrer:innen anzuwerben. Und die Bild-Zeitung sieht den Ausschank von
Glühwein auf Weihnachtsmärkten in Gefahr – zumindest auf denen, die noch
stattfinden dürfen.
Deutschland fehlen laut der Schätzung von Expert:innen [2][über 1
Million Arbeitskräfte]. Am vielbeschworenen demografischen Wandel kann es
noch nicht liegen, zu schnell kam diese Wende, zu plötzlich sind der
Wirtschaft die Leute ausgegangen. Und es geht im Moment auch nicht um den
seit Jahren bestehenden Fachkräftemangel. Es fehlen zurzeit viele Menschen,
die in Jobs arbeiten, die man schnell lernen kann, Jobs im
Dienstleistungssektor.
Doch wo sind sie hin? Und wie viel hat das mit Corona zu tun? In der
Pandemie sind auch neue Jobs geschaffen worden. Die taz hat mit vier
Menschen gesprochen, die während der Pandemie entschieden haben, beruflich
etwas Neues auszuprobieren – und dabei Chefs zurückgelassen haben, die
jetzt verzweifelt Ersatz suchen.
## Octavio freut sich auf einen richtigen Job
Octavio ist einer, der gewechselt hat. Der 28-Jährige war bis vor Kurzem
[3][Fahrer beim Lieferdienst Gorillas]. Auch wegen der Debatte über seinen
ehemaligen Arbeitgeber will er seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung
lesen – aber auch aus Respekt vor seinem neuen. Denn heute hat Octavio eine
Stelle, die seiner Ausbildung entspricht, als Videocutter in einem
Medienkonzern. Octavio ist vor ein paar Jahren aus Lateinamerika nach
Berlin gezogen – der Liebe wegen. In einer Bar in Neukölln erzählt er von
der körperlichen Belastung durch die Arbeit als Rider, von den
Unwägbarkeiten der Start-up-Welt, und wie sehr er sich freut, endlich einen
„richtigen Job“ zu haben.
Octavio berichtet von ständigen Rückenschmerzen, weil er bis zu 20 Kilo
schwere Rucksäcke durch die Straßen fuhr und Treppen hoch schleppte.
Während des Lockdowns sei das besonders schlimm gewesen, viele wollten
nicht mal zum Einkaufen raus, also brummte bei den Gorillas das Geschäft.
„Für körperliche Arbeit wird ein Stundenlohn von 10,50 Euro aber immer zu
tief sein“, findet Octavio.
Eines Tages, erzählt er, schloss der Lieferdienst auch noch die Pausenräume
mit Kühlschränken, sodass die Rider zwischen den Aufträgen draußen im Regen
warten mussten. Seit Octavio in Berlin wohnt, hat er einen Job gesucht,
der zu seiner bisherigen Karriere passt. Er wechselte von einem
unterbezahlten Start-up-Praktikum ins nächste. Seit 2019 schrieb er über 50
Bewerbungen, erfolglos. Doch plötzlich klappte es. Das habe auch mit der
Pandemie zu tun, davon ist er überzeugt. Der Arbeitsmarkt sei in vielen
Bereichen ausgetrocknet.
Das muss man Frederik Fahning nicht erzählen. Fahning ist einer der Gründer
der Arbeitsvermittlungsplattform Zenjob. Jeden Monat vermittelt Zenjob etwa
20.000 Menschen an Unternehmen aus den Bereichen Logistik, Gastronomie und
Einzelhandel. Fahning steht im ständigen Austausch mit Soziolog:innen,
die den Arbeitsmarkt erforschen, und mit Unternehmen, die Arbeitskräfte
suchen. Er weiß also, was der Markt will.
In welchen Bereichen ist es gerade besonders schwierig, Angestellte zu
finden? „Eigentlich in allen“, sagt Fahning im Zoomgespräch. Es gebe viel
zu wenig verfügbare „Talents“. Für befristete Teilzeitangebote seien
momentan kaum Leute zu finden. Und viele aus der Gastronomie seien während
der Lockdowns in den Einzelhandel gewechselt, als dort verzweifelt Personal
gesucht wurde, das die Kassen bedient und die Regale mit Klopapier und
Nudeln auffüllt.
Auf dem Bau, in der Gastronomie und der Logistik gibt es viele Jobs, für
die man wenig Vorbildung braucht – und in denen die einzelne Arbeitskraft
bisher leicht zu ersetzen war. Deswegen waren die Löhne bislang meist
niedrig, die Bedingungen schlecht. Vielleicht ändert sich das aber gerade
zugunsten der Arbeitnehmer:innen. Denn wenn die Chefs keinen Ersatz
finden, müssen sie ihre Angestellten besser behandeln. Fahning sieht eine
Verlagerung: Arbeitnehmer:innen seien jetzt stärker in der Lage zu
bestimmen, mit welchem Lohn sie nach Hause gehen, welche Arbeitsbedingungen
sie akzeptieren. „Sie sind deutlich emanzipierter“, sagt Fahning.
Der durchschnittliche Stundenlohn auf seiner Vermittlungsplattform liegt
zurzeit bei 13,50 Euro. Fahning erwartet eine baldige Steigerung auf 15
Euro. „Sehr, sehr cooler Trend, der sich da abzeichnet, aufgrund dieser
Knappheit“, sagt er. „Das bedeutet ein deutlich stärkeres Empowerment
aufseiten der Talents.“
Christoph ist 53 Jahre alt und hat die vergangenen sechs Jahre als Fahrer
gearbeitet, bis zu diesem Herbst. Christoph, der seinen richtigen Namen
ebenfalls nicht in der Zeitung lesen will, hat Blutproben aus Arztpraxen
ins Labor gebracht. Die Lage auf Berlins Straßen hatte sich wegen Corona
und den unzähligen Onlinebestellungen aber so verschlechtert, dass er von
seinem Job immer genervter wurde. „Man fährt immer mehr gegeneinander“,
brummt er ins Telefon. Erschwerend hinzu kamen: deutlich mehr Verkehr und
Touren als vor der Pandemie.
Christoph kann stundenlang über den Verkehr schimpfen, die Rider:innen der
Lieferdienste regen ihn besonders auf. „Ich versteh schon, dass das arme
Kerls sind, die Zeitdruck haben“, sagt er. „Aber übern Bürgersteig müssen
sie trotzdem nicht rasen.“
Diesen Sommer hatte er einen berufsbedingten Unfall. Sechs Wochen lang war
er danach mit mehreren Brüchen krank geschrieben. Das gehöre zum
Berufsrisiko eines Transportfahrers, sagt er. Doch als er wieder zurück ins
Labor kam, meckerte sein Chef ihn an, er habe durch seine Abwesenheit den
Betriebsablauf gestört. „Ich darf meine Knochen hinhalten, aber wenn ich
zurückkomme, wird nicht mal gefragt: ‚Knochen wieder heile, geht’s gut?‘…
sagt Christoph. „Da dachte ich: Macht euren Scheiß doch alleine.“
## Schwierige Arbeitsbedingungen, unverschämte Chefs
Er hatte von Freunden gehört, dass anderswo gerade dringend Personal
gesucht wird. Ursprünglich hat er Kaufmann gelernt, mit Zahlen und Tabellen
kennt er sich aus. Über Empfehlungen bekam er so einen Job im
Gesundheitsamt, das dringend Leute für die Dateneingabe suchte. Es sei
nicht gerade die spannendste Aufgabe und auch nur befristet, erzählt er:
„Aber als ich weg wollte, war alles, was sich anbot, ein Strohhalm.“
Schwierige Arbeitsbedingungen, unverschämte Chefs – hinzu kommt, dass die
Arbeitsämter und Jobcenter im vergangenen Jahr ihre bürokratischen Hürden
gesenkt haben. Etliches, wofür man früher persönlich hinfahren musste, geht
plötzlich online. Auch das hat vermutlich vielen geholfen, die in dieser
Zeit über eine berufliche Neuorientierung nachdachten.
„Beim Jobcenter waren sie auf einmal super freundlich“, erzählt Cella. Die
29-Jährige hat sich für einen Karrierewechsel entschieden. Eigentlich hat
sie Fotografie studiert, aber davon konnte sie nie richtig leben. Zuletzt
hat sie gekellnert, zwei Jahre lang in einem hippen Restaurant in Neukölln.
Bis spät in die Nacht auf den Beinen, immer freundlich lächeln, auch wenn
die Gäste sich wie Arschlöcher verhalten, dazu häufig noch sexuelle
Belästigung, auch durch Vorgesetzte – Cella hatte schon länger die Nase
voll davon. Dann musste sie auch noch operiert werden. Die Nachwirkungen
der OP hätten das ständige Rumrennen noch anstrengender gemacht, erzählt
sie.
Während des Lockdowns bekam sie nur einige 100 Euro Kurzarbeitergeld im
Monat, die Trinkgelder waren ihr auch weggebrochen. Sie konnte die Miete
nicht mehr zahlen und musste zum Jobcenter, um aufzustocken. „Während der
Pandemie haben wir alle gemerkt, dass das kein stabiler Beruf ist.“ Wie
viele ihrer Freund:innen entschied sie, dass es besser wäre, einen Job zu
suchen, den man im Notfall von zu Hause aus machen kann.
Programmieren, das klang für Cella, die aus Karrieregründen anonym bleiben
will, nach einer sicheren Zukunft. Während des ersten Lockdowns belegte sie
im Internet ein paar Gratiskurse in den gängigen Programmiersprachen und
merkte, dass es ihr nicht nur Spaß machte, sondern dass sie auch ganz gut
darin war. Als sie sich beim Jobcenter erkundigte, ob sie eine Fortbildung
machen könne, meinte ihre Beraterin, sie würden ihr sogar ein ganzes
Studium an einer privaten IT-Schule finanzieren.
Das Problem dabei: Das Amt bezahlt nur, wenn man gekündigt wird, nicht,
wenn man selbst gehen will. Cella entschied sich, offen mit ihrem
Vorgesetzten darüber zu sprechen. Sie wolle den Beruf wechseln und würde
gern entlassen werden, sagte sie ihm. Doch der Manager des Restaurants
weigerte sich, er finde gerade kein neues Personal, darum könne er
niemanden entlassen, habe er gesagt und stattdessen verlangt, dass Cella
noch mehr Schichten übernimmt.
„Um da rauszukommen, musste ich eine andere Karte spielen“, sagt sie. Ein
Arzt schrieb ihr ein Attest, das bestätigte, dass sie nicht mehr körperlich
arbeiten könne, weil sie unter Komplikationen von ihrer OP leide. Als sie
ihrem direkten Vorgesetzten das Schreiben zeigte, habe er angefangen, sie
anzuschreien, erzählt sie. Was ihr einfalle, die Crew im Stich zu lassen?
„Die ganze Zeit heißt es, wir seien eine große Familie. Nach der Schicht
trinkt man zusammen, aber wenn ich etwas Neues mit meinem Leben anfangen
will, dann gibt’s Ärger.“
Wenige Tage später bekam Cella einen Anruf. Es war der Besitzer des
Restaurants, dem noch ein paar Bars gehören. Zuvor hatte er mit ihr kaum
ein Wort gewechselt. „Der flehte mich am Telefon an, nicht zu kündigen“,
erzählt sie, noch immer hörbar verblüfft. Er bot ihr freie Schichtwahl an,
ein komplett freies Wochenende pro Monat – aber als sie mehr Gehalt
forderte, blockte er ab. „Sorry, aber für 7.50 netto macht doch keiner mehr
diese Jobs“, sagt Cella. Der Besitzer bat sie zum Abschied, in ihrem
Freundeskreis weiterzusagen, dass all seine Bars gerade Leute suchen.
Cellas Erfahrungen kann auch Arbeitsvermittler Frederik Fahning bestätigen.
In der Gastronomie seien die Einkommen nicht besonders stabil, das
Basisgehalt, von dem aus das Kurzarbeitergeld berechnet wurde, sei oft so
niedrig gewesen, dass es während der Lockdowns kaum zum Überleben reichte.
„Da haben viele gesagt: Nö, da orientier ich mich um“, sagt Fahning.
Doch warum steigen die Löhne dann gerade nur so moderat? Müssten
Gastronomen nicht einfach bezahlen, was der Markt verlangt? Es gebe zwei
Gründe, warum die Löhne oft trotzdem nicht stiegen, sagt Fahning. Manchmal
will die Bar nicht mehr bezahlen, weil sie es sich nach den Lockdowns
wirklich nicht mehr leisten kann. Oder der Arbeitgeber denkt sich, es finde
sich schon noch jemand, der für wenig Geld arbeitet. Sinnvoll sei diese
Einstellung aber nicht. „Im Zweifel muss die Bar dann dichtmachen, weil sie
niemanden haben, der dort arbeitet.“
Steffen Kirchner vom Ausflugsrestaurant Loretta sieht die Hilfen des
Sozialstaats kritisch, für ihn sind sie Teil des Problems. „Diese
Leistungen müssen mal gekürzt werden, wenn Jobangebote nur abgelehnt
werden“, sagt er. Zu viele seien während der Pandemie aus der Gastronomie
ausgeschieden. „Mitarbeiter haben während Corona gelernt, dass Freizeit
wunderbar ist.“ Kirchner will sie nicht faul nennen, die Köch:innen und
Kellner:innen, die nicht mehr am Wochenende und spätabends arbeiten wollen.
Aber: „Viele Mitarbeiter haben die Lust zu arbeiten verloren, sie nehmen
sogar finanzielle Einschränkungen hin.“ Am Lohn könne es bei ihm jedenfalls
nicht liegen, er zahle über Tarif. Er biete sogar Teilzeitmodelle an –
trotzdem finde er nicht genügend Arbeitskräfte.
## Weniger Nachtleben, mehr Erholung
Donna Stark sitzt auf der Dachterrasse ihrer Friedrichshainer WG. Sie
hat zehn Jahre lang im Nachtleben in Hamburg und Berlin gearbeitet, hat an
der Tür ausgesucht, wer rein darf und wer nicht, hat die Gäste betreut, hat
auf Festivals Kioske betrieben und Künstler:innen betreut. Dann kam
Corona. „Das war schon krass“, sagt sie. „Von einem Tag auf den anderen w…
alles, wofür ich mich engagiert hab, einfach weggebrochen.“
Schon vorher sei bei ihr der Gedanke aufgetaucht, mal eine Pause
einzulegen. Die körperliche Anstrengung, bei Wind und Wetter draußen zu
stehen, immer dann zu arbeiten, wenn alle anderen frei haben – das alles
habe sich bei ihr langsam bemerkbar gemacht. Gut bezahlt war der Job auch
nicht gerade, zwischen 10 bis 15 Euro Stundenlohn gab es, manche Clubs
zahlen nicht mal Nachtzuschläge. Aber durch die Arbeit an der Tür war Stark
immer Teil einer Gemeinschaft von Raver:innen, die Clubs auch als
politische Räume verstehen. Das war ihr wichtig. Bis zur Pandemie.
„Ich hab zum ersten Mal seit tausend Jahren einfach ohne Nachtschichten
durchgeschlafen“, sagt sie. „Das hat mich ganz schön verändert.“ Als der
Körper und der Geist sich erholt hatten, habe sie zum ersten Mal seit
Langem Raum gehabt, sich zu überlegen: Was will ich eigentlich? Wie soll es
weitergehen mit meinem Leben? Was mach ich, wenn ich körperlich nicht mehr
mitkomme mit diesem Rhythmus? „Corona hat mir gebracht, dass ich besser auf
mich höre.“
Stark hatte das Glück, tatsächlich bei einem Club angestellt zu sein.
Normal ist das im Nachleben nicht – viele, die an der Bar arbeiten, haben
bloß Minijobs, Sicherheitspersonal arbeitet oft auf Rechnung. Wer in einem
solchen Modell festhing, bekam nicht einmal Kurzarbeitergeld. Den ersten
Lockdown hatte Stark noch ausgesessen, die Dachterrasse der WG eignete sich
gut für Yoga. Doch als klar war, dass die Clubs so bald nicht wieder
öffnen, musste sie eine Entscheidung treffen: Zu Hause rumhocken oder was
unternehmen.
Sie habe sich schon immer für Computer interessiert, jetzt hatte sie Zeit,
sich damit zu befassen. In Berlin gibt es das Studienfach Informatik und
Wirtschaft, ein kompletter Frauenstudiengang, das klang gut. „Das Amt war
ziemlich cool“, erzählt Stark. Nun wird sie wie Cella Programmierer:in. Es
ist ein Sprung in eine Karriere, die für viele zurzeit sicherer wirkt.
Durch Corona boomt alles, was online läuft.
Kürzlich seien wieder ein paar Angebote von Partyorganisator:innen
gekommen, die wollten, dass Stark an der Tür die Auswahl macht. Doch bei
der Bezahlung verdrehte sie die Augen. „Das ist jetzt nicht euer Ernst!“
Dazu komme, hört Stark aus der Szene, dass viele Clubs nicht besonders nett
mit den Leuten umgesprungen seien, die jahrelang alles zusammengehalten
haben. Manche, wie ihr früherer Arbeitgeber, hätten sich auch im Lockdown
um die Angestellten gekümmert, sich zwischendurch bei den Leuten gemeldet,
um zu fragen, wie es ihnen gehe, ein Onlinetreffen vorgeschlagen. „Die
waren einfach total am Start, mega supportive.“
Andere Arbeitgeber, hörte Stark, „melden sich ewig nicht, dann sagen die:
‚Hier, nächste Woche machen wir auf, und ihr müsst alle arbeiten.‘“ Sta…
klatscht demonstrativ in die Hände. Aber so eine Dalli-Dalli-Attitüde
wollten sich viele eben nicht mehr bieten lassen.
Seit Oktober hat sie neben ihrem Teilzeitstudium einen Job in einem
frauengeführten Start-up angetreten. So ganz ans Büro habe sie sich aber
noch nicht gewöhnt. „Meine erwachsene Seite kommt da mehr zum Zug“, sagt
sie und lacht. „So lange auf dem Arsch zu sitzen, bin ich noch gar nicht
gewohnt.“
Octavio weiß die Vorzüge seines neuen Bürojobs zu schätzen – und auch die
eines richtigen Arbeitsvertrags. Seine Freundin ist schwanger, bald ist der
Geburtstermin. Die Agentur hat ihm schon gesagt, dass er dann in Elternzeit
gehen kann. Als er das erzählt, klingt er sehr aufgeregt. „Denkst du, als
Rider kriegt man frei, um ein besserer Vater zu sein?“, ruft er. Seinen
alten Job vermisst er nicht.
Die richtigen Namen von Octavio, Christoph und Cella sind der Redaktion
bekannt.
30 Nov 2021
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## AUTOREN
Caspar Shaller
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