# taz.de -- Abschied von der Daniela Bar in Hamburg: Restetrinken im Kuschellic… | |
> Als die Daniela Bar eröffnete, war das Schanzenviertel noch keine | |
> Partymeile. Nun hat Corona dieses besondere Geschöpf des Nachtlebens | |
> hingerafft. | |
Bild: Dieses rötliche Licht, das alles und alle irgendwie schön macht | |
Es ist kalt. Uns wärmt allein dieses rötliche Kuschellicht, das alles und | |
alle irgendwie schön macht. Die Barbusige, die in Öl gemalt hinterm Tresen | |
hängt, blickt gelangweilt bis schnippisch ins Leere. Kein Wunder, dass wir | |
die ersten Gäste sind: Es ist 18 Uhr, eine Unzeit für die Daniela Bar im | |
Hamburger Schanzenviertel. Früher, also vor der Pandemie, hätte sie da noch | |
gar nicht aufgehabt. Voll wurde es selten vor elf – und blieb es meist bis | |
morgens oder bis in den Vormittag. | |
Vor ein paar Tagen hat der Hamburger Senat verordnet, dass Kneipen um elf | |
schließen müssen. Deshalb beginnt das Abschiedstrinken schon am späten | |
Nachmittag. Auch egal. Draußen ist es genauso dunkel wie morgens um vier; | |
der Himmel weint, von der Markise läuft ein endloser Wasserfaden. Im | |
Hintergrund, auf der anderen Straßenseite, schlummert die Rote Flora. | |
Das autonome Zentrum ist noch drei Jahre älter als die Daniela Bar. Die | |
gibt es seit 1992. Bevor die ersten Portugiesen mit ihrer Variante von | |
Milchkaffee kamen und der Volksmund die Straße Schulterblatt deswegen | |
„Galão-Strich“ taufte. Und lange bevor die Stadt vor der Tür einen Platz | |
anlegen ließ, die „Piazza“, und damit die Schanze zur Partymeile | |
aufrüschte. Seither [1][drängeln sich im Sommer junge Menschen mit | |
Getränken vom Kiosk] neben packevollen Bierbänken. | |
Die Daniela Bar hat das nur widerwillig mitgemacht. Es widerspricht der | |
Idee eines intimen Raums. Wenn man die lange Bar aus rotem Kunstleder und | |
viel Gold betritt, spielt die Außenwelt plötzlich keine Rolle mehr. Der | |
Planet Daniela kreist an guten Abenden, und davon gab es viele, auf seiner | |
eigenen Umlaufbahn. Wie damals, als die Barfrauen plötzlich Schnauzer zum | |
Afro trugen und damit in Zeiten, als der Genderdiskurs noch eine | |
innerakademische Angelegenheit war, manchen Gast lustvoll irritierten. | |
## „Mit unserer Kraft und Leidenschaft am Ende“ | |
Es könnte wieder so ein guter Abend werden. Wenn es nicht ein | |
Abschiedsabend wäre. Die Daniela Bar macht zu, nach 30 Jahren. „Zum Heulen | |
ist uns jetzt ganz besonders, da wir nach 21 Monaten Pandemie, Lockdowns | |
und etlichen Verordnungen mit unserer Kraft und Leidenschaft am Ende sind“, | |
haben die Wirtinnen auf Instagram geschrieben. | |
[2][Florence], eine von ihnen, lässt sich davon an diesem | |
nachweihnachtlichen Abend nichts anmerken. Sie legt lässige Soul-Platten | |
auf. Wenn sie zwischendurch Impfnachweise kontrolliert, wirkt das eher wie | |
eine persönliche Begrüßung ihrer Gäste. Die meisten kennt und herzt sie. | |
Manche brauchen ihre Lesebrille, um die App aufzurufen. Andere sind | |
deutlich jünger als Daniela. Es sind zu viele gekommen. Nur wer einen | |
Sitzplatz findet, darf rein – die Verordnung! Die anderen nehmen die ersten | |
Gin Tonics draußen. Doch gut, dass es Bierbänke gibt. | |
Ein paar Tage kann das noch so gehen, gut fünf Meter steht Flasche an | |
Flasche. Sogar der extratrockene Port ist noch da, den man für Port Tonic | |
braucht. Ende März endet der Mietvertrag. „Aber wenn wir vorher rauskommen, | |
sind wir vorher weg“, sagt Florence. Ihre Stimme klingt eine Spur rauer als | |
sonst. | |
1 Jan 2022 | |
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## AUTOREN | |
Jan Kahlcke | |
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