| # taz.de -- Krankenschwester über Pflegestreik: „Sie versuchen, uns zu erpre… | |
| > In den Asklepios-Kliniken in Brandenburg wird seit Juni gestreikt. Der | |
| > Konzern zeigt sich kaum kompromissbereit. Ein Gespräch mit einer | |
| > betroffenen Krankenschwester. | |
| Bild: Demonstrieren für bessere Arbeitsbedingungen: Mitarbeiter:innen der Askl… | |
| taz: Frau Niedenführ, Sie kommen gerade von Ihrer Frühschicht. Wie war Ihr | |
| Tag? | |
| Bärbel Niedenführ: [1][Stressig, einfach stressig.] Es wird immer mehr | |
| Arbeit. | |
| Warum? | |
| [2][Es kommt immer mehr Arbeit dazu.] Das geht beim | |
| Geschirrspülerbestücken los, dazu kommt sämtliche Küchenarbeit, sämtliche | |
| Servicetätigkeiten, Betten putzen und der Transport von Patienten zur | |
| Diagnostik. Wir Krankenschwestern machen das alles nebenbei in der Klinik, | |
| in der ich bin. Und das bei einer ziemlich ziemlich dünnen Personaldecke. | |
| Wir haben auch keine offizielle Notaufnahme, also Rettungsstelle. Das gibt | |
| es bei uns nicht, aber es erfolgt die Einweisung entweder über den | |
| Rettungsdienst oder den Hausarzt als Notfall. | |
| Das heißt, es gibt in Ihrer Klinik offiziell keine Notaufnahme, zu Ihnen | |
| kommen aber trotzdem Notfälle? | |
| Ja. Es kommen auch immer mehr Patienten, die an der Pforte auftauchen und | |
| sagen, sie haben neurologische Probleme. Die werden nicht weggeschickt. Das | |
| ist auch okay, ist alles richtig. | |
| Wie gehen Sie damit um? | |
| Wir haben ein Zimmer, das praktisch eine Notaufnahme ist. Meistens gibt es | |
| da nicht mal ein Bett. Das muss erst organisiert werden, und die ganze | |
| Dokumentation muss auch noch erledigt werden. Das ist eigentlich zusätzlich | |
| zu meiner eigentlichen Arbeit. Es bleibt alles komplett auf den Schwestern- | |
| und Arzt-Schultern hängen. Wir hatten mal eine Stationssekretärin. Die gibt | |
| es nicht mehr, weil die Krankenkassen gesagt haben, sie bezahlen praktisch | |
| nicht mehr aus ihrem Krankenkassenfonds die Sekretärinnenarbeit. Das muss | |
| Asklepios selbst machen aus seinem Gewinn. Aber Asklepios zahlt das nicht. | |
| Das klingt sehr unübersichtlich. | |
| Ja. Es gibt eigentlich einen Personalschlüssel, aber der wird damit | |
| umgangen, dass es offiziell keine neurologische Früh-Rehastation ist. Es | |
| läuft offiziell als neurologische Station. Dabei sind jetzt auch zunehmend | |
| Covid-Patienten zur Reha aus Berlin bei uns, die wieder auf die Füße | |
| gebracht werden müssen. Die brauchen umfangreiche medizinische Betreuung. | |
| Nun sind Sie aber auch schon seit Juni im Streik. Sie haben schon einige | |
| Probleme genannt – was wollen Sie mit dem Streik durchsetzen? | |
| Wir streiken für bessere Arbeitsbedingungen in den Asklepios-Kliniken in | |
| Brandenburg. Wir wollen, dass der Konzern mehr Arbeitskräfte einstellt. | |
| Mehr Schwestern, aber vor allen Dingen auch auf unserer Station mehr | |
| Therapeuten. Ich arbeite auf der Stroke Unit, in der Schlaganfall-Patienten | |
| behandelt werden. In der Psychiatrie fehlen seit Jahren auch Psychologen. | |
| Es ist alles mit der heißen Nadel gestrickt. Der springende Punkt ist nicht | |
| das Geld. | |
| Aber Sie streiken auch für mehr Geld, richtig? | |
| Ja, unser Tarifvertrag soll sich an dem des öffentlichen Dienstes | |
| orientieren. Wenn wir keinen vernünftigen Lohn zahlen, fängt bei uns | |
| niemand mehr an, zu arbeiten. Pflegeberufe sind ja doch ziemlich stressig. | |
| Deshalb müsste man sie attraktiver machen. Das fängt immer beim Gehalt an. | |
| Wenn ich woanders mehr Geld verdiene, gehe ich da hin. | |
| Wie viel verdient man in den Asklepios-Kliniken? | |
| Das ist auch ein Grund, warum wir streiken: Der Lohn ist überall | |
| unterschiedlich. Ich arbeite im Krankenhaus in Lübben. Aber in Kliniken wie | |
| Cottbus, Königs Wusterhausen, Spremberg, Senftenberg, wo es keine | |
| Asklepios-Kliniken sind, verdient man mehr als in Lübben. Die Kollegen in | |
| Brandenburger Asklepios-Kliniken haben alle denselben Grund zu streiken: In | |
| Hamburg verdient man noch mal mehr in den Asklepios-Kliniken als hier in | |
| Brandenburg, teilweise gibt es einen Unterschied von 21 Prozent. In Hamburg | |
| bekommt man in Asklepios zu 100 Prozent das Gehalt des öffentlichen | |
| Dienstes. Ob das Personal da so viel besser ist als bei uns hier, entzieht | |
| sich meiner Kenntnis. | |
| Gestreikt wird ja auch nicht von allen nichtärztlichen | |
| Mitarbeiter:innen. Wie steht es um Reinigungsfirma und anderes | |
| nichtmedizinisches Personal? | |
| Die sind schon lange ausgegliedert. Die Reinigungsfirma ist eine | |
| hundertprozentige Tochter von Asklepios und nicht gewerkschaftlich | |
| organisiert. Nachdem sie ausgegliedert wurden, sind sie zu klein für eine | |
| gewerkschaftliche Organisation. 2013 haben sie noch gestreikt. | |
| Sie streiken seit über 20 Tagen – zehrt das nicht an den Nerven? | |
| Ja, wir wollen das ja eigentlich nicht. Wir haben Asklepios letzte Woche | |
| angeboten, unseren Tarifvertrag so auszurichten, dass es 95 Prozent vom | |
| Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes sind. Nicht mal hundert. Aber dann | |
| wollten die das auch nicht. Das heißt, wir streiken weiter. | |
| Wie fühlen Sie sich damit? | |
| Wir hätten uns gewünscht, dass da Bewegung reinkommt. Es ist nicht unsere | |
| Hauptaufgabe, zu streiken. Wir sind alle viel lieber Therapeuten und | |
| Krankenschwestern und würden uns viel lieber unserer eigentlichen Arbeit | |
| widmen. Dass wir weiterstreiken, wird schwierig umsetzbar sein bei manchen | |
| Kollegen. | |
| Inwiefern? | |
| Es gibt eine Menge Kollegen, die finden, das sei nicht notwendig. | |
| Wie begründen diese Personen das? | |
| Manche sagen, ihnen reicht, wie viel sie verdienen. Ich sage aber, wenn das | |
| Personal auch an Tagen nicht reicht, an denen wir nicht streiken, muss sich | |
| was ändern. Andere sagen, das haben die Patienten nicht verdient. Ich sage, | |
| wenn wir an manchen Tagen ohne Streik besser als im Streik besetzt sind, | |
| muss man ja mal was ändern! | |
| Was meinen Sie, wie kam es zu dieser Situation? | |
| Geld regiert die Welt. Wir sind einfach zu teuer. Asklepios ist ein | |
| Konzern, der sich am Gewinn orientiert und nicht an der Gesundheit der | |
| Menschen. Sie sind an der Börse notiert. Die müssen Gewinn ausschütten am | |
| Jahresende, und Personal ist der teuerste Kostenpunkt. Es gibt keine | |
| Deckelung, was sie an Gewinn wieder ins System zurückbringen müssen. Das | |
| ist von staatlicher Seite nicht vorgegeben. | |
| Haben Sie ein Beispiel? | |
| Es gibt eine variable Sonderzahlung im Sommer, die ist umsatzgebunden. | |
| Dieses Jahr hieß es im Juni, zwei Tage bevor die Zahlung fällig wurde: Wir | |
| haben unser Ziel nicht erreicht, der Umsatz war zu niedrig, deshalb gibt es | |
| die Sonderzahlung dieses Jahr nicht. | |
| Sind Sie dagegen vorgegangen? | |
| Wir wollten wissen, wie viel der Staat für die leerstehenden Betten gezahlt | |
| hat für die Coronazeit. Da sagte Asklepios: Betriebsgeheimnis. Dann hatten | |
| wir Pech. Denn das Ministerium in Brandenburg hat gesagt, dass sie circa 15 | |
| Millionen Euro gezahlt haben für Bettenleerstand. Das haben die so verteilt | |
| im Konzern mit Rücklagenbildung, dass sie uns Angestellte einfach aus der | |
| Gewinnbeteiligung rausgeworfen haben. Weil sie 9 Millionen Rücklagen | |
| gebildet haben davon. Hätten sie nur 7 Millionen Rücklagen gebildet, hätten | |
| sie uns das prompt zahlen müssen. | |
| Stellt Asklepios in Aussicht, dass es eventuell doch noch gezahlt wird? | |
| Es ist alles nicht durchsichtig, man kann es nicht nachvollziehen. Sie | |
| behaupten in einem Interview, dass sie uns 18 Prozent Lohnerhöhung | |
| anbieten, aber das wird in Tarifverhandlungen nicht angeboten. Die Schere | |
| zwischen TVöD und Asklepios wird immer größer. Jetzt versuchen sie, uns zu | |
| erpressen: Wenn wir ihren wackeligen Tarifvertrag unterschreiben, zahlen | |
| sie uns die variable Sonderzahlung doch noch. | |
| Das kommt aber nicht infrage? | |
| Sie sagen, dass sie uns ja so gerne einen Coronabonus zahlen würden, aber | |
| weil wir die Tarifverhandlungen nicht so führen, wie sie das wollen, geht | |
| das nicht. Aber das hat mit den Tarifverhandlungen eigentlich nichts zu | |
| tun. | |
| Eine Coronaprämie haben Sie also auch noch nicht bekommen? | |
| Wir haben Coronapatienten versorgt, aber wir haben bislang noch nichts an | |
| Geld dafür gekriegt. Mal sehen. | |
| 17 Nov 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Nicole Opitz | |
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