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# taz.de -- Krankenhauspersonal und die vierte Welle: Die Ignoranz der Politik
> Schon vor Monaten baten Intensivmediziner*innen eindringlich
> darum, das Land möge sich auf die nächste Welle vorbereiten. Wieder
> wurden sie alleingelassen.
Bild: Es kann nicht sein, dass die Menschen, die unser Gesundheitssystem aufrec…
Nach fast zwei Jahren Pandemie bin ich überzeugt: In der Politik herrscht
eine große Ignoranz, im schlechtesten Falle sogar eine Verachtung für die
Menschen, die in der Gesundheitsversorgung arbeiten. Anders kann ich mir
die Situation, in der wir stecken, nicht erklären.
Schon lange vor der Pandemie waren die Arbeitsbedingungen für Pflegende und
Ärzt*innen in Krankenhäusern miserabel. Der Heilberuf ist ein wunderbarer
Beruf. Er ist aber auch ein belastender Beruf. Lange Arbeitszeiten, kein
Überstundenabbau, keine Zeit für Pausen oder gar ein Mittagessen, viel zu
viele Patient*innen, die von einer Gesundheitskraft allein versorgt
werden müssen.
Die Arbeit in Kliniken bringt seelische, familiäre, gesundheitliche
Herausforderungen, Belastungen, die manche Behandelnde abstumpfen, kalt und
unfreundlich werden lassen, weil der Druck zu hoch, die Belastung zu groß
ist. All das war, wie gesagt, lange vor der Pandemie der Fall.
Schon 2017 hatte [1][der Pfleger Alexander Jorde Angela Merkel fast
angefleht], endlich etwas an den Arbeitsbedingungen in der Pflege zu
verbessern. Seit Monaten bitten Intensivmediziner*innen
eindringlich darum, das Land möge sich auf die nächste Coronawelle
vorbereiten. [2][Schon Mitte August warnten sie], dass der frühe Anstieg
bei den stationären Covid-19-Behandlungen ihnen Sorge bereite. Reaktion aus
der Politik: null. Mitte Oktober erklärten die Mediziner*innen, dass 5.000
Intensivbetten weniger bereitstünden als vor einem Jahr und „[3][eine
dauerhaft nicht vertretbare Situation mit Blick auf die uns anvertrauten
Patienten]“ bestehe. In den letzten Monaten gab es Demonstrationen von
Pflegekräften, Kündigungen (auf einer Station der [4][Uniklinik Marburg]
warfen 15 von 16 Pflegenden auf einmal hin), Appelle. Umsonst.
Noch Anfang November twitterte FDP-Generalsekretär Volker Wissing:
„[5][Unser Gesundheitssystem ist stabil, die Gesundheitsversorgung der
Bürger gesichert]“. Als Ärzt*innen schon seit Monaten vor dem kommenden
Notstand warnten, Pflegende ausgebrannt hinwarfen. Da ist sie: die
Verachtung. Denn worum die Politik sich nicht kümmert, [6][müssen die
Menschen im Gesundheitssystem auffangen].
Und wir, als Gesellschaft, vergessen all das wieder, wenn die
Neuinfektionen runtergehen, wenn wir keine Bilder überfüllter
Intensivstationen sehen. Das ist ein Stück weit gut, dass wir unseren Geist
abschalten können. Aber es kann nicht sein, dass die Menschen, die unser
Gesundheitssystem aufrechterhalten, die sich um unsere Kranken kümmern,
allein kämpfen müssen. Gegen eine Politik, die sich nicht mal in dieser
Extremsituation vor sie stellt.
Inzwischen müssen Ärzt*innen entscheiden, welche Patient*innen sie
versorgen können, welche sie weiterschicken müssen. Pfleger*innen müssen
zum vierten Mal die letzten Reserven aufbrauchen. All das wäre vermeidbar
gewesen. Die Politik braucht Druck. Nicht nur während der Pandemie.
22 Nov 2021
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=WClqdJSgsok
[2] https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/126365/Corona-Intensivmediziner-warn…
[3] https://www.divi.de/presse/pressemeldungen/pm-fehlende-pflegekraefte-auf-in…
[4] /Bedingungen-fuer-AerztInnen-in-Hessen/!5680696
[5] https://www.tagesspiegel.de/politik/riskante-corona-plaene-die-fdp-stuerzt-…
[6] /Praesidentin-von-Pflegerat-zu-Corona/!5813518
## AUTOREN
Gilda Sahebi
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