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# taz.de -- Großes CSD-Wochenende in Berlin: Das Pride-Finale
> So viele Christopher Street Days wie 2021 gab es noch nie! Am Wochenende
> zogen drei queere Demonstrationen durch die Stadt.
Bild: Größte Demo seit Beginn der Pandemie: der CSD 2021 in Berlin mit rund 6…
Berlin taz | Es kamen dann doch sehr, sehr viele Menschen – so groß war das
Gedränge auf dem [1][Berliner Christopher Street Day], dass die Polizei
zwischenzeitlich damit drohte, die Demonstration aufzulösen. Die Behörden
sprachen von 65.000 Teilnehmer_innen, die Veranstalter_innen schätzten
sogar 80.000. Im Vorfeld hatte es ein ausgefeiltes Hygiene-/Abstandskonzept
gegeben: Distanz halten, Maske tragen, Alkoholverbot, möglichst
aufgelockerter Zug mit vielen verschiedenen Fußgruppen, dazwischen ein paar
Meter Platz.
Doch die Menschen machten nicht immer mit, ballten sich doch an den wenigen
Wagen mit Anlage und an fototrächtigen Orten wie dem Brandenburger Tor.
Hinzu kamen die Temperaturen um die 30 Grad und eine ausgelassene Stimmung
– wobei sich ein Großteil der Demonstrierenden immerhin ans Maskentragen
hielt.
„Save our community – save our pride“ war das Motto des Zugs, der auch ein
bisschen sagen wollte: Es gibt uns LGBTIQ- Menschen noch. Die Community
hatte unter der Coronapandemie besonders zu leiden, weil so gut wie alle
Treffpunkte wegfielen – Bars und Clubs sind für queere Menschen oft
wichtige Schutzräume. Um so wichtiger und schöner, sich mal wieder unter
freiem Himmel zu treffen – vielleicht war das auch ein Grund für die
Ausgelassenheit und die stellenweise Nichteinhaltung der Coronaregeln.
Oder ob es an der Politik lag? Vor einem Monat, zur
Fußball-Europameisterschaft, [2][solidarisierte sich auf einmal halb
Deutschland mit der Regenbogenfahne] und kritisierte ein homophobes Gesetz
in Ungarn, das die Darstellung von sexueller Vielfalt in Büchern und Filmen
verbietet, die sich an Kinder richten. Rückschritt für LGBTIQ-Rechte in
Ungarn, dafür in Deutschland endlich angekommen in der Mitte der
Gesellschaft?
## Es bleibt viel zu tun
Nicht ganz, immerhin hatte der Bundestag die [3][überfällige Reform des
Transsexuellengesetzes] verschleppt, und homophobe Diskrimierung ist auch
in Deutschland weiterhin an der Tagesordnung, von Hass auf trans Menschen
ganz zu schweigen. Wie jedes Jahr gab es auch rund um den CSD Fälle von
Übergriffen auf queere Menschen. In der U1 griff ein 18-Jähriger einen
51-Jährigen an, beleidigte ihn und schlug zu. Am Schlesischen Tor konnte er
festgenommen werden – um so wichtiger, dass die BVG via [4][soziale
Netzwerke Verhaltenstipps gab], wie man sich verhalten soll, wenn man homo-
oder transfeindliche Übergriffe miterlebt.
Also immer noch genug zu tun in Deutschland, das war auch den meisten
Teilnehmer_innen des CSD bewusst. Die Veranstalter_innen hatten auf ihrer
Website einen aus 32 Punkten bestehenden [5][Forderungskatalog
veröffentlicht], auch die Teilnehmenden griffen diese und weitere immer
wieder auf, forderten die Reform des Transsexuellengesetzes und verlangten
das Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung, wiesen auf die Lage von
LGBTIQ- Menschen in Belarus hin, kritisierten den ungarischen
Ministerpräsidenten Viktor Orbán für dessen queerfeindliche Politik.
Nach der Route durch den Tiergarten zur Urania und zum Nollendorfplatz
zerstreute sich die Menge recht schnell, wobei viele auch zum Feiern vor
Ort im Regenbogenkiez blieben – ein kleiner Ersatz für das in diesem Jahr
entfallende schwul-lesbische Stadtfest und auch gut für den Umsatz der
Szenekneipen, die sich über Corona retten konnten.
Am Freitagabend hatten bereits rund 5.000 Menschen beim Dyke* March
demonstriert – zum neunten Mal seit 2013. Der Zug wurde traditionell von
den Dykes on Bikes, also Lesben auf Motorrädern, angeführt und führte vom
Brandenburger Tor zum Mariannenplatz in Kreuzberg. Wie immer ohne Motto,
aber mit einer ausdrücklichen Botschaft: „Für lesbische Sichtbarkeit und
Lebensfreude“, wie [6][Organisatorin Manuela Kay im taz-Interview] betonte.
Auf einem Transparent stand auch: „Lesben aller Gender, vereinigt euch!“
## Queer-Demo pro Palästina
Insgesamt war 2021 das Jahr der vielen Pride Parades in Berlin. Früher war
man stolz (oder verwirrt) wegen zwei CSDs, einem großen in Schöneberg,
einem kleinen, politischeren in Kreuzberg. Dieses Jahr gab es mindestens
sieben Demonstrationen für die Gleichstellung von geschlechtlichen oder
sexuellen Minderheiten: vor vier Wochen einen [7][Sternmarsch mit drei
Armen], die sich am Alexanderplatz zu einer gemeinsamen Abschlusskundgebung
(mit Abstand) trafen, einen anarchistischen CSD in Kreuzberg, vor zwei
Wochen einen Trans* Pride, vor einer Woche einen [8][CSD in Marzahn], dann
an diesem Wochenende Dyke* March, einen internationalistischen CSD in
Neukölln/Kreuzberg, der eher zur Pro-Palästina-Demo geriet und von
verschiedenen pro-palästinensischen Gruppen wie dem BDS getragen wurde,
„Antideutsche“ waren nicht erwünscht – und nicht zuletzt den „großen�…
von Samstag.
Diese Auffächerung muss nicht schlecht sein. Tatsächlich könnte man auch
sagen: Je mehr CSDs, desto besser – sie machen auf bisher auch innerhalb
der LGBTIQ-Bewegung marginalisierte Gruppen aufmerksam (trans Menschen,
Lesben), auf bestimmte politische Strömungen (Anarchismus) oder lokale
Gegebenheiten (Marzahn), und dann trifft man sich doch bei den größeren
Veranstaltungen (Sternmarsch, großer CSD), um gemeinsam und solidarisch
Spaß zu haben – und für politische Ziele zu demonstrieren.
Wie wichtig so eine gemeinsame Demonstration ist, zeigte sich am Samstag
auch in Ungarn: Zum 16. Budapest Pride strömten zehntausende Menschen, mehr
als jemals zuvor. Die paar hundert rechtsextremen Gegendemonstrant_innen
wurden einfach niedergeschrien. Das ändert zwar nichts an der homophoben
Politik von Viktor Orbán, der sein homophobes Gesetz noch nachträglich
[9][mit einer Volksabstimmung absichern] will – aber es zeigt, dass es eben
doch viele Menschen in Ungarn gibt, die nicht seiner Meinung sind.
25 Jul 2021
## LINKS
[1] /CSD-in-Berlin/!5789014
[2] /Die-EM-im-Zeichen-des-Regenbogens/!5780329
[3] /Orbans-neues-Gesetz-gegen-LGBTQI/!5775057
[4] https://twitter.com/BVG_Kampagne/status/1418843895711125513
[5] https://csd-berlin.de/csd-berlin-2021/motto-2021/
[6] /Dyke-March-Berlin-am-23-Juli/!5781879
[7] /Aktivist-ueber-1-East-Pride-Berlin/!5782684
[8] /Marzahn-Pride-am-17-Juli/!5782619
[9] /Ungarns-geplantes-LGBTQ-Referendum/!5781969
## AUTOREN
Malte Göbel
## TAGS
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
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