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# taz.de -- Streit um Fetisch beim CSD: Sicherer als Blümchensex
> Beim Bremer CSD sollten Fetisch-Darstellungen verboten werden. Unser
> Autor erklärt, warum ihm das Tragen von Hunde- und Gasmasken Sicherheit
> gibt.
Bild: Das alter Ego unseres Autors: Crash
Das Darstellen von Fetischen in der Öffentlichkeit finden wir nicht
hilfreich, wenn wir bei der gleichen Demonstration und Kundgebung über
Themen wie Asylrecht, Trans*Rechte oder queere Krankenversorgung sprechen
möchten“ – das stand bis vor Kurzem auf der Internetseite [1][des CSD
Bremen]. Das mit dem Fetisch steht jetzt nicht mehr da, dank des lauten
Protests von Fetischist*innen und derjenigen, die Fetischpraktiken
ausüben, aber nicht darauf angewiesen sind, um sexuelle Erfüllung zu
erlangen.
Ich bin einer von ihnen und ich liebe es, eine Hundemaske aus Neopren
aufzusetzen. Ich gehöre zu den sogenannten Puppyplayern, also zu den
Menschen, die gerne einen jungen Hund spielen.
Ich trage dazu normale Straßenkleidung, ein Lederharness, Sportkleidung
oder auch komplett Gummi, dazu Sneaker oder Stiefel und Socken – am besten
die mit der aufgestickten Hundepfote. Viele dieser Dinge sind oft einzeln
schon ein Fetisch, in Kombination sind sie es erst recht. Auf dem Anhänger
an der Kette oder am Halsband steht der Name meines Alter Egos: Crash.
Manchmal trage ich auch eine Gasmaske oder ein Spidermankostüm –
Hauptsache, ich kann mein Gesicht dahinter verbergen. Als Crash kann ich
mich verlieren, in den jungen Hund, der keine Verantwortung tragen muss.
Ich kommuniziere mit Bellgeräuschen oder mit Mhmm-Lauten, die meine
Gasmaske noch zulässt. Ich lasse mich in die jeweilige Rolle fallen.
## Befreit von Vorurteilen
„Du kannst dich doch auch ohne das Ganze fallen lassen“, werden jetzt
einige Leser*innen denken, aber so einfach ist es nicht. Ich bin ein
schwuler Mann, auf dem Dorf groß geworden und voller internalisierter
Homofeindlichkeit. Sexuell war ich lange sehr verklemmt, alle Vorurteile
über schwule Männer kamen mir immer wieder ins Gedächtnis, wenn ich mit
einem Mann Sex haben wollte.
Sie haben mich gehemmt, meine Bedürfnisse zu kommunizieren und mich
auszuprobieren. Mit einer Maske vor dem Gesicht, mit einer anderen
Identität, bin ich frei von meinen eigenen Vorurteilen und habe ein
erfüllendes Sexleben, in dem ich meine Wünsche mitteilen und Fantasien
ausleben kann und darf. Der Fetisch befreit mich von den Vorurteilen.
Ich habe einen Weg gefunden, meine sexuellen Bedürfnisse auszuleben. In
einem Rahmen, in dem jedes Mal neu verhandelt wird, wer was mit wem macht.
Ein Rahmen, der auf Augenhöhe ausgehandelt wird und auch dann gültig
bleibt, wenn ich gefesselt irgendwo rumliege und bespuckt werde. Der
richtige Laut und es hört sofort auf. Ich fühle mich dabei sicherer, als
wenn ich mit einem Mann Blümchensex habe. Der Fetisch gibt mir Sicherheit.
Innerhalb der queeren Communitys kämpfe ich wie in der
Cis-hetero-Mehrheitsgesellschaft gegen Vorurteile und Falschannahmen. Ich
sorge für Irritation und es ist sicherlich manchmal schmerzhaft zu
reflektieren, dass die Irritation durch eigene Vorurteile entsteht.
Wenn ich auf dem CSD bin, will ich allen zeigen, wer ich wirklich bin. Auf
Demonstrationen oder Kundgebungen streite ich mit den anderen queeren
Communitys zusammen für Asylrecht, Trans*Rechte und queere
Krankenversorgung. Es geht schließlich um uns.
Jascha Urbach, 40, lebt in Berlin. Wenn er nicht gerade in der queeren
Szene für Unruhe sorgt, macht er sich für HIV-positive Menschen stark. Er
twittert unter [2][@herrurbach] und hat seit Neuestem wieder einen Blog
unter [3][https://tomate.su]
24 Jul 2021
## LINKS
[1] /Streit-um-die-CSD-Parade-in-Bremen/!5781658
[2] https://twitter.com/herrurbach
[3] https://tomate.su/
## AUTOREN
Jascha Urbach
## TAGS
Christopher Street Day (CSD)
Fetisch
Sexualität
Schwerpunkt LGBTQIA
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Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Pride Parade
Soziale Bewegungen
Homosexualität
Schwerpunkt LGBTQIA
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