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# taz.de -- Aus für Erhöhung des Rundfunkbeitrags: Wie man einen Rundfunk bes…
> Weil Sachsen-Anhalt sich querstellt, fehlen den öffentlich-rechtlichen
> Sendern ab Januar Milliarden. ARD und Deutschlandradio wollen klagen.
Bild: Sparen beim Rundfunk, kein neues Thema. Gespart wird bereits. Den Rechten…
Berlin taz | Bisher schien es wahrscheinlich, nun ist es sicher: Es gibt
keine Erhöhung des Rundfunkbeitrags zum 1. Januar. [1][Sachsen-Anhalts
Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hat eine entsprechende Abstimmung
im Landtag verhindert], die für kommende Woche geplant war. Das geht, weil
der Rundfunkbeitrag in einem Vertrag zwischen den Ländern festgelegt wird,
dem sogenannten Medienänderungsstaatsvertrag. Den unterzeichnen die
Ministerpräsident*innen und holen sich anschließend die Zustimmung ihrer
Parlamente. Haseloff hat aber nun am Dienstag seine Unterschrift
zurückgezogen, damit hat der Landtag in Magdeburg nichts mehr, worüber er
abstimmen könnte. 14 Länder hatten zuvor bereits einer Erhöhung des
monatlichen Beitrags um 86 Cent auf 18,36 Euro pro Haushalt zugestimmt.
Thüringens Abstimmung steht noch aus, es wird dort mit Zustimmung
gerechnet.
Es müssten aber alle Länder zustimmen. Da Sachsen-Anhalt ausschert, bleibt
der Rundfunkbeitrag bei 17,50 Euro. Vorerst. Das bedeutet, dass
öffentlich-rechtlichen Sendern ab dem Jahreswechsel Einnahmen fehlen
werden, mit denen sie zuletzt rechneten und die ihnen von der zuständigen
Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) auch bescheinigt wurden.
Nämlich 1,8 Milliarden Euro in vier Jahren, die zum Großteil aus dem Mehr
an 86 Cent pro Haushalt eingesammelt werden sollten.
ARD und Deutschlandradio haben am Dienstagnachmittag bereits angekündigt,
Verfassungsbeschwerde einzulegen, um eine bedarfsgerechte Ausstattung für
ihren verfassungsrechtlichen Auftrag einzuklagen. Das taten sie schon
einmal, im Jahr 2005. Damals hieß der Beitrag noch Gebühr und die
Bundesländer hatten diese um 21 Cent weniger angehoben als von der KEF
empfohlen. ARD, ZDF und Deutschlandradio bekamen damals recht. Das höchste
Gericht gestand ihnen den von der KEF empfohlenden Beitrag zu und wies die
von der Politik vorgelegte Begründung für die Absenkung zurück. Grundlage
dafür ist, dass die Landesregierungen keinen Hebel haben sollen, um auf die
Sender politisch einzuwirken. Deswegen haben sie nicht einfach so das
letzte Wort beim Rundfunkbeitrag, sondern müssen normalerweise gut
begründen, wenn sie von einer KEF-Empfehlung abweichen.
Eine solche Klage vor dem Verfassungsgericht klärt sich aber nicht mal eben
in ein paar Tagen. Das Verfahren damals dauerte über zwei Jahre. Bis dahin
würden den Sendern die Einnahmen fehlen, es könnte zu Liquiditätsengpässen
kommen. Im Management einiger Sender wird jetzt schon teils der
Finanznotstand ausgerufen. Die kleinen Anstalten bangen sogar um ihr
Bestehen.
## Not bei den Kleinen
Für Radio Bremen etwa, die kleinste Landesrundfunkanstalt in der ARD,
attestierte Intendantin Yvette Gerner bereits im März dieses Jahres, dass
es eng werden könnte, sollte die Erhöhung des Rundfunkbeitrags kippen. Ohne
eine Beitragserhöhung würde Radio Bremen gleich doppelt verlieren. Zum
einen wegen der fehlenden Einnahmen durch die Erhöhung selbst. Zum anderen
wegen des ARD-Finanzausgleichs der großen Sender, von dem die
strukturschwachen Anstalten, Radio Bremen und SR, abhängig sind. Denn auch
diese Zahlungen sind eng die Höhe des Rundfunkbeitrags gekoppelt. In Bremen
wird eine Beitragserhöhung deshalb besonders dringend benötigt. 86 Cent
mehr sind gerade so viel, dass Radio Bremen weiter seine Aufgaben erfüllen
könne. Ohne die würde es zwangsläufig zu Einschnitten im Programm kommen.
Gerade die kleinen Anstalten innerhalb der ARD sind immer beliebte
Argumente für diejenigen, die einen kleineren Rundfunk wollen. Braucht es
wirklich neun ARD-Anstalten? Kann Radio Bremen nicht im NDR und der
Saarländische Rundfunk im SWR aufgehen? Die Frage ist nicht neu. Aber dabei
bewegt man sich finanziell nicht annähernd in dem Bereich, der gerade
verhandelt wird. Radio Bremen und SR geben pro Jahr zusammen etwas über 200
Millionen Euro aus, auf vier Jahre gerechnet knapp 1 Milliarde. Würde man
beide Anstalten abschaffen, dann würde man aber nicht diesen kompletten
Betrag einsparen, sondern nur den Teil für die eigene Verwaltungsstruktur.
Denn eine Rundfunkversorgung für Bremen und das Saarland würde ja weiter
gebraucht.
Ebenfalls gerne angesprochen werden die üppigen Gehälter der
Intendant*innen. Die obersten Chef*innen der einzelnen Sender verdienen
im Jahr zwischen 245.000 Euro (Thomas Kleist, SR) und 395.000 Euro (Tom
Buhrow, WDR). Was für eine beitragsfinanzierte Institution gewiss schwer
vermittelbar ist. Allerdings: Selbst wenn man die Gehälter senkte, sagen
wir für ein Rechenbeispiel, halbierte, wären hier allenfalls 7 Millionen
pro Beitragsperiode einzusparen. Viel Geld, aber nicht annähernd die
Dimension, um die es sich aktuell dreht.
Das Einstellen der kleinen Sender und Senken der Intendantengehälter würden
also nur bedingt etwas verändern. Ein wirkliches Schrumpfen des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks müsste viel radikaler ansetzen. Sparen so,
dass der Beitrag tatsächlich merklich sinken könnte, würde bedeuten:
Weniger öffentlich-rechtliche Hörfunksender, es gibt in Deutschland über
70. Oder: raus aus dem Sportgeschäft. Die Sport-Übertragungsrechte allein
kosten über 1 Milliarde pro Beitragsperiode.
Solche Einschnitte sind weitaus unbeliebter als der abstrakte Verweis auf
den „aufgeblasenen“ Rundfunk. Am Sport und an der Lokalwelle hängen
Hörer*innen dann doch. Das politische Dilemma: Ein Schrumpfen des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks wäre mit vielen Widerständen verbunden.
Zustimmung für Pauschalkritik am Rundfunk und am Beitrag gibt’s dagegen
beinahe umsonst.
## Sparen durch Stellenabbau
Dazu muss man auch sagen: Gespart wird bereits, auf Druck der Länder, die
einen Eklat um den Beitrag, wie es ihn jetzt gibt, genau vermeiden wollten.
Die ARD-Anstalten haben in den letzten Jahren 4.800 Stellen abgebaut,
weitere 390 Stellen sollen bis 2024, also in der laufenden Beitragsperiode,
wegfallen. Das ZDF hat 562 Stellen abgebaut. Bisher wurde so gespart, dass
das Programm nicht direkt betroffen war.
Wenn jetzt über Jahre Gelder fehlen, dürfte sich das ändern. Es lässt sich
zwar am Programm drehen, ohne dass es gleich auffällt. Radiomoderator*innen
die Technik ihrer Livesendungen selbst fahren lassen spart eine zweite
Stelle. Wortminuten durch Musikminuten ersetzen ebenfalls. Und für die
weniger populären Uhrzeiten Programme zusammenlegen.
Langfristig dürfte es aber auch die Vielfalt des journalistischen Angebots
verringern und den Spielraum für Innovation nehmen. Schon jetzt planen die
Sender keinen Cent Mehrausgaben für den Bereich [2][Digitalisierung]. Die
möglicherweise wichtigsten Ausgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks,
nämlich die Modernisierung des Journalismus, werden querfinanziert.
Die Debatte um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wäre eine über
Schwerpunkte. Verfechter*innen eines geschrumpften Rundfunks auch außerhalb
des rechten Lagers hoffen, dass die Anstalten so dazu bewegt werden, ihre
Prioritäten stärker zu setzen und das Alte von Grund auf neu zu denken.
Andere dürften befürchten, dass dieser Prozess bereits im Gange ist, eine
positive Weiterentwicklung durch die jetzige Entwicklung aber gebremst
wird.
8 Dec 2020
## LINKS
[1] /Streit-ueber-Erhoehung-des-Rundfunkbeitrags/!5737020
[2] /Serie-Oeffentlich-rechtlicher-Rundfunk/!5489148
## AUTOREN
Peter Weissenburger
Erica Zingher
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