# taz.de -- Reaktionen auf Streit in Sachsen-Anhalt: Schlecht und schlechter | |
> Die CDU in Sachsen-Anhalt habe ihre Regierungsfähigkeit eingebüßt, sagt | |
> Grünen-Chef Habeck. Er verteidigt den Verbleib seiner Partei in der | |
> Regierung. | |
Bild: Die Kampagne der AfD gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist in Sa… | |
Bundespolitiker von SPD und Grünen verteidigten den Verbleib ihrer | |
Landesparteien in der Regierungskoalition in Sachsen-Anhalt und verbanden | |
dies mit scharfer Kritik an der CDU. „Die CDU in Sachsen-Anhalt und im Bund | |
haben Haseloff in unverantwortlicher Weise im Regen stehen lassen“, schrieb | |
SPD-Chefin Saskia Esken am Dienstag auf Twitter. Auch das Schweigen aus dem | |
Konrad-Adenauer-Haus habe es möglich gemacht, dass der | |
öffentlich-rechtliche Rundfunk „als tragende Säule einer unabhängigen | |
Berichterstattung grundsätzlich infrage gestellt wird.“ | |
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident [1][Reiner Haseloff (CDU) hatte am | |
Dienstag angekündigt], eine Vorlage zur umstrittenen Beitragserhöhung für | |
den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zurückzuziehen. Damit wird eine | |
Abstimmung im Landesparlament vermieden – und die für den Jahresbeginn | |
geplante, von allen anderen Ländern mitgetragene Erhöhung des | |
Rundfunkbeitrags um 86 Cent vorerst blockiert. Dem war ein längeres | |
Tauziehen vorangegangen. Haseloffs eigene CDU-Fraktion hatte sich gegen die | |
Erhöhung gewehrt – ebenso wie die rechtsextreme AfD. | |
Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck sagte am Dienstag mit Blick auf | |
Sachsen-Anhalt: „Aus unserer Sicht hat die CDU ihre Regierungsfähigkeit | |
komplett eingebüßt.“ Auch sei der Einfluss der Bundes-CDU auf ihre | |
Landesverbände „nicht mehr feststellbar“. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak | |
hatte vor einigen Tagen den Streit in der FAZ zu einer „nüchternen | |
Sachfrage“ erklärt und betont, dass die Entscheidung den Abgeordneten in | |
den Landtagen obliege. Die anderen Bundesländer – auch die von | |
CDU-Ministerpräsidenten geführten – tragen die Beitragserhöhung allerdings | |
mit. | |
Habeck stellte sich hinter die Entscheidung der Landes-Grünen, in der | |
Regierung zu bleiben. „Normalerweise müsste man in einer solchen Situation | |
die Koalition verlassen.“ Aber es sei eine besondere und verfahrene | |
Situation. Die Coronalage im Land sei dramatisch, steigende | |
Infektionszahlen seien zu verzeichnen. „Die Kolleginnen und Kollegen hatten | |
die Wahl zwischen schlecht und schlechter.“ Sie hätten sich für die | |
Variante „schlecht“ entschieden. | |
Hintergrund des Streits ist die starke AfD in Sachsen-Anhalt. Sie | |
polemisiert seit Jahren gegen den angeblich linksgrün beeinflussten | |
[2][öffentlich-rechtlichen Rundfunk] – und fordert faktisch seine | |
Abschaffung. Entsprechend machte sie eine Kampagne gegen die | |
Beitragserhöhung, die in Sachsen-Anhalt viele Menschen anspricht. Der | |
ehemalige Innenminister Holger Stahlknecht hatte in einem Interview im | |
Falle des Scheiterns der Kenia-Koalition eine Minderheitsregierung der CDU | |
ins Spiel gebracht und war daraufhin von Haseloff gefeuert worden. | |
Linken-Chefin Katja Kipping kritisierte das Vorgehen Haseloffs scharf. | |
„Ministerpräsident Haseloff versucht, die Kenia-Koalition zu retten, indem | |
er die Politik der AfD betreibt“, sagte Kipping der taz. „Indem er den | |
Staatsvertrag nicht zur Abstimmung stellt, verhindert er dessen | |
Inkrafttreten, ohne dass die CDU dafür mit der AfD stimmen müsste.“ Das sei | |
„pures Einknicken“ vor der AfD. Die Selbstzensur von Haseloff zeige, dass | |
die AfD faktisch schon mit am Kabinettstisch sitze, betonte Kipping. | |
„Dieses absurde Trauerspiel wirft ein schlechtes Licht auf den Zustand der | |
CDU Sachsen-Anhalt.“ | |
Die Krise könnte auf lange Sicht Folgen für die Bundespolitik haben, etwa | |
für eine schwarz-grüne Koalition ab 2021. Eine CDU, deren ostdeutsche | |
Landesverbände Sympathiesignale in Richtung AfD aussenden, wäre für die | |
Grünen eine problematische Koalitionspartnerin. | |
Auch der Vorfall in Thüringen im Februar 2020 sorgte für heftige | |
Irritationen. Damals wurde der FDPler Thomas Kemmerich mit den Stimmen von | |
CDU, FDP und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt, trat aber kurz darauf | |
zurück. | |
8 Dec 2020 | |
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## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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